Zeitumstellung in Deutschland Zeitumstellung in Deutschland: Wer hat an der Uhr gedreht?

Halle (Saale) - "Zeit ist das, was man an der Uhr abliest" Dieser Satz ist von dem Physiker Albert Einstein (1879-1955) überliefert. Am Wochenende werden aber wohl genau deshalb wieder etliche Menschen verwirrt sein. Die Uhren werden umgestellt. Vor, zurück, oder wie genau? Eins vorweg: Der Stundenzeiger wird am Sonntagmorgen um eine Stunde von 3 Uhr auf 2 Uhr zurückgedreht.
Nur 27 Prozent der Deutschen halten einer Umfrage zufolge die Zeitumstellung für sinnvoll - die große Mehrheit von 71 Prozent lehnt den turnusmäßigen Wechsel zwischen Sommer- und Normalzeit ab, wie die am Dienstag veröffentlichte Forsa-Repräsentativumfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK Gesundheit ergab. Der Untersuchung zufolge leidet etwa jeder Vierte nach der Zeitumstellung an gesundheitlichen Problemen. Als überraschend wertete die Krankenkasse, dass viele ausgerechnet für die Sommerzeit als ganzjährige Zeit plädierten. Denn die umgangssprachlich Winterzeit genannte Normalzeit sei laut Gesundheitsexperten besser für den Stoffwechsel und für das Wohlbefinden.
Die Umstellung geht in Deutschland auf das Jahr 1980 zurück. Mit Einführung der Sommerzeit - die Uhr wird eine Stunde vorgestellt - sollte nach der Ölkrise von 1973 das Tageslicht eine Stunde länger genutzt und so Energie gespart werden. Das Bundesumweltamt stellte später aber fest: "Zwar knipsen die Bürgerinnen und Bürger im Sommer abends weniger häufig das Licht an, allerdings heizen sie im Frühjahr und im Herbst in den Morgenstunden auch mehr - das hebt sich gegenseitig auf." "Daran hat sich bis heute nichts geändert", bekräftigt ein Sprecher.
Auch wenn die Umstellung zwischen Sommerzeit und Winterzeit viele nervt - fast drei Viertel aller Befragten haben sich in einer Umfrage dagegen ausgesprochen -, will Deutschland vorerst nicht aktiv werden. Für die Bundesregierung sei eine Abschaffung derzeit kein Thema, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Es sei auch nicht ersichtlich, wer dies auf europäischer Ebene ernsthaft betreibe. Für ein Ende der Umstellung bräuchte man eine Einigung aller 28 EU-Staaten, die „im Moment nicht in Aussicht“ stehe. Im vergangenen April hatte sich überraschend die CDU für ein Ende der Umstellung starkgemacht. Ein Bundesparteitag nahm einen Antrag an, in dem es hieß: "Wir setzen uns dafür ein, dass die Zeitumstellung in Europa abgeschafft wird und zukünftig wieder eine einheitliche ganzjährige Zeit gilt."
Praktisch wäre das schon. Denn selten geht alles glatt. Die Zeitumstellung sorgt Jahr für Jahr für Malheure.
CSU-Chef Horst Seehofer verschlief im April dieses Jahres eine für acht Uhr angesetzte Telefonkonferenz mit der Bundeskanzlerin. Er hatte offenbar vergessen, seinen Wecker auf Sommerzeit umzustellen. Erst als das Klingeln seines Handys nicht aufhörte, ist ihm nach eigenen Angaben schlagartig klar geworden: die Zeitumstellung! Die für acht Uhr geplante Telefonschalte habe dann erst um 8.07 Uhr begonnen.
Dass auch Profis daneben lieben können, zeigt folgendes Beispiel: Vor einigen Jahren verschnarchte ausgerechnet der Telekom-Weckdienst die Sommerzeit. „Etliche Menschen sind zu der alten Zeit geweckt worden“, sagte eine Mitarbeiterin des Erinnerungsservice. Der Grund für die Verspätung seien technische Probleme bei Computern gewesen.
