Auftaktsieg in Gruppe E EM 2016 Gruppe E: Bonucci und Pele treffen bei Italiens 2:0-Sieg gegen Belgien

Lyon - Keine neun Minuten hatte es gedauert, da hob im Stade de Lyon ein Chor an, um sein Lied ein zweites Mal zum Besten zu geben. Il Canto degli Italiani, das Lied der Italiener, erschallte nun aus den vielen Kehlen der Tifosi. Und anders als beim Entrée im streng durchchoreografierten Vorlauf eines jeden EM-Spiels kündete der Gesang diesmal von einem Moment der spontanen Freude und des Stolzes.
Vielleicht war die Nationalhymne auch ein wenig Ausdruck des Erstaunens. Denn wer hier hübsch, schnell und direkt kombinierte, das war nicht die hochgelobte belgische Auswahl, sondern tatsächlich die Squadra Azzurra. Jene italienische Elf „mit dem geringsten Aufgebot an Talenten seit Menschengedenken“, wie der Corriere della Sera geätzt hatte.
Am Ende des ersten echten Topspiels dieser EM hatte das Turnier auch gleich eine zumindest kleine Überraschung erlebt. Denn die viel gescholtenen Italiener hatten gezeigt, dass mit ihnen bei dieser Fußballmesse durchaus zu rechnen ist, trotz aller Kritik. Belgien jedenfalls war bei der verdienten 0:2 (0:1)-Niederlage an Italien abgeprallt. Mehr noch: Der viermalige Weltmeister hatte auch spielerisch gefälliger agiert als Belgien.
Da dürfte es Italiens Trainer Antonio Conte auch kaum gestört haben, dass er sich im Jubel über das Tor von Emanuele Giaccherini (32.) eine blutende Nase zuzog.
Dabei hatte es zunächst den Anschein gehabt, als neige sich das Spiel nach Italiens flotter Eröffnung zu Belgiens Gunsten. Marc Wilmots’ Mannschaft agierte zunehmend bestimmend, mit mehr Ballbesitz und Offensivdrang.
Doch die ganz großen Turbulenzen konnte sie nicht verursachen in der italienischen Defensive, trotz all der Offensivkönner wie Kevin De Bruyne, Eden Hazard oder Romelu Lukaku. Distanzschüsse blieben deshalb das Mittel der Wahl, wobei sich Radja Nainggolan zunächst besonders hervortat, mit zwei Versuchen, von denen der ewige Torwart Gianluigi Buffon den ersten sicher parierte und beim zweiten nicht eingreifen musste, da er deutlich am Tor vorbeizischte. Später tat es ihm Axel Witsel gleich, als auch er aus der Ferne verzog.
Im Stile eines Quarterbacks
Der dritte nennenswerte Versuch der Belgier kurz vor der Pause trug allerdings schon erste Züge der Verzweiflung. Nicht nur, dass die Italiener es geschickt verstanden, Wilmots’ Mannen auf Distanz zu halten. Contes Team führte zu diesem Zeitpunkt ja schon, und mit ein bisschen mehr von der eigentlich legendären italienischen Kühle vor des Gegners Tor hätte diese Führung sich nicht nur auf Giaccherinis 1:0 beschränken müssen.
Dafür war dieses Tor umso schöner anzusehen gewesen, und es erinnerte in der Entstehung beinahe an jene Varianten, die auch die deutschen Innenverteidiger Jérôme Boateng und Mats Hummels in der Vergangenheit immer mal wieder aufgeführt hatten. Nun inszenierte Leonardo Bonucci im Stile eines Quarterbacks einen weiten und öffnenden Pass. Giaccherinis lief los, nahm den Ball mit links technisch fein an und schob mit rechts am herausstürzenden Torwart Thibaut Courtois vorbei ein. Und spätestens nach den weiteren Chancen von Antonio Candreva und Graziano Pellè durfte die Führung als absolut verdient eingestuft werden.
„Niemand hat uns auf dem Zettel, das motiviert uns umso mehr“, hatte Buffon gesagt. Und in der Tat agierte Italien stabil, clever und auch spielerisch ansehnlich. Zunächst konnte Courtois in der zweiten Halbzeit das 2:0 bei einem Kopfball von Pellè noch verhindern, in der Nachspielzeit besiegelte der Stürmer den Sieg. Und die Belgier? Hatten nur eine echte Großchance, als Lukaku freistehend knapp am Winkel vorbeischoss (53.). Viel Talent macht noch keine gute Mannschaft. Italien ist da ohne Hochbegabte einen Schritt weiter.