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Wissenschaft Wissenschaft: Hunde schnuppern nach Krebs

06.02.2006, 08:10

Heidelberg/dpa. - Ein simpler Geruchstest stattbelastender Untersuchungen: Die Aussicht, dass Hunde schon früheStadien von Lungen- oder Brustkrebs entdecken könnten, klingt höchstverlockend. Den Einsatz von Tieren am Krankenbett hält Jürgen Löschvom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg zwar fürausgeschlossen. Der Ansatz aber, dass Tumore sich durch einencharakteristischen Geruch in Körpersekreten verraten, könne bei derEntwicklung so genannter elektronischer Nasen zur Früherkennung vonKrebs helfen.

«Spannend ist, dass es bei Krebspatienten etwas gibt, was dieHunde wahrnehmen können», betont Lösch. Wenn die Forscher wüssten,worauf die Tiere anspringen, sei der Weg frei für die Anwendungelektronischer Nasen - Messgeräte, deren empfindlicher Sensor bei derAnalyse von Gasgemischen auf winzige Mengen einer bestimmten Substanzreagiert. Bisher werden diese Apparate etwa zur Messung vonLuftschadstoffen oder zur Qualitätskontrolle in derLebensmittelindustrie eingesetzt. Der Haken: «Niemand weiß, was genaudie Hunde bei Krebskranken riechen», erklärt der Biologe. «Und mankann die Tiere nicht fragen.»

In einer aktuellen Studie haben Forscher um Michael McCulloch vonder kalifornischen Pine Street Klinik nachgewiesen, dass Hunde Tumoremit hoher Treffsicherheit erschnuppern können. Fünf Testtiere - dreiLabradore und zwei portugiesische Wasserhunde - waren drei Wochenlang darauf trainiert worden, anhand von Atemproben Lungen- undBrustkrebs zu erkennen. Die Wissenschaftler ließen dann 55 Patientenmit Lungenkrebs, 31 mit Brustkrebs und 83 Gesunde in Plastikröhrchenpusten. Das erstaunliche Ergebnis: In 88 bis 97 Prozent der Probenerkannten die Hunde korrekt - sowohl bei den Krebspatienten als auchbei den gesunden Probanden. Die Untersuchung soll in der März-Ausgabedes Journals «Integrative Cancer Therapies» (DOI:10.1177/1534735405285096) veröffentlicht werden.

Zuvor waren unter anderem britische Wissenschaftler beiBlasenkrebspatienten auf den Hund gekommen. Nach dem Schnuppern anUrinproben erzielten die Tiere in der Studie jedoch nur eineTrefferquote von 41 Prozent. Erstmals hatte das Medizinjournal «TheLancet» 1989 über einen Vierbeiner berichtet, der ständig intensiv amHautkrebs seiner Besitzerin schnupperte. Mit ihrer ausgeprägtenSchnüffelnase sind Hunde bisher aber vor allem in der Drogenfahndungoder beim Aufspüren von Bomben und verschütteten Menschen im Einsatz.

In der Medizin seien Hunde als Helfer problematisch, erklärt derLungenspezialist Felix Herth von der Universitätsklinik Heidelberg.«Jeder Hund riecht anders, eine gleich bleibende Schnüffelqualitätlässt sich nicht garantieren. So ein Tier ist eben keineunbestechliche, geeichte Maschine.» Auch wenn eine Hundenase nachDarstellung von Prof. Hermann Bubna-Littitz «hunderttausend- bismillionenfach» empfindlicher ist als das menschliche Geruchsorgan:Selbst von Hund zu Hund gebe es beim Geruchssinn große Unterschiede,erklärt der Wiener Physiologe. «Grob gesagt, ist die Größe derRiechschleimhaut abhängig davon, wie lang die Schnauze ist.»

Dass sich Ärzte zur Krebsdiagnostik einen Hund in ihrer Praxishalten sollten, sei absurd, sagt Herth - auch aus hygienischenGründen. Lösch rügt zudem methodische Mängel in der kalifornischenStudie, allen voran die geringe Zahl der Testtiere. «BeiSchnüffeltests mit fünf Hunden ist völlig unklar, ob sie wirklichetwas riechen oder lediglich auf ein bestimmtes Verhalten reagieren.»

Um die Entwicklung elektronischer Nasen voranzutreiben, muss dahergeklärt werden, was die Tiere tatsächlich wahrnehmen: Welche Stoffein welcher Konzentration sorgen für den Geruchsunterschied zwischenKrebszellen und gesunden Zellen? «Aus den Studien lässt sich lernen,dass wir uns stärker auf Körperausscheidungen fokussieren sollten»,sagt Herth. Wenn ein Tumor wachse, müssten schließlich auchAbbauprodukte aus dem Körper geschleust werden.

Dieses Prinzip mache sich eine elektronische Nase zu Nutze, die -zu Studienzwecken - bereits zum Erkennen von Lungenkrebs eingesetztwerde, berichtet der Mediziner. Eine 2005 publizierte Untersuchungmit 76 Probanden habe erste Hinweise für den Erfolg der Methodegeliefert. Auf welche Stoffe im Atem das Gerät mit einem Piepenreagiere, sei allerdings «Firmengeheimnis». «Und ob das wiederumdasselbe ist, was die Hunde erschnüffeln, ist völlig unklar.»