1. MZ.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Fußball
  6. >
  7. VfB in Deventer: „Behandelt wie Schwerverbrecher“: Polizei-Ärger wirkt nach

VfB in Deventer „Behandelt wie Schwerverbrecher“: Polizei-Ärger wirkt nach

Einreiseverbote, lange Kontrollen, Gewalt: Immer wieder gibt es Probleme rund um internationale Reisen von Fußballfans. Nach den jüngsten Vorfällen in Deventer wird Stuttgarts Vorstandsboss deutlich.

Von Thomas Eßer und Michael Evers, dpa Aktualisiert: 28.11.2025, 12:56
Der Gästeblock war nicht so voll wie geplant.
Der Gästeblock war nicht so voll wie geplant. Federico Gambarini/dpa

Deventer - Alexander Wehrle war richtig sauer. Die Geschehnisse in Deventer wirken nicht nur beim Vorstandsvorsitzenden des VfB Stuttgart nach. „Das ist völliger Irrsinn, was da abläuft. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen“, sagte Wehrle sichtlich aufgebracht im Zelt, das als Interviewzone diente. Wie zuletzt schon häufiger gab es rund um Fanreisen zu internationalen Auswärtsspielen Ärger. Für Wehrle steht nach der Partie der Schwaben bei den Go Ahead Eagles (4:0) fest: So kann es nicht weitergehen.

Bei der Ankunft Stuttgarter Fanbusse hatte es Ärger gegeben. Wie auf Videos zu sehen ist, setzte die Polizei unter anderem Schlagstöcke gegen Stuttgart-Fans ein. Laut VfB verhängten die niederländischen Behörden gegen einen Teil der Anhänger vor dem Europa-League-Spiel ein Betretungsverbot für die Stadt. Viele Fans traten daraufhin die Heimreise an.

„Wenn wir eine Fankultur im europäischen Fußball aufrechterhalten wollen, dann müssen wir auch dafür Sorge leisten, dass Fans, die sich nichts zuschulden kommen lassen, auch einreisen dürfen und ein normales Fußballerlebnis haben“, forderte Wehrle. „Denn irgendwann werden wir Verhältnisse haben, da wird auch keiner mehr mitreisen. Und dann wird das den Fußball verändern. Und wir machen das doch für die Fans oder für was machen wir es?“

Europäische Fanorganisation äußert sich

Gemeinsam mit anderen deutschen Clubs habe man zu der Problematik schon in der Vergangenheit Kontakt zur Europäischen Fußball-Union UEFA gehabt. Probleme gibt es aber weiterhin.

„Die massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Fans und die Gewaltakte der Polizei am gestrigen Tage fügen sich leider in eine Reihe ähnlicher Vorfälle ein, die wir in den letzten Monaten in ganz Europa beobachten mussten“, teilte die Faninteressenvertretung Football Supporters Europa auf dpa-Anfrage mit. Die niederländischen Behörden müssten „ihre Einsatzstrategien einer kritischen Prüfung unterziehen“.

Zuletzt auch schon Probleme für Bayern- und Frankfurt-Fans

Zuletzt durften Fans aus Frankfurt keine Tickets für das Champions-League-Spiel ihrer Mannschaft in Neapel kaufen. Anhängern des FC Bayern wurde vor der Partie der Münchner bei Paris Saint-Germain die Fahrt in die französische Hauptstadt verwehrt. Sie mussten sich an einer Mautstelle sammeln. Der Bayern-Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen bezeichnete die Maßnahmen anschließend als „Schikane“ - unter anderem habe es nur eine Toilette für rund 750 Menschen gegeben.

Sportdirektor Christoph Freund sprach am Freitag zudem auch mit Blick auf das jüngste Auswärtsspiel des deutschen Rekordmeisters beim FC Arsenal in London davon, dass es Szenen gegeben habe, „die man nicht sehen will“. Zur Aufarbeitung sei man im Austausch mit allen Beteiligten.

Wehrle: „Erstmal einen Knüppel in den Rücken oder in den Nacken“

Ob Einreiseverbote, stundenlange Kontrollen oder hartes Vorgehen der Polizei mit Schlagstockeinsatz wie in Deventer: Jeder Einzelfall ist anders. Die Häufung von Problemen macht aber nicht nur Wehrle Sorgen. Im Unterschied zu vielen anderen Vorfällen, die nicht nur deutsche Fans betreffen, war diesmal ein Club-Verantwortlicher Zeuge.

„Die Fans nehmen sich doch frei. Die reisen an. Die wollen ein Fußballerlebnis haben. Und die werden erstmal behandelt wie Schwerverbrecher“, sagte Wehrle. „Ich war dabei. Ich habe mich dann auch so gefühlt und gedacht: Wo bin ich hier eigentlich?“ Fassungslos beschrieb er die Busankunft der Fans: „Beim Aussteigen haben sie erstmal einen Knüppel in den Rücken oder in den Nacken bekommen von der Polizei.“

Go-Ahead-Eagles-Direktor Jan Willem van Dop nahm die Sicherheitskräfte in Schutz. So seien unter anderem Busse mit Fans zurückgeschickt worden, die kein Ticket hatten. „Einige hatten Tickets, andere nicht. Und das Verhalten im Bus war so aggressiv, dass die Polizei schließlich eingriff“, sagte er.

Die Erfahrung, schon lange vor dem Anpfiff wieder zurückzureisen, ist für einige Fans nicht neu: Vor rund einem Jahr brachen viele VfB-Anhänger ihre Reise zum Spiel bei Roter Stern Belgrad an der serbischen Grenze ab. Auch damals kritisierte Wehrle den dortigen Einsatz von Sicherheitsorganen scharf.

UEFA-Präsident Ceferin hatte sich eigentlich klar geäußert

Städte, Provinzen oder Präfekturen scheinen sich immer häufiger nicht in der Lage zu sehen, internationale Partien ohne Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Fans oder sogar dem kompletten Verbot von Anhängern durchzuführen. „Wir haben 489 Tickets bekommen. Wenn man das nicht managen kann, da mache ich echt viele Fragezeichen“, sagte Wehrle.

Ähnlich hatte sich auch schon Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche nach dem jüngsten Spiel der Eintracht in Neapel geäußert. „Wenn du nicht in der Lage bist als Veranstalter oder als Club, ein Spiel stattfinden zu lassen, bei dem du Gästefans und Heimfans am Spiel teilnehmen lassen kannst, dann muss man ehrlicherweise sagen, dann dürfen sie an dem Wettbewerb nicht teilnehmen“, sagte er.

Einen Antrag auf Verlegung der brisanten Partie an einen neutralen Ort hatte die UEFA damals nach Angaben des Bundesligisten abgelehnt. Nachdem 2023 beim Duell der beiden Clubs in Italien schon keine Gäste-Tickets an Eintracht-Fans verkauft worden waren, hatte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin eigentlich im ZDF angekündigt: „Wir müssen sagen, wenn so etwas passiert, wird dort nicht gespielt.“