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Wettermoderator Sven Plöger Wettermoderator Sven Plöger: Was sagt der Profi zur Hitzewelle?

27.07.2018, 15:15

Halle (Saale) - Rekordsommer, Hitzewelle, Sahara-Dürre - dieser Sommer wird derzeit mit vielen Superlativen beschrieben. Zu recht? Einer, der es wissen muss, ist Diplom-Meteorologe und ARD-Wettermoderator Sven Plöger. Redakteurin Anika Berger hat mit ihm über Wetter-Nörgler, die Wetterheimat und dauerschwitzende Moderatoren gesprochen.

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MZ: Seit Wochen gibt es gefühlt kaum ein anderes Thema als das Wetter. Wie ist er denn nun wirklich einzuordnen, der aktuelle Sommer?
Sven Plöger: Ich versuche ja immer, mich bei extremer Wortwahl etwas zurückzuhalten, sonst müssen wir uns sprachlich bald bestimmt auch mit dem Jahrtausendsommer rumschlagen.  Aber es ist schon so, dass wir in Sachen Trockenheit einen extremen Sommer erleben. Man muss natürlich für jeden Ort einzeln untersuchen, wie trocken ist das im Vergleich zur Vergangenheit, weil hier und da auch kräftige regionale Gewitter eine Rolle gespielt haben. Aber der Gesamteindruck, dass es gerade in der Mitte und im Norden Deutschlands extrem trocken ist – teilweise hat das im April schon angefangen - , dass aus einer winterlichen kälte schlagartig sommerliche Wärme wurde, ist schon sehr auffällig. Die absoluten Hitzerekorde – irgendwas mit 39 bis 40 Grad-  hatten wir noch nicht. Da fehlt noch ein bisschen. Aber man muss ja nicht nur Rekordjagd betreiben, vor allem die Dauer der Hitze ist es ja in diesem Jahr, die so auffällig ist.

Nun sind wir ja hier in Sachsen-Anhalt. Das ist ja derzeit das trockenste Bundesland.
Das stimmt. In Eisleben hat es seit dem 1. Mai nur 21 Liter Regenwasser auf den Quadratmeter gegeben. Normal sind so 60 bis 70 Liter pro Monat. Das ist komplette Dürre.

Wieviel davon hat denn jetzt mit dem allseits beschrieben Klimawandel zu tun und ist das jetzt immer so?
(lacht) Ich mache jetzt mal Folgendes und sage; Ja. Es ist ab jetzt immer nur noch so. Immer heiß, immer sonnig, nie anders! Jetzt merken Sie selbst, was an Ihrer Frage faul war.

Na klar!
Scherz beiseite. Es wird natürlich nicht immer so sein. Es wird auch wieder kühle Sommer geben. Aber wir stellen fest, dass weltweit und natürlich auch in Deutschland die Temperaturen im Mittel stark steigen. Übrigens schneller, als wir es in früheren Zeiten erlebt haben – ein Hinweis auf einen zusätzlichen Effekt, der heutzutage eine Rolle spielt. Und das ist der Mensch! Der Klimawandel trägt maßgeblich dazu bei, dass es in den hohen nördlichen Breiten einen überproportionalen Temperaturanstieg gibt. Die Tatsache, dass es dort so warm wird, führt dazu, dass die Hochs und Tiefs langsamer ziehen. Das führt zu häufiger sogenannter Blocking-Wetterlage. Die Hochs und Tiefs kommen nicht weiter. Das Wetter wird extremer.

Das heißt, es wird auch wieder Sommer geben, die entweder kühl oder warm sind und der Wechsel nicht so stark?
Genau. Nur wenn im Mittel die Temperaturen deutlich nach oben gehen, dann nimmt natürlich die Wahrscheinlichkeit für die heißen Sommer zu und die für die kühlen ab. Wir müssen mit viel mehr heißen Tagen, trockenen Phasen im Wechsel mit Starkregen und schweren Gewittern, lokalen Überschwemmungen, aber auch mal mit einem kühlen und nassen Sommer rechnen – wenngleich die Wahrscheinlichkeit dafür abnimmt.

Nun kann man die Dauerwärme ja positiv und negativ bewerten. Wir wirkt sich das auf uns aus?
Der eine ist so, der andere so. Wer rundum gesund ist, kann schließlich einfach das tolle Wetter genießen, gerade jetzt in den Sommerferien. Aber es nehmen eben auch die Belastungen zu. Ältere Menschen vergessen oft zu trinken und dehydrieren, es sammelt sich mehr bodennahes Ozon an und die Luftqualität wird schlechter. Und so eine Alge freut sich wahnsinnig über solche Temperaturen und kann den ganzen Badesee ungenießbar machen. Aber es gibt auch diese Seite: Man kann grillen und abends lange draußen sitzen. Man trifft sich mit anderen, unterhält sich, trinkt ein Bier zusammen. Das ist ja auch für die menschliche Psyche schön. Es gibt all die Sachen, die einen zufrieden machen. Und dann existieren eben auch die anderen Sachen, die dazu gehören. Jede Medaille hat halt ihre zwei Seiten.

