Gegner der DFB-Elf EM-Gegner der DFB-Elf: Das müssen Sie über die französische Mannschaft wissen

Vor dem Halbfinal-Duell zwischen Deutschland und Frankreich blicken wir auf das Team des EM-Gastgebers.
Tor und Abwehr
Hugo Lloris (29)
In seiner Interpretation der Torwart-Rolle das Gegenteil von Manuel Neuer: Spielt nur so risikoreich, wie es sein muss. Also meistens gar nicht. Geht bei Paraden lieber einen Schritt mehr in Richtung des Balles, als frühzeitig zum Flug abzuheben. Das ist zweckmäßig, auch wenn die Franzosen sich erst daran gewöhnen mussten – aus der Epoche des legendären und spektakulären Fabien Barthez waren sie anderes gewohnt. Ist der sichere Rückhalt hinter der nicht immer sicheren Defensive. Hat bei dieser EM erst vier Treffer kassiert, darunter je ein Elfmeter gegen Rumänien und gegen Irland. Seit 56 Länderspielen der Kapitän der Èquipe Tricolore – damit länger als jeder Spielführer zuvor. Erlebte mit den Tottenham Hotspur in der Premier League ein gutes Jahr, das auf Platz drei endete. Abwehrspieler Sagna sagt über Lloris: „Er redet nicht viel, aber wenn wir ihn benötigen, ist er da.“ Gute Voraussetzungen für einen Torwart.
Bacary Sagna (33)
Mit der sportlichen Reife kam ihm offenbar die Erkenntnis, dass die blonden Rastas, die ihn jahrelang kennzeichneten, eine aus modischer Sicht eher fragwürdige Entscheidung waren. Spielte sieben Jahre lang für den FC Arsenal und ist seit 2014 für Manchester City aktiv – ist dort allerdings kein Stammspieler mehr. Tobt sich auf der rechten Seite gern auch offensiv aus. Machte während des Turniers teilweise nicht den stabilsten Eindruck, über seine Seite könnte etwas gehen für die deutsche Mannschaft. Hat offenbar entweder eine spirituelle Ader oder außerkörperliche Erfahrungen – sagt jedenfalls über sich selbst: „Ich sehe mich nicht verlieren. Ich sehe mich selbst im Finale dieses Turniers und will das französische Volk nicht enttäuschen.“
Laurent Koscielny (30)
Der Mann, der im Trikot des FC Arsenal seit Jahren an der Seite von Per Mertesacker verteidigt, hat mit 30 Jahren erst 34 Länderspiele absolviert, ist irgendwie zum Abwehrchef geworden, nachdem mit Raphael Varane (Real Madrid), Jeremy Mathieu (FC Barcelona), Kurt Zouma (FC Chelsea) und Aymeric Laporte (Athletic Bilbao) gleich vier Innenverteidiger ihre Teilnahme am Turnier absagen mussten. Der Stabilisationsfaktor in der französischen Defensive und nicht nur das – überhaupt einer der besten Innenverteidiger der EM. Verfügt über exzellentes Kopfballspiel und Ruhe beim Spielaufbau. Rettete auf Drängen seiner Eltern mal einen Akkordeon-Hersteller aus seiner Heimatstadt vor der Insolvenz.
Adil Rami (30)
Sieht nicht fit aus, doch der Eindruck täuscht: Rami besteht zu mindestens 98 Prozent aus Muskeln, eine Eigenschaft, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten lässt, was das Zweikampfverhalten angeht: Ist durch seine Stärke einerseits ein unangenehmer Gegenspieler, aber eben auch nicht der Wendigste. Der Mann vom FC Valencia wurde überhaupt erst nachnominiert, als sich kurz vor dem Turnier auch noch Varane verletzte. Eigentlich also Innenverteidiger Nummer sieben bis acht. Trotzdem jetzt Stammspieler, und auch wenn es nicht immer graziös aussieht: meistens solide. Könnte Probleme bekommen mit Hochgeschwindigkeitsdribblern, wie es Leroy Sané und Julian Draxler sind und wie Mario Götze es einmal war.
