Immobilien Wohnungswirtschaft: Neubau-Investitionen brechen ein
Ohnehin ist seit Jahren bezahlbarer Wohnraum knapp - und jetzt brechen beim Neubau in Niedersachsen und Bremen die Investitionen drastisch ein. Ein großer Branchenverband warnt vor einem Kollaps. Und was heißt das für die Mieten?

Hannover - Kollaps, Krise und Alarmsignal: Für die kommenden Jahre hat die Wohnungswirtschaft einen drastischen Einbruch beim Neubau bezahlbarer Wohnungen in Niedersachsen und Bremen vorhergesagt. Viele Neubaupläne seien auf Eis gelegt, schon 2022 sei deutlich weniger Geld in neue Sozialwohnungen geflossen, teilte der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VDW) am Freitag mit.
577,5 Millionen Euro hätten die Mitgliedsunternehmen im vergangenen Jahr in Neubauten gesteckt - nach 692 Millionen Euro ein Jahr zuvor. Geplant waren 841 Millionen Euro. Insgesamt wurden 2022 rund 1,366 Milliarden Euro statt geplanter 1,73 Milliarden Euro investiert, ein Jahr zuvor waren es 1,445 Milliarden Euro. Das sei der erste Investitionsrückgang in den beiden Ländern seit 15 Jahren, sagte VDW-Chefin Susanne Schmitt. „Wir sind im Krisenmodus.“ Sie sprach von einem „Alarmsignal“ und einem „Kollaps, der seinesgleichen sucht“. In den nächsten Jahren werde der Bau bezahlbarer Wohnungen weit hinter den benötigten Zahlen zurückbleiben.
Der Verband vertritt 178 Wohnungsunternehmen, in ihren rund 400.000 Wohnungen leben fast eine Million Menschen. In Niedersachsen zählt rund jede fünfte Mietwohnung zum Bestand der Mitgliedsunternehmen, im Land Bremen sogar mehr als 40 Prozent.
Der Druck auf dem Wohnungsmarkt sei hoch, die Wartelisten für Mietinteressenten lang. Dennoch hätten die Mitgliedsunternehmen ihre Neubauplanungen „komplett eingestellt“, sagte Schmitt. Zunehmend verlege sich die Wohnungswirtschaft auf die Sanierung: Die Modernisierungsausgaben hätten im vergangenen Jahr bei 360,4 (2021: 380) Millionen Euro gelegen, für Instandhaltung seien 428,5 (373) Millionen Euro ausgegeben worden.
Auch mit Blick auf Heizungsgesetz, EU-Gebäuderichtlinie und andere Vorgaben für Klimaschutz und Energiewende sowie das „Förderchaos“ sei die Branche „komplett verunsichert“, sagte Schmitt. „Die Mitgliedsunternehmen wissen nicht, was auf sie zukommt.“
Schmitt sprach sich etwa dafür aus, dass Bund, Länder und Kommunen ihre Förderprogramme aufeinander abstimmen und dem sozialen Wohnungsbau Vorrang einräumen. Auch solle die Grunderwerbsteuer von derzeit 5,0 Prozent auf 3,5 Prozent gesenkt werden, die neue Grundsteuer ab 2025 dürfe nicht zu höheren Steuerbelastungen führen. Außerdem forderte sie effiziente Planungs- und Genehmigungsprozesse und sprach sich dagegen aus, Mietsteigerungen im Bestand und nach energetischer Sanierung weiter politisch stark zu begrenzen: „Es ist Zeit, dass die Politik handelt.“
„Wir wollen bauen, wir wollen Wohnraum schaffen für Menschen mit kleinem Geldbeutel, aber es ist zur Zeit nicht möglich“, sagte sie. Im laufenden Jahr rechne der Verband mit 1836 (2022: 2061) Fertigstellungen in Niedersachsen und 222 (2022: 416) in Bremen. Bei Geschäftslage und Erwartungen sei die Stimmung „im Keller“.
- Beispiel Lüneburg: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft klagt laut Verband über immer neue Vorschriften, die etwa das sogenannte serielle Bauen fast unmöglich machten. So sei ein Haustyp, der noch 2020 und 2021 vierfach in Lüneburg entstanden sei, heute nicht mehr genehmigungsfähig. Die Gesellschaft habe von 2008 bis 2017 rund 40 Millionen Euro in die Sanierung ihrer Bestandswohnungen investiert. „Doch diese Wohnungen müssten heute schon wieder energetisch nachgerüstet werden“, sagte Geschäftsführerin Heiderose Schäfke.
- Beispiel Stade: Die Wohnstätte Stade, eine Genossenschaft mit rund 2500 Wohnungen, hat den Angaben zufolge alle Neubauvorhaben bis auf weiteres ausgesetzt. „Erforderliche Mieten für Neubauten liegen aufgrund einer marktseitigen Gemengelage mittlerweile bei mehr als 20 Euro pro Quadratmeter“, sagte Vorstand Christian Pape.
Bislang seien die Mieten dennoch auf preisgünstigem Niveau geblieben, teilte der Verband mit. Im Durchschnitt lag der Quadratmeterpreis 2022 bei 6,21 (2021: 6,04) Euro - in Niedersachsen waren es 6,18 (6,01) Euro, in Bremen 6,30 (6,15) Euro je Quadratmeter. Die warmen Betriebskosten dagegen stiegen im vergangenen Jahr kräftig - auf 1,45 (1,07) Euro je Quadratmeter in Niedersachsen und 1,39 (1,01) Euro je Quadratmeter in Bremen.