Im niedersächsischen Bad Gandersheim standen knapp zwei Dutzend Finanzbeamte vor den verschlossenen Türen ihres Amtes. Der Eingang war einfach nicht aufzukriegen. Den verantwortlichen Computer hatte offenbar die Zeitumstellung durcheinandergebracht. Statt um 6 Uhr konnten die Angestellten erst um 8 Uhr an ihre Arbeitsplätze. Denn da kam der erste Kollege mit einem richtigen Schlüssel.
In Freiburg hatten vor einigen Jahren die Blitzer nicht pünktlich von Sommerzeit auf Normalzeit umgestellt, wie die „Badische Zeitung“ damals berichtete. Dort galt in einigen Straßen von 22 bis 6 Uhr nur 30 statt der sonst erlaubten 50 Stundenkilometer. Doch am Abend nach der Zeitumstellung blitzten die Messgeräte fälschlicherweise ab 21 Uhr. Reihenweise Autofahrer wurden so Opfer der verflixten einen Stunde.
Pech hatten auch einige Ebay-Anbieter, die vor etwa zehn Jahren ihre Auktionen just am Tag nach der Zeitumstellung auslaufen ließen. Denn einige Versteigerungen endeten wegen einer Panne eine Stunde zu früh. In der letzten Stunde kamen also keine Bieter mehr zum Zuge. Dabei steigen erfahrungsgemäß gerade in den letzten Minuten vor Auktionsende die Preise bei Ebay häufig stark. (dpa)
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Aber mal abgesehen von dem, was alles passieren kann, wird uns bei der Umstellung von der Sommer auf die Winterzeit eine Stunde geschenkt. Man kann also ohne schlechtes Gewissen eine Stunde länger schlafen. Oder mal wieder joggen gehen. Wer eine Stunde läuft, kann dabei bis zu 700 Kalorien verbrennen. Oft bleiben Dinge auch liegen, weil "keine Zeit". Aber die Ausrede zieht in der Nacht vom Samstag zum Sonntag natürlich nicht. Also nichts wie ran an den lästigen Papierkram oder den Berg Bügelwäsche!
Doch mit der Zeitumstellung verhält es sich wie mit den guten Vorsätzen fürs neue Jahr. Denn wie das französische Unternehmen Withings jetzt herausfand, nutzt eben kaum jemand die ihm geschenkte Stunde. Die Zeitumstellung habe zwar einen Einfluss auf das Schlafverhalten in der Nacht zum Sonntag, Mensch bleibe ganze 25 Minuten länger liegen. Die „Zu-Bett-Geh-Zeit“ werde aber nur unwesentlich beeinflusst. Die Deutschen gingen ungefähr um die gleiche Zeit ins Bett wie vor der Zeitumstellung, obwohl sie eine Stunde länger aufbleiben könnten. Das war's also mit unserem 25-Stunden-Tag.
Da haben es die Tiere besser, nicht? Denkste! Auch Haustiere wie Hunde und Katzen spüren die Umstellung auf die Winterzeit und können sensibel darauf reagieren. Halter sollten ihre Vierbeiner deshalb nicht abrupt, sondern schrittweise an den neuen Rhythmus gewöhnen, empfiehlt Birgitt Thiesmann von der Organisation Vier Pfoten. Sie rät Haltern, schon eine Woche vorher die festen Essens-, Schlafens- und Gassigehzeiten jeden Tag um zehn Minuten zu verzögern.
Und auch das Wild dreht am Rad. Nach der Zeitumstellung steigt jedes Mal auch die Gefahr von Wildunfällen. „Die Zeitumstellung verschärft das ganze Problem von Wildunfällen einfach deshalb, weil viele Tiere in der Dämmerung aktiv sind. Das ist Schutz vor Fressfeinden. Einprogrammiert ist bei den Tieren leider nicht der Berufsverkehr - und der fällt durch die Zeitumstellung von einem Tag auf den anderen in die Dämmerung. Und wo es gestern noch sicher war, die Straße zu queren, sind heute ganz, ganz viele Autos unterwegs - und das führt zu mehr Kollisionen im Oktober und November“, sagt der Biologe Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. (dpa/mz)
