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Zwangsheirat Zwangsheirat: 15-Jährige doch zur Ehe gezwungen?

Von Jana Werner und Wolfgang Schönwald 03.05.2010, 20:08

Berlin/Hamburg/ddp. - Die Vorwürfe seien «absolut haltlos». Die Jugendliche ausHamburg sei eigenen Angaben zufolge zu keiner Zeit Opfer einerStraftat geworden. Auch dem Hamburger Jugendamt liegen keineentsprechenden Hinweise vor.

Nach Angaben der Polizei der Hansestadt haben sich keineAnhaltspunkte für ein Sexualdelikt zum Nachteil der Schülerinergeben. Das Mädchen sei am Nachmittag in Begleitung ihrer Mutter zurVernehmung erschienen. Dabei habe sie angegeben, künftig bei derFamilie in Berlin-Spandau bleiben und in Berlin ihre schulischeAusbildung beenden zu wollen. Zu der Mitteilung an ihren Lehrer überdie angebliche Zwangsverheiratung und die von ihr versandten SMS anihren Freund wollte sie keine Angaben machen. DieErmittlungsergebnisse zum Verdacht der Verletzung der Fürsorgepflichtgegen die Eltern des Mädchens wurden zur Prüfung an dieStaatsanwaltschaft übergeben.

«Wir haben keine Informationen, dass eine Zwangsheiratstattgefunden hat», sagte Jutta Schneider vom Jugendamt im StadtteilEimsbüttel. In solchen Fällen gehe es oftmals nicht um einestandesamtliche Eheschließung nach deutschem Recht, sondern um eineZeremonie und den Vollzug des Geschlechtsverkehrs. «Wir sind nachPrüfung zum Ergebnis gekommen, dass keine Kindeswohlgefährdungvorliegt», sagte sie. Das Mädchen stehe in ständigem Kontakt miteiner Kinderschutzkoordinatorin.

In der vergangenen Woche war das Mädchen laut Medienberichten nachBerlin gebracht und in die Wohnung ihres vorbestimmten Ehemannesverschleppt worden. Die Jugendliche vertraute sich per Internet ihremKlassenlehrer an und informierte ihn, dass sie gegen ihren Willen miteinem 19-Jährigen verheiratet werden solle. Der Lehrer schaltete diePolizei ein, die die 15-Jährige am vergangenen Mittwoch aus derWohnung befreite und dem Hamburger Jugendamt übergab. Die Behörde gabes zurück an die Eltern. Die Jugendliche soll dennoch am 1. Mai inBerlin verheiratet worden sein. Einen Tag später sei dort dieEntjungferung gefeiert worden. Laut Polizei stellt derGeschlechtsverkehr jedoch keine Straftat dar, wenn er von der15-Jährigen aus freien Stücken vollzogen worden sei.

Die Zahl der Zwangsehen in Berlin ist seit 2002 drastischgestiegen. 378 drohende und erfolgte Zwangsheiraten gab es im Jahr2007, wie die Senatsverwaltung für Frauen mitteilte. In 86 Fällenwurde die Ehe tatsächlich geschlossen. Zwei Jahre zuvor waren es noch330 Fälle. 2002 lag die Zahl bei 220. Neuere Zahlen liegen nicht vor.Meistens seien Mädchen und Jungen im Alter zwischen 16 und 18 Jahrenbetroffen gewesen. Türkische Jugendliche bildeten die größte Gruppe,es folgten Einwanderer aus arabischen Ländern.

In Hamburg kümmert sich die Hilfseinrichtung «Zuflucht» seit rundeinem halben Jahr um Fälle, in denen Mädchen oder junge Frauen vonZwangsheirat bedroht sind. «Wir sind immer ausgelastet, der Bedarfist enorm und die Tendenz steigend», sagte eine Mitarbeiterin derKrisenunterkunft. Für bis zu sechs Mädchen und Frauen im Alterzwischen 14 und 21 Jahren bietet «Zuflucht» Platz. Der Aufenthalt andem geheimen Ort ist auf maximal acht Wochen begrenzt. «NebenHamburgerinnen bekommen wir zunehmend Anfragen aus dem gesamtenBundesgebiet», sagte die Mitarbeiterin. Auch die Zahl derMinderjährigen steige an.

Der Bundesrat hatte im Februar beschlossen, einen Gesetzentwurfvon Baden-Württemberg und Hessen beim Bundestag einzubringen, dereinen eigenständigen Straftatbestand Zwangsheirat im Strafgesetzbuchvorsieht. Dieser soll sich an die Tatbestände der Nötigung, desMenschenhandels und der Verschleppung anlehnen. Tätern droht demnacheine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Bestraftwerden soll dem Entwurf zufolge auch, wer eine Frau durch List,Gewalt oder Drohung ins Ausland bringt und sie dort zu einer Heiratzwingt.