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70. Geburtstag von Bernd Bransch 70. Geburtstag von Bernd Bransch: Der stille "Kaiser" des Ostens

Von Christoph Karpe 24.09.2014, 08:43
Auftakt zum einzigen Fußball-Duell Ost gegen West: Die Kapitäne Bernd Bransch (r.) und Franz Beckenbauer geben sich vor dem deutsch-deutschen WM-Spiel 1974 die Hand. Im Herbst des Jahres trafen sie sich noch einmal.
Auftakt zum einzigen Fußball-Duell Ost gegen West: Die Kapitäne Bernd Bransch (r.) und Franz Beckenbauer geben sich vor dem deutsch-deutschen WM-Spiel 1974 die Hand. Im Herbst des Jahres trafen sie sich noch einmal. Imago Lizenz

Halle (Saale) - „Es gab kein kurzes Gespräch. Mehr als ein gutes Spiel gewünscht haben wir uns in diesem Moment nicht.“ Dieser Moment - er ist auf einem historischen Foto festgehalten: Bernd Bransch schüttelt Franz Beckenbauer die Hand, in der linken halten sie die Wimpel ihrer Fußball-Verbände. Es ist der 22. Juni 1974, der Tag jenes legendären Fußball-WM-Duells DDR gegen Bundesrepublik in Hamburg. Bransch ist der Kapitän der DDR-Elf, die den späteren Weltmeister 1:0 besiegt.
Die Aufnahme ist deutsche Fußball-Geschichte. Und Bransch, der Libero der DDR-Elf, der gerade im italienischen Café in Halles Innenstadt einen Eisbecher auslöffelt, ein Teil davon. Und doch ist es nur eine Episode aus dem Fußballer-Leben des Hallensers, der am Mittwoch seinen 70. Geburtstag feiert.

Bernd Bransch, aufgewachsen im Thaerviertel und dann in der Wörmlitzer Straße, hat als Kind in einer Straßenmannschaft unter den Bäumen am Wabbel-Stadion gebolzt. Ein Bursche mit durchschnittlichem Talent, aber einem überdurchschnittlich guten linken Fuß, wie es so heißt. 1963 brachte der ihn bei Chemie Halle in die Oberliga. „Ich habe eigentlich alles gespielt, außer Rechtsaußen oder Torwart“, erzählt Bransch. Nach dem Abstieg 1964 schoss er Chemie als Rekordtorschütze der zweiten Liga mit 20 Treffern zurück in die Oberliga. 1967 folgte das erste Länderspiel in Schweden.

Feuertragödie in Eindhoven

Hinter Bernd Bransch liegt eine Karriere mit ganz vielen Höhen - und auch einigen Tiefen. 1971 führte er den Halleschen FC auf Tabellenplatz drei und damit in den Uefa-Pokal. In Eindhoven erlebte er die wohl schwärzeste Stunde des Vereins, die Feuerkatastrophe im Hotel „Tsilvere Zeepard“. Bransch und ein paar Mitspieler turnten an der Dachrinne aus dem vierten Stock des lodernden Gebäudes auf das darunter liegende Vordach. „Wir waren etwa zu acht“, erinnert er sich. Weiter ging es von Dach zu Dach. Irgendwo sprangen sie dann noch drei Meter tief auf eine sichere Straße. „Plötzlich zerkrachte 30 Meter von uns entfernt eine Schaufensterscheibe. Hindurch kamen Klaus Urbanczyk, Erhard Mosert und noch zwei, drei Mann. ,Banne’ war blutüberströmt und kam sofort ins Krankenhaus. Erhard ging ein paar Schritte, brach dann zusammen. Sein Bein war gebrochen. Die haben zuvor im Fahrstuhl festgesteckt. Unfassbar, dass sie da raus gekommen sind.“ Bransch überlebte. Sein Teamkollege Wolfgang Hoffmann verlor sein Leben. „Wir hätten zehn Tote in der Mannschaft haben können“, erzählt Bernd Bransch. Seine Stimme zittert noch heute, wenn er erzählt.

Eine der Folgen dieser September-Tragödie war der spätere Abstieg 1973. Bransch, der 1972 mit der DDR bei den Olympischen Spielen im „Westen“ die BRD-Elf um Uli Hoeneß und Ottmar Hitzfeld 3:2 geschlagen und Bronze eroberte, ging nach Jena. „Dort wurde ich Pokalsieger. Leider hab ich nie eine Meisterschaft gewonnen“, sagt er. Beim HFC, wohin er nach dessen Oberliga-Rückkehr wieder wechselte, war das unmöglich.