Trotzdem hat man das Gefühl, die Leute meckern ständig über das Wetter. Es ist entweder zu warm, zu kalt, zu nass, zu trocken. Woher kommt das denn bloß?
Das ist eine gute Frage. Ich würde gerne mal eine Umfrage machen, um rauszufinden, bei welchem Wetter wir vorwiegend zufrieden sind. Das ist sicher spannend. Ich selber habe diese Probleme nicht. Ich stelle mich auf das Wetter ein, das es gerade gibt. Okay, nach 20 Tagen Nebel im November lösen bei mir nun auch keine übermäßige Freude aus (lacht). Ich weiß nicht, ob dieses Wetter-Klagen ein besonderes deutsches Phänomen ist. In anderen Regionen dieser Welt habe ich das noch nicht so kennengelernt. Egal wo Sie hinfahren – Irland, Schottland, Skandinavien, Island, aber auch Spanien, Italien – da gibt es diese Diskussionen so nicht. Das Wetter findet halt statt und man arrangiert sich damit. Warum der Deutsche da besonders nörgelig ist – ich weiß es nicht. Wenn wir im Supermarkt an der Kasse stehen ist das Wetter vielleicht einfach ein unverfängliches Thema. Das kann man beschimpfen und das Wetter kann sich nicht wehren. Quasi gemeinsam gegen das Wetter...

Sie haben die anderen Länder schon angesprochen und reisen viel. Haben Sie den Eindruck, dass die Menschen dort eher zufrieden waren, wo es eher warm oder eher kalt ist?
Es hat viel damit zu tun, in welcher Region man aufwächst. Ein Marokkaner in Lappland wäre schwierig. Man hat eine Wetterheimat, denke ich. Wir in Mitteleuropa haben eine mit Jahreszeiten und wechselhaftem Wetter. Wir wissen ja eigentlich, dass es mal kühl oder warm sein kann. Jemand, der in Indonesien lebt, weiß: Es ist feucht und warm und kann damit gut leben. Der ganze Organismus ist darauf eingestellt. Nur das Versetzen in andere Regionen ist schwierig.

Haben Sie denn auch solchen Ländern Hitzetipps mitgebracht, was zum Beispiel die Kleidung angeht?
Die Physik sagt ja: Schutz ist gut. Man würde in der Sahara niemanden treffen, der wie wir halbnackt mit kurzer Hose durch die Gegend rennt. Das hat neben religiösen Gründen viel mit Schutz zu tun. Wenn man etwas dunkles, langes anzieht, denkt man: das muss ja furchtbar heiß werden. Aber es funktioniert wie eine Thermoskanne. Wie ich mich im Winter vor der Kälte schütze, kann ich auch im Sommer dichte Sachen anziehen, wo die Wärme nicht durchkommt. Die Menschen dort haben viele Tücher, die Luft durchlassen, aber vor der direkten Sonneneinstrahlung schützen. Da kann man viel lernen. Und natürlich ist es bei großer Hitze generell nicht sinnvoll, am Strand in großer Hitze noch fette Pommes mit Mayo zu essen.

Was ja sehr viele tun…
Ja genau. Das ist ja auch in Ordnung und für viele ein Genuss. Aber dann springt man einfach ohne Nachzudenken ins kühle Nass – völlig überhitzt und vollgefuttert – da ist schon so manches Herz stehengeblieben. Man muss auch daran denken, dass es zwischen 15 und 18 Uhr am wärmsten ist und nicht über die Mittagszeit. Die Luft muss sich ja erst aufwärmen. Wenn man seinen Tag danach einteilt, kann man die kühleren Phasen nutzen.

Was ist denn eigentlich das ideale Wetter, bei dem endlich nicht mehr gemeckert wird?
Das ist jetzt wieder sehr individuell. Das ist auch einer der Gründe, warum ich im Wetterbericht nicht werte. Wenn das mal passiert und ich zum Beispiel eine trockene Woche als schönes Wetter definiere, kommen sofort Protestmails von Leuten, die sagen: Für die Natur ist doch Regen so wichtig. Und wenn ich dann mal sage: endlich ist es mal kühl und es regnet, dann schreiben wieder andere: Warum „endlich“, für mich könnte es immer trocken sein bei 35 Grad. Der allgemeine gemittelte Deutsche ist ein Fantasieprodukt. Den gibt es nicht. Jeder möchte was anderes. Also halte ich mich eben raus und werte nicht. Aber ich glaube schon, dass trockenes, sonniges Wetter mit leichter Bewölkung, 23 Grad und ein bisschen Wind für viele eher angenehm ist.

