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DDR-Sieg gegen BRD vor 45 Jahren DDR-Sieg gegen BRD vor 45 Jahren: Wie Bernd Bransch zum "Beckenbauer des Ostens" wurde

Von Wolfram Bahn 22.06.2019, 10:04

Halle (Saale) - Es war ein lauer Samstagabend vor 45 Jahren, der Bernd Bransch einen Platz in den Fußball-Geschichtsbüchern bescheren sollte: Am 22. Juni 1974 führte der damals 29-jährige Hallenser die DDR-Nationalmannschaft als Kapitän bei der Fußball-Weltmeisterschaft gegen den bundesdeutschen Gastgeber zu einem völlig überraschenden 1:0-Erfolg. Die von der Stasi handverlesenen DDR-Fans im Hamburger Volksparkstadion waren aus dem Häuschen.

Und die SED-Oberen in Berlin freuten sich über diesen unerwarteten Sieg in dem brisanten deutsch-deutschen Prestige-Duell auf dem Terrain des „Klassenfeindes“ auf der anderen Seite der Mauer.

Bernd Bransch ist mittlerweile schwer krank. Er leidet an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) - eine nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Der 74-Jährige kann kaum noch seine Wohnung verlassen und steht unter ständiger ärztlicher Beobachtung. Stadionbesuche sind ihm nicht mehr möglich.

„Die Politik hat uns weniger interessiert. Es war für uns in erster Linie eine sportliche Herausforderung“, sagte Bransch später nach dem Ende der DDR über den größten Triumph seiner Fußball-Karriere. Durch seine zwei Freistoß-Tore gegen Rumänien im September 1973 vor rund 110.000 Zuschauern im Leipziger Zentralstadion - seine einzigen im DDR-Dress überhaupt - hatte der Hallenser erst den Weg geebnet zur ersten und einzigen WM-Teilnahme einer DDR-Fußballelf.

Jürgen Sparwassers Siegtor für DDR ist legendär

Und nun kam das Spiel gegen den Turnier-Favoriten. Bransch und seine Mitspieler waren vor der Begegnung in der Vorrunden-Gruppe 1 bis in die Haarspitzen motiviert. „Schließlich haben wir oft genug gehört und gelesen, dass angeblich nur im Westen richtig guter Fußball gespielt wird.“

Georg Buschner hatte seine Truppe taktisch bestens auf die technisch überlegene Elf von Bundestrainer Helmut Schön eingestellt. Als der Magdeburger Jürgen Sparwasser vor über 60.000 Zuschauern in der 78. Minute sein legendäres Tor erzielte, konnte auch Libero Franz Beckenbauer nur dem Ball hinterherschauen. „Wir haben ihnen den Schneid abgekauft“, so die HFC-Ikone, die an jenem Tag als Abwehrchef zu großer Form auflief.

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Nach der Partie wurde der Hallenser von den westdeutschen Medien zum „Beckenbauer des Ostens“ gekürt. Mit dem Star von Bayern München hatte sich Bransch vor Spielbeginn freundlich die Hände geschüttelt und den obligatorischen Wimpeltausch vollzogen. Das Foto von dieser Szene ging um die Welt.

„Beckenbauer des Ostens“: Foto von Bernd Bransch geht um die Welt

In Schwarz-Weiß steht es eingerahmt in der Diele seines Hauses im halleschen Norden. Und in Bunt hängt es im Aufgang zum VIP-Bereich des Erdgas Sportparks in Halle. „Beim Verlassen des Spielfeldes haben wir ein paar belanglose Worte gewechselt, mehr gab es da nicht zu sagen“, gab er später über die kurze Begegnung mit seinem berühmten sportlichen Kontrahenten wieder. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Weltklasse-Liberos plötzlich auf Augenhöhe.

Die Niederlage gegen die Ostdeutschen vor 45 Jahren war für die Bundesdeutschen im Nachhinein gesehen wie ein Weckruf. Der weitere Turnierverlauf ist den Fußball-Anhängern bekannt: Durch den 2:1-Finalsieg in München gegen die Niederlande gelang der Bundesrepublik der erhoffte Titelgewinn. Die DDR schlug sich wacker und wurde am Ende beachtlicher Sechster.

WM 1974: DDR-Nationalspieler sollten D-Mark-Prämie wieder abgeben

„Eigentlich wäre noch mehr drin gewesen, wenn wir gegen Brasilien mutiger gespielt und gegen Argentinien unsere Tormöglichkeiten besser genutzt hätten“, ärgerte den DDR-Auswahlkapitän noch lange die verpasste Chance, weiter vorn zu landen. Gegen Brasilien verlor die Buschner-Elf am 26. Juni 1974 0:1 - lediglich bezwungen durch ein geniales Freistoßtor von Roberto Rivelino (60.).

Für die WM-Teilnahme bekam übrigens jeder DDR-Spieler damals 15.000 DDR-Mark. Und Trainer Buschner verteilte überdies bis zu 5.000 D-Mark an die einzelnen Spieler. Das Geld stammte vom Fußball-Weltverband Fifa, der damit das gute Abschneiden der DDR-Mannschaft honorierte.

Als Bransch nach Halle zurückkehrte, erwartete ihn dort allerdings eine böse Überraschung. Die Fußballer hatten die Rechnung ohne DTSB-Chef Manfred Ewald gemacht. Die Spieler sollten ihr Westgeld wieder abgeben. Nur ein Bruchteil landete in den DDR-Kassen. „Wir hatten erzählt, dass wir alles schon ausgegeben hätten“, so Bransch, der insgesamt 72 Länderspiele machte und 1976 noch Olympia-Gold gewann.

(mz)