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Wohngemeinschaft Wohngemeinschaft: Düsseldorfer planen «Deutschlands größte WG»

02.02.2006, 08:05
Mitglieder der Wohngemeinschaft «WG Café» essen (Foto: dpa)
Mitglieder der Wohngemeinschaft «WG Café» essen (Foto: dpa) dpa

Düsseldorf/dpa. - «Wenn jemand das zweite, dritte Mal bei uns amTisch sitzt, frag' ich ihn, ob er hier wohnt.» Im «WG-Café» inDüsseldorf kann man schnell mal den Überblick verlieren. 25 Frauenund Männer leben in einer großen Wohngemeinschaft auf 1500Quadratmetern unter einem Dach - bei ständig wechselnderZusammensetzung. In einem Monat sollen es schon 40 Mitbewohner sein.Vor einem Jahr hatte Klaus Moskop (42) die Idee zu «Deutschlandsgrößter WG» und machte sich umgehend an deren Umsetzung. Nun ist einumgebautes Autohaus samt angrenzender Wohnungen Heimstätte eines«bunten Sammelsuriums von Leuten».

Das Herz der Wohngemeinschaft schlägt am großen Küchentisch. Hiersitzen allabendlich Anwälte, Studenten, Hartz-IV-Geld-Empfänger,Werber, Stahlhändler und der Chefkonditor eines großen Hotels zumgemeinsamen Essen zusammen. Hier klingt bei Altbier, Spanferkel undZigarren der Tag aus. «Es ist bei uns so interessant, weil alle totalunterschiedliche Charaktere sind», preist Natasha die Vorzüge ihrer«Patchwork-Familie» an. Die 24-jährige Hamburgerin ist vor vierMonaten zum Architekturstudium nach Düsseldorf gezogen. «Um Leute inneuer Umgebung kennen zu lernen, ist unsere WG ideal.»

Auch «Herbergsvater» Klaus zieht nach einem Jahr stolzZwischenbilanz: «Alle verstehen sich, es gab noch nie einen offenenKonflikt, und wir können uns vor Anfragen kaum retten.» Mehr als 150Bewerber würden auf der Warteliste stehen.

Kein Wunder, schließlich hat das «WG-Café» eine Menge Vorzüge. Füreine Miete zwischen 300 und 400 Euro pro Monat steht den«Kommunarden» Köchin, Putzkraft sowie freier Telefon- undInternetanschluss zur Verfügung. «Sauberkeit, Geldangelegenheiten,die Umverteilung von Diensten - wo es in anderen WGs Streit gibt,haben wir keine Probleme», erläutert Klaus sein All-inclusive-Angebot.

Während für den Internetunternehmer das Wohnexperiment eineLebensaufgabe ist, betrachten die meisten das «WG-Café» alsDurchgangsstation. «Mit der Idee, bis zum Sanktnimmerleinstag hier zuwohnen, kommt keiner hierher», sagt Alexander. Manchmal habe manschon das Bedürfnis nach etwas mehr Ruhe und Privatleben, pflichtetihm Mitbewohnerin Nathalie bei. Das 19-jährige «WG-Nesthäkchen» machtderzeit ein Praktikum bei einem Düsseldorfer Theater und will noch«maximal ein Jahr» bleiben. Den Haustürschlüssel muss sie dann abernicht abgeben: Allen Ex-Bewohnern steht das «WG-Café» jederzeitoffen.

Doch egal, ob sie schon nach kurzer Zeit wieder ihre Koffer packenwollen oder sich für länger einrichten - von der Idee der Groß-WGsind alle Bewohner begeistert. «Hier ist der Zeitgeist. Für mich istdie WG eine Essenz der momentanen gesellschaftlichen Neuordnung»,sagt WG-Senior Stefan. Nach der Trennung von seiner Familie hat der45 Jahre alte Chirurg dort Unterschlupf gesucht, um nicht alleine zusein. «Hier gibt es nicht nur Halli-Galli, sondern auch vieleintensive Situationen.»

Den Erfolg seines Wohnexperiments führt «WG-Papa» Klaus auf dieveränderten Lebensbedingungen im 21. Jahrhundert zurück. Beizunehmenden Berufs-Nomadentum und überteuerten Mieten werde die WGals Lebensform eine Renaissance erleben. «Diese Art des Wohnens wirdin ganz Deutschland wieder entdeckt werden.»