Mehr zu Bernd Bransch, seinem letzten großen Auftritt im Nationaltrikot und über sein Leben heute, lesen Sie auf Seite 2.

Sein letzter großer Auftritt im Nationaltrikot war nur kurz und Resultat einer „großen Geste“. Bransch bekam im Olympia-Finale 1976 in Montreal von Trainer Georg Buschner fünf Minuten. Die DDR führte 3:1 gegen Polen. Doch der Kurzeinsatz bescherte dem 31-Jährigen eine Goldmedaille, „die ich ohne Spiel nicht bekommen hätte“. Ein toller Abschluss der internationalen Karriere nach 72 Länderspielen, 45 als Kapitän, und drei Toren.

Das Privat-Flieger-Angebot

Das berühmteste Foto seiner Nationalmannschafts-Karriere hatte zwei Jahre zuvor übrigens noch ein Nachspiel. Im Herbst 1974 traf Bernd Bransch Franz Beckenbauer noch einmal. Sie waren als Vertreter beider deutscher Mannschaften nach Paris gereist. Die Unesco wollte sie auszeichnen. Und nach der Zeremonie konnten sie dann erstmals richtig plaudern. Der Weltstar und der Hallenser, der „niemals die Idee hatte“, in den Westen zu flüchten, hockten zusammen. „Beckenbauer fragte mich, wie ich eigentlich nach Hause käme“, erinnert sich Bransch. Was für eine Frage? Bransch war mit einer kleinen DDR-Delegation vor Ort. Die Reise für die Ausgesuchten war bis ins Detail geplant. Doch der „Kaiser“ wollte seinem neuen, guten Bekannten einen Gefallen tun. „Also bot er mir an, mich in seinem Privatjet mal eben nach Leipzig zu fliegen“, erzählt Bransch und grinst heute noch über die kaiserliche Schnapsidee. „Der wäre doch nie in den DDR-Luftraum reingekommen.“ Aber so dachte eben ein Fußball-Millionär aus dem Westen. Bransch, der gelernte Dreher, der als Fußballer 1 200 DDR-Mark brutto verdiente, schüttelte heimlich den Kopf.

Heute ist Beckenbauer immer noch auf allen TV-Kanälen präsent. Um Bransch, der sein Haus an die Tochter abgegeben hat, „weil ich den Aufwand nicht mehr geschafft habe“, und der jetzt in einer Wohnung direkt unter der von Partnerin Antje wohnt, ist es recht still geworden. „Die Rente reicht zwar nie“, sagt er grinsend, „aber bis auf ein wenig Gicht in den Knochen geht es mir gut.“ Er trifft sich dienstags und mittwochs mit alten Kumpels in Stammlokalen. Beim HFC ist er sportlicher Berater des Präsidiums und des Wirtschaftsbeirats.

Am Geburtstag lieber Ruhe

Trotzdem wird er am Mittwochabend einen Bogen um das Stadion machen. Bernd Bransch will seine Ruhe haben. Die hätte er natürlich nicht, wenn er im Erdgas Sportpark auf seinem angestammten Tribünen-Platz sitzen würde. Halle gegen Dresden - zu all diesem sportlichen Trubel käme noch der um ihn selbst, wegen des 70. Geburtstages. Leicht vorstellbar, wie viele Menschen seine Hand schütteln, ihm auf die Schulter klopfen und alles Gute wünschen würden.
Also zieht er sich mit Lebensgefährtin Antje zurück - zu einer Feier im „kleinen Kreis“, wie es so heißt. Am Sonnabend wird mit der Familie angestoßen, am Montag dann in der Stammkneipe mit den Kumpels. Da werden dann wieder die alten Geschichten erzählt - und die neuen etwa über den HFC.

„In den nächsten zwei Jahren wird der Klub noch nicht aufsteigen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Außerdem fehlt immer noch das wirtschaftliche Hinterland.“

Zwangsverkauf von Wosz

Darin schwingt die Erinnerung an das Zweitliga-Jahr 1991/92. Damals war er Manager des HFC. Und schon vor der Saison stand fest, dass Star Dariusz Wosz verkauft werden musste, um den Etat von drei Millionen Mark deckeln zu können. Wosz, mit 7 000 Mark damals Top-Verdiener der Rot-Weißen, ging im Winter für eine Million zum VfL Bochum. Halle stieg ab. Also hat er nun einen Wunsch: „Natürlich will ich, wie so viele, den HFC alsbald wieder in der zweiten Liga erleben.“ (mz)