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Wunder von Utah Wunder von Utah: Entführtes Mädchen nach neun Monaten gerettet

Von Thomas Müller 13.03.2003, 14:40

Washington/dpa. - Für einen kurzen Moment war der drohende Irakkrieg vergessen: Ganz Amerika feierte die Befreiung der 15- jährigen Elizabeth Smart, die vor neun Monaten aus ihrem Schlafzimmer entführt worden war. Kaum jemand hatte noch gehofft, dass das hübsche blonde Mädchen noch leben könnte. «Es war ein Wunder», schluchzte Elizabeths Vater Ed Smart. Die Befreiung Elizabeths werde allen Eltern vermisster Kinder Hoffnung geben.

Am Donnerstag wachte Elizabeth zum ersten Mal seit neun Monaten wieder im eigenen Bett auf. Sie war am Vortag nur 30 Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt in einem Vorort von Salt Lake City im Bundesstaat Utah entdeckt worden. Mit dunkler Perücke und einem weißen Schleier über dem Gesicht lief sie neben einer Frau und dem 49-jährigen Brian David Mitchell, der seit einigen Wochen in Zusammenhang mit dem Fall zur Befragung gesucht wurde.

Zeugen hatte den wirr aussehenden, bärtigen Mann erkannt, nachdem die amerikanische Version der Fernsehsendung «Aktenzeichen XY ...», «Americas Most Wanted», wenige Tage zuvor über den Fall erneut berichtet hatte.

Die damals 14-jährige Elizabeth war am 5. Juni 2002 nachts aus dem Haus ihrer Eltern entführt worden, während die Eltern schliefen. Nur ihre kleine Schwester, die im selben Zimmer schlief, hatte die Entführung bemerkt. Aus Angst, der Entführer könne ihrer Schwester etwas antun, hatte sie ihren Eltern erst zwei Stunden alarmiert.

Die Entführung hatte in den USA für großes Aufsehen gesorgt. Wochenlang strahlten alle großen Sender ein Video aus, auf dem das blonde Mädchen beim Musizieren, am Strand und beim Grillen zu sehen ist. Doch nach einigen Monaten schwand das Medieninteresse, und die Nachrichtensender widmeten sich fast ausschließlich dem Irakkrieg.

Doch die Eltern gaben nicht auf. Immer wieder drängte der Vater, ein reicher Immobilienmakler, die Polizei, die Suche nicht aufzugeben, und versuchte die Medien erneut zu mobilisieren. Und nachdem das Foto des Verdächtigen im Fernsehen erneut gezeigt wurde, geschah das Wunder. Fußgänger erkannten den Verdächtigen und riefen sofort die Polizei.

Viele Fragen blieben am Donnerstag noch offen. So war nicht klar, ob das Mädchen missbraucht wurde, und warum es ihr nie gelang, aus der Gefangenschaft zu entkommen. So erklärte Polizeichef Stephen Chapman, als die Beamten das Mädchen das erste Mal befragten, habe es zunächst ausweichende Antworten gegeben und sich auch nicht zu erkennen gegeben. Doch als ihre Eltern kurz darauf in die Polizeistation stürmten und sie in ihre Arme nahmen, hätten ihre Augen wieder geleuchtet, berichteten Zeugen.

Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen Vagabunden und selbst ernannten Propheten, der vor Obdachlosen predigte, und auch einmal im Haus der Smarts als Handwerker gearbeitet hatte. Zusammen mit seiner Frau und Elizabeth lebte er teilweise selbst auf der Straße, manchmal auch in einer kleinen Wohnung. Der Wohnungsbesitzer schilderte das Trio als ungewöhnlich aber nicht verdächtig. Das Mädchen habe immer einen Schleier getragen, von ihren Schulklassen erzählt, Hymnen gesungen und überhaupt nicht verängstigt gewirkt.

Der Moderator der Sendung «Americas Most Wanted», John Walsh, meinte, der selbst ernannte Priester habe das Mädchen wohl einer Gehirnwäsche unterzogen. Walsh und auch die Familie lobten die Rolle der Medien bei der Auflösung des Falls. Ohne das rege Medieninteresse wäre der Fall vielleicht nie gelöst worden.

Weniger positive Worte fand die Witwe Angela Ricci. Ihr Mann, der vorbestrafte Handwerker Richard Ricci, der im Haus der Smarts gearbeitet hatte, war kurz nach der Entführung festgenommen worden. Obwohl die Polizei ihn nie offiziell beschuldigt hatte, sondern ihn nur wegen eines anderen Vergehens festnahm, stempelten ihn die Medien schnell zum Täter. Er starb wenige Wochen später in der Haft an einer Gehirnblutung. Angela Ricci sagte nun, ihr Mann sei von den Medien fälschlich zum Sündenbock erklärt worden.