Champions League Champions League: Bayer 04 Leverkusen verspielt in Lissabon Platz eins

Lissabon - So ist das, wenn eine Stadt einem großen Spiel entgegenfiebert: Die lokalen Zeitungen sind voll davon, und überall in Lissabon prangen großformatige Plakate, auf denen Helden wie Cristiano Ronaldo und – etwas überraschend – Roger Federer auf dieses Spiel, diesen „Clasico“ einstimmen.
Dummerweise findet „dieses Spiel“ erst am Wochenende statt, wenn Benfica und der FC Porto gegeneinander zum Kampf um die Tabellenführung in der heimischen Liga antreten. Champions League? Lieber nicht, und so blieb das prachtvolle Estadio da Luz gähnend leer, und kaum jemand bekam mit, wie Bayer 04 Leverkusen beim 0:0 nach schwachem Spiel seine Chance auf Platz eins in der Gruppe C und eine günstige Achtelfinaleauslosung am kommenden Montag verspielte. Jetzt drohen Kaliber wie Real, Chelsea und Atletico. Kapitän Simon Rolfes sagte: „In der ersten Halbzeit haben wir es gar nicht gut gemacht. Aber Platz eins haben wir nicht heute verspielt, sondern bei den Niederlagen gegen Monaco.“
Jorge Jesus, Trainer von Benfica, hatte die allgemeine Geringschätzung der Partie gegen die Deutschen noch befeuert durch die Ankündigung, sich mit einer auf zehn Positionen umgebauten B-Elf aus dem europäischen Fußball zu verabschieden. Obwohl für Leverkusen deutlich mehr auf dem Spiel stand, reagierte sein Bayer-04-Kollege Roger Schmidt sehr ähnlich und veränderte seine Stammbesetzung auf auch immerhin fünf Positionen.
Offenbar hatte er allerdings vergessen, den Neuen um Kapitän Simon Rolfes und die Außenverteidiger Hilbert und Boenisch mit den übrigen Mannschaftskameraden oder seiner Spielidee des offensiven Pressings vertraut zu machen. So dauerte es bis zur 44. Minute, ehe Drmic – der für Kießling stürmte – mit seinem Schuss aus 22 Metern die erste Chance für Bayer 04 hatte.
Auf der Gegenseite hatte die Leverkusener Abwehr die Gastgeber zu einem fröhlichen Scheibenschießen eingeladen – weil weder Boenisch gegen Benito noch Hilbert gegen André Almeida zurechtkamen, mussten die Innenverteidiger Toprak und vor allem Spahic konstant rausrücken und irgendwie helfen. Die daraus resultierenden Räume nutzte Benfica – zunächst verdutzt, dann zunehmend entschlossen –, um Lenos Tor ins Visier zu nehmen. Limas vehementer Lattentreffer (11.) aus fünf Metern war nur die größte dieser Möglichkeiten.
Zur Pause reagierte Schmidt ein bisschen und nahm immerhin Robbie Kruse aus dem Spiel, der bis dahin die wenigen Bayer-04-Attacken durch seinen konstanten Aufenthalt im Abseits konterkariert hatte. Julian Brandt sollte es besser machen, aber das Leverkusener Spiel blieb, wie es war: ratlos, hilflos, einfallslos. Ein per Pressschlag scharf gemachter Schussversuch von Hilbert (62.) stellte so etwas wie eine Chance dar.
Auf der anderen Seite blieb die Abwehr instabil, und wäre zum Beispiel John (65.) im Strafraum entschlossener zu Werke gegangen, er hätte mehr als eine Ecke erreichen können. Als im Parallelspiel der AS Monaco in Führung ging, wechselte Schmidt Stürmer Drmic aus (70.) und Heyung Min Son ein – es musste ein Tor her. Auch Stefan Kießling kam noch (83.) für Rolfes. Aber es fiel kein Tor mehr. Stattdessen sah Toprak in der Nachspielzeit völlig unnötig die Gelb-Rote Karte.
Benfica Lissabon: Artur - Almeida, Lopez, Cesar, Benito - Cristante (87. Texeira) - John - Pizzi - Lima (63. Talisca), Derley (75. Nelson Oliveira)
Leverkusen: Leno - Hilbert, Spahic, Toprak, Boenisch - Castro, Rolfes (83. Kießling) - Bellarabi, Calhanoglu, R. Kruse (46. Brandt) - Drmic (71. Son)
Schiedsrichter: Kulbakow (Weißrussland)
Zuschauer: 35000.
Auf der nächsten Seite: Die Einzelkritik der Bayer-Akteure
Die Bayer-Spieler in der Einzelkritik:
Bernd Leno 3
Von der Abwehr oft im Stich gelassen, blieb er weitgehend fehlerlos.
Roberto Hilbert 5
Hatte große Probleme, seine Seite sauber zu halten. Brachte so das Abwehrgefüge in konstante Verdrückung.
Ömer Toprak 4
Musste Ausputzerarbeiten leisten. So weit solide, bis er völlig unnötig Gelb-Rot sah. Fehlt im Achtelfinale.
Emir Spahic 2,5
Hatte alle Füße voll zu tun bei dem Versuch, die Fehler seiner Außenkollegen auszubügeln.
Sebastian Boenisch 5
Überfordert bei seiner Kernaufgabe in der Abwehr, bei den Vorstößen fremdelte er doch arg.
Gonzalo Castro 4
Uninspirierter und leidenschaftsloser Auftritt des ewigen Talents.
Simon Rolfes 4,5
Schwacher Auftritt des Kapitäns, der allerdings so viel defensiv zu helfen hatte, dass an geregelten Aufbau kaum zu denken war.
Karim Bellarabi 4,5
Blieb vollständig unauffällig – wirkte bei seinen Mühen, als müsste er in einer Fremdsprache spielen.
Hakan Calhanoglu 4
Ihm erging es wie Bellarabi, er wusste mit dem Spiel und dem Gegner nicht viel anzufangen.
Robbie Kruse 5
Machte es sich im Abseits bequem. Musste zur Pause raus.
Josip Drmic 4
Kämpfte, rangelte, lief und schoss sogar. Und das alles ohne Wirkung.
Julian Brandt 4,5
Seine Einwechslung blieb völlig folgenlos.Karlheinz Wagner
