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Chemie Volley Chemie Volley: Kleine Sprünge

Von frank harnack 14.10.2013, 19:27
Der Kanadier Joren Zeeman (im Sprung) ist einer der sieben Neuzugänge bei den Chemie Volleys Mitteldeutschland.
Der Kanadier Joren Zeeman (im Sprung) ist einer der sieben Neuzugänge bei den Chemie Volleys Mitteldeutschland. Archiv/Wölk Lizenz

Spergau/MZ - Es ist ein risikoreiches Unterfangen. Mit einer der jüngsten Mannschaften - Altersdurchschnitt 23,8 Jahre - und einem der kleinsten Etats startet das Team der Chemie Volleys Mitteldeutschland am Mittwoch in seine siebte Bundesliga-Saison. Über den Sommer hat sich beim einzigen Volleyball-Erstligisten Sachsen-Anhalts einiges getan. Ex-Nationalspieler Ulf Quell hat als Cheftrainer das Kommando übernommen. Und mit ihm kam ein personeller Schnitt im Kader. Sechs Spieler gingen, sieben kamen neu dazu. Quell suchte sie aus - nicht nur nach Talent und Fähigkeiten, sondern auch nach finanziellen Möglichkeiten.

Und die sind begrenzt. Auf 250.000 Euro beziffert Manager Rick Wiedersberg den Etat. Allein 90.000 Euro davon mussten seit Ende Mai zusätzlich aufgebracht werden. Das war eine Forderung der Deutschen Volleyball-Liga (DVL) für die Lizenzerteilung. Damit nicht genug. Ab dem achten Jahr der Zugehörigkeit zur ersten Liga muss der CVM hauptamtliche Stellen in der Geschäftsstelle schaffen, Nachwuchstrainer einstellen, ebenso einen Manager. Damit rollt ein erheblicher Kostenblock auf den Verein zu. „Wir müssen damit jetzt schon anfangen, alles auf einmal im kommenden Jahr wird zu viel“, sagt Wiedersberg.

Die Anforderungen belasten die Spergauer enorm und sind deutlich schwerer zu verkraften als für viele Konkurrenten. Beim VfB Friedrichshafen beispielsweise liegt der Etat im siebenstelligen Bereich. Davon kann Ulf Quell, bis Sommer Co-Trainer am Bodensee, nur träumen. „Mit einer Million Euro Etat würden wir in der Spitze mitspielen.“ Stattdessen heißt es, mit bescheideneren Mitteln und viel Enthusiasmus den Kampf um den Klassenerhalt aufzunehmen. „Das ist unser Ziel“, sagt Quell.

Sportlicher Erfolg ist wichtig für Lobbyarbeit

Es steht viel auf dem Spiel. Für Quell, für den der CVM seine erste Station als Cheftrainer ist, und für den Verein selbst. „Wir befinden uns in einer Situation, wo sich entscheiden wird, ob es künftig weiter höherklassigen Volleyball in der Region geben wird oder nicht“, verdeutlicht Quell. Er ahnt: Der sportliche Erfolg ist wichtig, um Lobbyarbeit in der Region betreiben zu können. Da muss der CVM noch Boden gutmachen, zumindest angesichts des wirtschaftlichen Potenzials im Umfeld. Quell spricht von der „gesellschaftlichen Verantwortung der Großunternehmen“.

Natürlich will der gebürtige Hallenser Quell, der einst als aktiver Spieler mit dem SCC Berlin und später als Co-Trainer mit dem VfB Friedrichshafen deutscher Meister wurde, alles tun, um den CVM in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Trotz eines kleinen Etats. Dafür hat er eine Mannschaft zusammengestellt, deren Spieler aus sechs Nationen kommen. Zwei dänische Nationalspieler holte Quell an Bord, zwei Slowaken, einen Kanadier.

Wie aber findet man solche Spieler, die einerseits Talent, andererseits aber auch die passenden finanziellen Vorstellungen haben? „Man nutzt seine alten Netzwerke“, sagt er. „Ich bin ja nicht erst seit gestern im Volleyball-Geschäft. Man ruft Spieler und Agenten an, spricht mit Trainern, beobachtet dann die Spieler, schreibt E-Mails.“ Seine Telefonrechnungen wuchsen - trotz Flatrate - durch die vielen Auslandstelefonate auf über 150 Euro im Monat. Dazu kamen an die 200 E-Mails, die in sein Postfach flatterten und die es zu beantworten galt.

Reisen ohne Übernachtung

Und er ging selbst auf Reisen. Um beispielsweise die beiden Slowaken Tomas Halanda und Filip Palgut unter die Lupe nehmen zu können, fuhr er zu einem Turnier in die Slowakei. Natürlich ohne Übernachtung. Die gab der Etat nicht her. Immerhin, mit den zwei Mittelblockern Artur Augustyn (Polen) und Jairo Hooi (Holland) sowie dem jungen Kapitän Florian Völker und Enrico Erhardt blieben ihm erfahrene Spieler.

Sein Team ist ein Mix mit Potenzial, davon ist Quell überzeugt. „Die Mannschaft hat eine gute Arbeitseinstellung. Jeder der Spieler, die wir geholt haben, will sich verbessern. Das merkt man in jedem Training. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Jetzt brauchen wir Geduld und einen langen Atem“, sagt der Trainer. Erster Gegner morgen ist der TV Rottenburg. Spielbeginn in der Jahrhunderthalle in Spergau ist um 19.30 Uhr.