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Windräder Windräder: Gegenwind für Giganten

Von Harald Biskup 23.03.2012, 14:59

Manderscheid/MZ. - "Der große Abendsegler, der auf der Roten Liste steht, ist auch in Gefahr, weil er sehr hoch fliegt, meistens über den Wipfeln." Johanna Hoffmann redet sich in Rage, aber sie will nicht zur Wutbürgerin in Sachen Artenschutz mutieren, sondern mit Sachkunde überzeugen. Mit der größten Selbstverständlichkeit spricht sie von "massiven Eingriffen in Bodenverhältnisse und Wasseradern", als hätte sie sich nie mit etwas anderem beschäftigt als mit dem Bau von Windkraftanlagen. "Wenn man sich in eine Sache, die einem wichtig ist, richtig hineinkniet", wehrt die Logopädin ab, "wird man schnell zur Expertin."

Mitglieder der Bürgerinitiative "Gegen die Windgiganten" treffen sich im Café Blatt und Blüte, einem Blumenladen mit angeschlossenem Bistro. Vom Gastraum kann man hinüberschauen auf den Holzbeul, einen Höhenzug, der in seiner Art beispiellos ist in Rheinland-Pfalz. Noch jedenfalls. Johanna Hoffmann und ihre Mitstreiter befürchten, dass sich das schon bald ändern könnte. Vor ihnen auf dem Tisch liegt eine Broschüre, die den Menschen in der Region mit Hilfe von Fotomontagen vor Augen führen soll, wie die grandiose Landschaft der Vulkaneifel verschandelt werden könnte, wenn Pläne zum Bau von riesigen Windrädern der neuesten Bauart umgesetzt werden, von denen jedes Einzelne mehr als 200 Meter hoch ist.

Das 800-Einwohner-Dorf Bettenfeld bildet mit 20 anderen Gemarkungen die Verbandsgemeinde Manderscheid. Die Trierer Archäologin Sibylle Bauer hat mit ihrem Mann vor 14 Jahren ein altes Bauernhaus in Bettenfeld erworben, weil man "in dieser einzigartigen Kulturlandschaft", deren Zerstörung drohe, "noch die Weiten des Horizonts erleben kann". Sie zeigt sich wie viele in der Gegend enttäuscht von der Landesregierung im fernen Mainz, insbesondere von den Grünen und ihrer Umweltministerin Eveline Lemke. Die bisherige Tabu-Zone Wald, bekanntlich ein äußerst sensibler Öko-Raum, solle für Windkraft-Anlagen geöffnet werden, und Rheinland-Pfalz nehme in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle im negativen Sinn ein.

Nachkommen der "Zwerge"

Gemessen an den geplanten Riesenrädern nähmen sich die nur 35 Meter hohen Windräder früherer Baureihen, zum Beispiel im benachbarten Bleckhausen, beinahe wie Zwerge aus, spotten Aktivisten der Bürgerinitiative. Die neuen Kolosse würden einen Sendeturm, von dem, versteckt hinter Nadelbäumen, nur 55 Meter herausschauen, um etwa das Dreifache überragen. "Man kann sich die Dimensionen nicht drastisch genug vorstellen", sagt Logopädin Hoffmann, nachdem sie sich kürzlich einen Anschauungsunterricht der besonderen Art verordnet hat. Zusammen mit ihrem Mann hat sie im Pfälzer Wald das größte Windrad der Welt in Augenschein genommen. Es hat die gleichen Abmessungen wie der in Bettenfeld geplante Windpark, ist aber in Deutschland ein Unikat. Bislang.

Wind bekommen von den Plänen haben die Gegner im vergangenen August eher zufällig, obwohl zwei ihrer Mitglieder im Ortsgemeinderat sitzen. Günter Zens (77) ist ein Eifeler Urgestein und war über viele Jahre hinweg selbst Ortsbürgermeister von Bettenfeld. Jetzt bildet er mit Sohn Stefan, einem Landwirt, der auf seinem Grundstück eine Biogas-Anlage betreibt, und zwei weiteren Bettenfeldern die Liste Zens. Bürgermeister Reinhold Meuers, der folgerichtig die Liste Meuers anführt, gehe es nur ums Geld, argwöhnt die Bürgerinitiative. Er habe sich von den Abgesandten der möglichen künftigen Betreiberfirma Juwi beeindrucken lassen. Juwi ziehe durch die Lande und wolle den verarmten Gemeinden das Projekt schmackhaft machen, heißt es. Bei fünf Anlagen belaufe sich die in Aussicht gestellte Pacht auf stolze 250 000 Euro. Eine Menge Geld für so einen kleinen Ort. "Damit wäre", sagt Bianca Schleidweiler, die im Ort eine Ferienpension betreibt, "der Haushalt von Bettenfeld mit einem Schlag saniert." In der Tat könnte Bettenfeld die Pachteinnahmen ohne Abzug behalten, bestätigt der Manderscheider Verbandsgemeindebürgermeister Wolfgang Schmitz (CDU). Deswegen sei das hoch verschuldete Bettenfeld so extrem interessiert an dem Projekt.