Patrice Evra (35)
Debütierte schon 2004 für die Nationalmannschaft und ist einer der wenigen, die übriggeblieben sind aus dem französischen WM-Kader von 2010 – einer Mannschaft voller Intrigen und ohne Respekt vor dem damaligen Trainer Raymond Domenech. Evra war der Kapitän dieser Auswahl, die dafür sorgte, dass das Turnier in französischen Medien nur das „Fiasko von Knysna“ genannt wird – in der südafrikanischen Stadt hatten die Franzosen ihr Lager aufgeschlagen, bis sie schon nach der Vorrunde heimreisten. Nach dem Turnier verlor Evra, dem nachgesagt wird, einer der Wortführer manch einer Revolte gewesen zu sein, das Kapitänsamt an Lloris. Er wurde zudem vom französischen Verband für fünf Länderspiele gesperrt und es war nicht sicher, ob er jemals zurückkehren würde. Das geschah dann aber doch recht schnell. Mittlerweile hat der Mann, der fast 300 Pflichtspiele für Manchester United absolvierte und seit zwei Jahren eine feste Größe bei Juventus Turin ist, 78 Länderspiele auf dem Konto. Hat allerdings – aufgepasst, werte DFB-Elf! – nicht mehr die Spritzigkeit vergangener Tage.
Mittelfeld
Paul Pogba (23)
Wird vermutlich bald der teuerste Fußballer der Welt sein. Ein Mittelfeldspieler mit höchster Begabung in allen auf dem Rasen relevanten Disziplinen. Konnte während der Europameisterschaft aber kaum einmal so herausragen, wie es ihm zumeist im Trikot von Juventus Turin gelingt. Vielleicht ist es doch etwas viel für den jungen Mann, der Hoffnungsträger der gesamten Grande Nation zu sein. Andererseits macht Pogba nicht den demütigsten Eindruck („Ich will der beste aller Zeiten werden“). Wird vom gewieften Mino Raiola beraten, der auch Zlatan Ibrahimovic und Mario Balotelli zu seinen Klienten zählt. Das zeigt durchaus, zu welchem Schlag von Spielern Monsieur Pogba gehört: An halbwegs guten Tagen kann er ein Spiel entscheiden. An schlechten Tagen überwiegt die Exzentrik.
Blaise Matuidi (29)
Seit Jahren ein Leistungsträger bei Paris St. Germain – wird das französische Spitzenteam aber nach vier Meistertiteln in Folge wohl verlassen und soll gar vor wenigen Tagen zwecks Verhandlungen mit Manchester United einen Kurztrip in den Nordwesten Englands unternommen haben. Wurde im vergangenen Jahr als „Frankreichs Fußballer des Jahres“ ausgezeichnet. Eine verlässliche Größe im linken defensiven Mittelfeld – bei diesem Turnier bislang jedoch eher durchschnittlich, sein stärkstes Spiel machte er beim 5:2-Sieg im Viertelfinale gegen Island. Trotz seiner Größe von nur 1,75 Metern ein leidenschaftlicher Zweikämpfer und sehr ballsicher. Wird gegen Deutschland sein 50. Länderspiel absolvieren.
