DFB-Elf Bastian Schweinsteiger: Die wundersame Genesung

Ascona - Am Freitag gab es nur noch zwei Gruppen in Joachim Löws Trainingscamp: Die Gruppe Mats Hummels und alle anderen, was ein guter Hinweis darauf war, dass der Plan des Bundestrainers für die Tage im Tessin aufgegangen ist. Er wollte die Spieler seines EM-Kaders in körperlich zumindest sehr ähnliche Zustände bringen, sagte Löw zu Beginn der zehn Tage am Lago Maggiore. Und tatsächlich trainierten nun alle gemeinsam mit dem Ball, während Hummels allein weiter daran arbeitete, seinen Muskelfaserriss in der Wade zu kurieren, ohne dabei zu viel Form einzubüßen.
Ein großer Teil der Arbeit in Ascona wurde im weißen Fitnesszelt hinter dem Trainingsplatz getan, wo sich die Athletik-Trainer darum bemühten, Wunder zu vollbringen. Bastian Schweinsteiger zum Beispiel dürfte bei den Fans von Manchester United für einige Verblüffung gesorgt haben, als er sich am Donnerstag nicht nur gesund, sondern gleich spielfähig meldete. Nach zwei Knieverletzungen und nur wenigen Einsatzminuten im vergangenen halben Jahr steht der DFB-Kapitän zur EM-Generalprobe in Gelsenkirchen gegen Ungarn am Samstag (18 Uhr/ZDF) vor seinem Comeback.
Schweinsteiger voll belastbar
Man sieht Schweinsteiger an, dass er in den vergangenen Monaten viel Rehatraining hat hinter sich bringen müssen, die Tage im Zelt waren da nur die letzte Etappe. Ein ziemlicher Brocken ist der Mittelfeldmann geworden. Als er vor fast genau zwölf Jahren im DFB-Trikot gegen Ungarn debütierte, war er sehr viel filigraner. Sollte er am Samstag eingewechselt werden, wird sich die Welt davon überzeugen können, wie es tatsächlich um ihn bestellt ist. Körperlich sei er voll belastbar, und tatsächlich sieht er aus, als könne er Wände durchbrechen. Ob er sich allerdings auch mit einem Ball am Fuß um die eigenen Achse drehen kann, ohne dabei acht Zwischenschritte machen zu müssen – das ist eines der Geheimnisse vor dem Treffen mit den Ungarn.
Schweinsteiger kam bei der EM-Generalprobe im Jahr 2004 zur zweiten Halbzeit für Andreas Hinkel, Lukas Podolski wurde eine Viertelstunde vor Schluss für Fredi Bobic eingewechselt. Am Samstag begeht Lukas Podolski seinen 31. Geburtstag, und nach einer zumindest persönlich anständigen Saison bei Galatasaray Istanbul könnte es sein, dass der ewige Kölner auf dem linken Flügel sein 128. Länderspiel absolviert. Die linke Seite ist seit der Heimfahrt des verletzten Marco Reus noch ein ungeklärter Bereich. Mesut Özil jedenfalls scheint nicht bereit, den Dortmunder wie schon bei der WM 2014 zu vertreten. „Der Bundestrainer weiß, wo ich meine Stärken raushauen kann, und das ist auf der Zehn. Darum gehe ich davon aus, dass ich dort spiele“, sagte der Vorlagenkönig des FC Arsenal im Gespräch mit dieser Zeitung. Außer Podolski wäre der Wolfsburger Julian Draxler nach zuletzt steigender Form ein Kandidat.
Wer wird zweiter Innenverteidiger?
Ebenfalls offen ist, wer an Jérôme Boatengs Seite für Mats Hummels verteidigen wird. Antonio Rüdiger kam zwar am Freitag einmal mehr verspätet zum Training, scheint aber in Löws Gunst weiter vor Weltmeister Benedikt Höwedes zu liegen. Als Rechtsverteidiger kommt Joshua Kimmich in Frage, vielleicht aber auch Shkodran Mustafi vom FC Valencia.
Mats Hummels pflegt währenddessen seine verletzte Wade, „ich habe keine Schwierigkeiten beim Lauftraining, und auch hinterher keine Reaktion“, sagte der Innenverteidiger am Donnerstag. „Um den 8. Juni“ wolle er mit dem Balltraining beginnen, gern früher, „denn das Laufen ist nicht so meine Spezialdisziplin“. Der Bundestrainer lasse ihm allerdings alle Zeit der Welt, und tatsächlich werden wohl weder die Ungarn noch die EM-Gruppengegner Ukraine, Polen oder Nordirland das Tor der DFB-Elf derart bestürmen, dass es ohne Hummels nicht geht. „Das Turnier ist lang, hat viele kräftezehrende Spiele. Auf jeden Fall ist klar, dass Mats zurückkommt und dann zur Verfügung steht“, sagt Joachim Löw.