"Natürlich denken wir in diesem Zusammenhang auch an unsere Gemeindekasse", gibt Meuers zu. Sie ginge leer aus, ließe Bettenfeld keine Windräder auf seinem Areal zu. Der "Verspargelungs-Effekt" aber träte auch ein, wenn der Holzbeul von Nachbargemeinden als Standort auserkoren würde. "Die Investoren nehmen keine Rücksicht." Meuers missfällt, dass ortsfremde Ferienhausbesitzer sich zur Speerspitze der Gegenbewegung machten.

Ortstermin mit dem Geländewagen von Revierjagdmeister Frank Lemke, dessen Fachwissen in der Bürgerinitiative hochwillkommen ist. Und er kennt seine Wälder wie kaum ein zweiter. Was er eben anhand einer auf dem Tisch ausgebreiteten Flurkarte theoretisch erklärt hat, wird nun mit etwas Fantasie ziemlich plastisch. "Die Biester werden wie an einer Perlenschnur aufgereiht stehen und die Landschaft verschandeln." Das würde Wanderer genauso abschrecken wie Urlauber aus Köln, dem Ruhrgebiet oder aus den Niederlanden. Und Grundstücksbesitzer fürchten, das will auch der Ortsbürgermeister nicht bestreiten, eine Marktminderung ihrer Liegenschaften. In unmittelbarer Nachbarschaft, sagt Lemke, seien 20 dieser Großwindräder geplant, und die Gegner hegten die Befürchtung, dass es im Falle einer Genehmigung nicht dabei bleiben würde. Jeder Wind-Gigant verschlinge anderthalb Hektar Rodungsfläche, schimpft er und drückt einen Handy-Anruf weg. Von dem Waldweg aus, in den Lemke gerade einbiegt, hat man einen fantastischen Blick auf das Meerfelder Maar. Und Bettenfeld kann sich des einzigen Kratersees nördlich der Alpen rühmen. 150 000 Euro habe die Landesregierung in den Vulkan-Erlebnispark Mosenberg investiert, und zwei Kilometer Luftlinie entfernt wolle man sozusagen den Super-GAU realisieren: "Das ist doch schizophren", ereifert sich die kämpferische Logopädin. Und Sibylle Bauer, die Archäologin, argwöhnt von der Rückbank aus, es sei eine bewusste Strategie, die Anlagen in der Nähe der Gemarkungsgrenzen anzusiedeln, weil dort vier Gemeinden aneinander stoßen. Als Revierjäger Lemke oben auf der Anhöhe den Motor abstellt, bekommt man ein Gefühl für die Unberührtheit und Stille dieses Fleckchens Erde. Er habe schon ein rein berufliches Interesse, dass die Dinger nicht aufgestellt werden, sagt er. "Das wäre ein gewaltiger Eingriff in den Lebensraum naturschutzrelevanter Tiere, zum Beispiel Schwarzstorch, Rotmilan und Fledermaus." Rotwild dagegen, erwartet Lemke, werde sich eher mit den kolossal veränderten Strukturen und dem permanenten Geräuschpegel der Rotoren arrangieren.

Ob der Gegenwind von Lemke und seinen Mitstreitern letztlich die Aufstellung der Wind-Giganten verhindern oder zumindest aufhalten kann, ist offen. Noch ist unklar, wie die Entscheidung über den Flächennutzungsplan aussehen wird. "Die Verbandsgemeinde", sagt der Manderscheider Verbandsbürgermeister Wolfgang Schmitz nicht ohne Stolz, "ist Trägerin der Planungshoheit." Die kleinen Ortsgemeinden müssten wissen, dass ihre Pläne tot sind, wenn ihnen gravierende naturschutzrechtliche Bedenken entgegenstehen.

Es geht um viel Geld

Mit einem Beschluss des Verbandsgemeinderats rechnet Schmitz bis Ende des Jahres. Ob die zurzeit favorisierte Firma Juwi, sollte der Windpark kommen, den Zuschlag erhalten werde, sei völlig offen. "Die Konkurrenz schläft nicht, und alle versuchen, die klammen Gemeinden mit den tollsten Angeboten zu ködern." Nicht ausgeschlossen auch, dass sich auf Kreisebene eine Art Energie-Genossenschaft formiere, die den Bau und später den Betrieb in Eigenregie übernehmen würde. "Es geht", stellt Schmitz bedeutungsschwer fest, "um einen Batzen Geld." Pro Wind-Gigant fielen Investitionen von mindestens fünf Millionen Euro an, aber finanziell interessant, weiß der Kommunalpolitiker seit einer Erkundungstour in den Hunsrück, werde so eine Anlage erst, wenn sie läuft. "Richtig Geld verdienen lässt sich bloß mit dem Betrieb."

Trotzdem haben auf seine Initiative hin alle 21 keineswegs immer an einem Strang ziehenden Ortsbürgermeister einen "Solidarpakt" unterschrieben: Falls es am Ende doch zu einem Verpachtungs-Modell kommt, sollen die Erlöse aufgeteilt werden. Er bürge für ein geordnetes Verfahren, das unangreifbar sein müsse.

Lemke faltet die Flurkarte zusammen und schaut nachdenklich. Kein Lüftchen regt sich. Selbst die Abgesandten der Betreiberfirma Juwi gestünden bei Veranstaltungen ein, die Eifel erlebe das dritte windarme Jahr in Folge. Aber Lemke kann sich schwer vorstellen, dass der Wind sich deswegen noch einmal in seinem Sinne dreht.