N’golo Kanté (25)
Ist mit seinen 1,69 Metern alles andere als eine Kante. Im vergangenen Sommer wechselte er für rund neun Millionen Euro vom französischen Erstligisten SM Caen nach Leicester. Mittlerweile ist er das Herz der englischen Sensations-Meistermannschaft, EM-Teilnehmer – und in seiner Heimat wird er mit dem großen Claude Makelele verglichen. Ein guter Zweikämpfer mit präzisem Passspiel – und: Er läuft. Immer und immer weiter. Spielte im Eröffnungsspiel gegen Rumänien die meisten Pässe, absolvierte die meisten Tacklings und hatte die weiteste Laufstrecke aller Spieler auf dem Platz. Glaubt man englischen Medienberichten, dann soll Real Madrid einst eine Verpflichtung des Mittelfeldmannes abgelehnt haben. Die kolportierten Gründe schwanken zwischen fehlender Qualität und fehlender Popularität – so oder so: ein #epicfail
Moussa Sissoko (26)
Ist vor wenigen Wochen mit Newcastle United aus der Premier League abgestiegen – an ihm lag das aber nicht. Gut möglich, dass er – wie schon gegen Island – von Beginn an spielt. Weil er zugleich ein schneller Mann auf der Außenbahn, aber auch ein robuster Kämpfertyp ist und trotz offensiver Veranlagung auch viel in die Abwehrarbeit investiert. Saß bei Frankreichs 0:1-Niederlage im Viertelfinale der WM 2014 gegen Deutschland nur auf der Bank – hat dort aber so sehr mitgelitten, dass er am Donnerstagabend mit Revanchegelüsten antritt: „Wir sind noch nicht darüber hinweg. Es ist an der Zeit, das wiedergutzumachen.“
Angriff
Dimitri Payet (29)
Mit fast 30 das neue Lieblingskind der Franzosen. Seine Geschichte wurde schon oft erzählt, deshalb die Kurzfassung: Brauchte viele Jahre, um als Profi glücklich zu werden. Spielte in Marseille unter dem heutigen Nationaltrainer Didier Deschamps – sie kamen nicht miteinander aus. Im vergangenen Sommer wechselte er zu West Ham United und spielte die beste Saison seiner Karriere. Kommt nach den bisherigen fünf Spielen auf drei Tore und zwei Vorlagen, ist heißer Anwärter auf den „Spieler des Turniers“-Award. Kann fantastisch aus der Distanz schießen, ist präzise im Passspiel und setzt Kabinettstückchen zweckmäßig ein. Guter Mann. Eine Offensivwaffe.
Kingsley Coman (20)
Kam vor einem Jahr auf Leihbasis von Juventus Turin zum FC Bayern, sagte: „Ich bin der Spieler, der den Unterschied macht – und zwar in jeder Minute des Spiels“, und man fragte sich nicht, ob er das wirklich machen kann, sondern zunächst einmal: Wer ist das überhaupt? Hat sich in seiner ersten Bundesliga-Saison aber einen Namen gemacht mit seinen Hochgeschwindigkeitsdribblings und seiner Spielfreude, wenngleich die Effizienz seiner Aktionen verbesserungswürdig ist. Dennoch ein idealer Joker, weil erst recht für erschöpfte Abwehrspieler schwer zu verteidigen.
Antoine Griezmann (25)
Die französische Sportzeitung „L’Équipe“ druckte dieser Tage ein ganzseitiges Foto von ihm auf ihrer Titelseite und wage einen Blick in die Psyche der deutschen Spieler: „Sie haben Angst vor ihm“, schrieb das Blatt. Hm, Angst, ein großes Wort, aber, ja, doch: Griezmann ist ein Stürmer, den Abwehrreihen fürchten. Kann auf nahezu jeder Offensivposition spielen, ist flink und schussstark, mit vier Toren der beste Torschütze des Turniers. Schoss im Halbfinale den FC Bayern aus der Champions League. Das kann nicht jeder von sich behaupten. Wird in Anlehnung an „Zizou“, den großen Zinedine Zidane, mittlerweile „Grizou“ genannt. Viel mehr geht nicht. Trägt bei seinen Spielen Unterwäsche aus der Spongebob-Kollektion. Ja, auch das sollte man wissen. Irgendwie.
Olivier Giroud (29)
In vielerlei Hinsicht mit Mario Gomez zu vergleichen. Ein wuchtiger Mittelstürmer, der seinen Torinstinkt nun schon seit Jahren nachweist, bei den Fans der Nationalmannschaft aber doch einen schweren Stand hat – noch in einem Testspiel kurz vor der EM wurde er ausgepfiffen und beleidigt. Sein Image verbesserte sich nicht, als Deschamps ihn nominierte statt etwa Hatem Ben Arfa (Nizza) oder Alexandre Lacazette (Lyon) oder gar des wegen einer Erpressungsaffäre um ein Sex-Video von seinem früheren Nationalmannschaftskollegen Mathieu Valbuena suspendierten Karim Benzema. Die Fans hätten lieber einen der Gennanten beim Turnier gesehen als Giroud. Der war bei der EM nicht immer so richtig ins französische Spiel eingebunden, traf aber schon dreimal und bereitete ein Tor vor. Bei seiner Auswechslung beim 5 :2-Sieg über Island bejubelt und beklatscht. Geht doch. Ist einer dieser Stürmer, die stets für ein Tor gut sind.