Und für sie persönlich? Haben Sie ein Traumwetter? Ihr Hobby ist ja Gleitschirmfliegen. Da sind 30 Grad ohne Wind wohl nicht ideal, oder?
Ich brauche den Aufwind. Ich finde Wetter toll mit kleinen Quellwolken – cumulus humilis heißen die. So ein freundliches Wetter – die Temperatur ist mir wurscht – mit Thermik – das ist meistens im Frühling und Sommer- da kann ich aufsteigen. Und ich habe noch ein zweites Lieblingswetter, weil ich ja Action mag. Für mich ist Aprilwetter toll mit Schauern, Graupel, Hagel, dann wieder Gewitter und dann wieder sonnig. Dieser stete Wechsel. Aber eben so, dass es nicht so extrem ist, das jemand zu Schaden kommt.  

Dann sollten sie wahrscheinlich wirklich nicht das Wetter bewerten, wenn das ihr Lieblingswetter ist…
Ich bin dann total begeistert und denke: Da ist was los. Da bin ich zufrieden. Ich bin da aber wohl eine Ausnahme (lacht).

Und wenn es jetzt draußen so heiß ist: Gehen Sie dann auch klassisch baden und Eis essen?
Auch mal. Die Tage bei mir sind so unterschiedlich. Wenn ich Freizeit habe, sitze ich gern auf dem Rennrad. Da ist es auch egal, wenn man schwitzt. Da kann man ja danach duschen. Aber ich kann auch mal auf der Wiese liegen. Nur nicht lange. Nach einer Stunde finde ich es langweilig. Auf dem Balkon lese ich sehr gerne. Ich grille auch gerne. Das wissen viele, die bei mir dann ein Stückchen gutes Fleisch essen können. Aber – klar -  ich mag auch sehr gern Eis. Ich hab ganz normale Phasen und völlig irre Phasen, in denen ich dann viel unterwegs bin, auch mal reisen zu sehr ungewöhnlichen Orten. Dem klassischen Strandurlauber begegne ich da dann übrigens nicht.

Sie sind scheinbar ständig draußen.
Also im Moment sitze ich gerade drinnen. Ich habe heute Bürotag. Muss ja auch mal sein...

Haben Sie denn zuhause eine Klimaanlage?
Nein. Ich finde, man muss auch erleben, wie das Wetter ist. Wenn man von einer Hitzewelle spricht und sitzt den ganzen Tag niesend und schniefend im Kalten, weil man die Anlage überdreht hat, dann ist das doch auch komisch.

Und im Studio? Es ist sicher warm unter den Scheinwerfern.
Da gibt es eine Klimaanlage, sonst gäbe es das ganz große Problem eines dauerschwitzenden Moderators. Das sieht nur mittelappetitlich aus. Wir sind aber das erste und einzige Green Studio – ich weiß nicht ob weltweit oder nur in Deutschland – und erzeugen durch Geothermie und Wasserkraft den Strom. Das führte dazu, dass wir 2012 auf 2013 die CO2-Emission der Bavaria Filmstudios in Geiselgasteig im Süden von München um 97 Prozent reduziert haben. Deshalb ist unsere Klimaanlage gar nicht so schlimm.

Jetzt reden wir ja schon eine Weile über das Wetter. Für viele ist das ja das Small-Talk-Thema überhaupt. Für Sie auch?
Ich würde sagen, ich werde gesmalltalked. Ich rede gerne übers Wetter, habe da ein entspanntes Verhältnis. Aber auch wenn man es nicht glauben mag: Ich kann tatsächlich auch über andere Dinge reden. Und meine Freunde tun das auch mit mir, da ist Wetter kaum mal ein Thema. Wenn ich draußen erkannt und angesprochen werde, geht es logischerweise aber immer ums Wetter.

Aber sie können es noch hören?
Ich sag mal so. Wenn ich das nicht mehr hören kann, gehe ich einfach nicht mehr ins Fernsehen. Dann hört das auf. Ich hab da ein entspanntes Verhältnis, aber wenn ich am Tag 30 Mal angesprochen werde, hat das für mich auch einen Wiederholungscharakter und das weiß der einzelne ja nicht. An manchen Tagen muss man schon hart gesotten sein.

Und was ist mit dem Wort Wetterfrosch?
Das sind alles Sachen, die ich ertrage. Wo ich aber immer darauf achte, ist, dass zum Beispiel bei Interviews an irgendeiner Stelle Diplom-Meteorologe steht. Und zwar nicht, weil ich das so toll finde, sondern weil der Meteorologe nicht geschützt ist. Wenn irgendeiner sagt, er ist Meteorologe, dann ist er das auch. Ich hab das aber studiert und deshalb vielleicht ein bisschen Wissensvorsprung. Womit man mich ein bisschen in Rage bringen kann ist, wenn man sagt: Wetterexperte. Jeder ist heute Experte, der eine gefühlte Meinung zu irgendeinem Thema hat.

Vielleicht teste ich das mal aus.
(lacht) Alles gut.

Haben Sie eigentlich Wetter-Apps auf dem Handy?
Ja. Zwölf stück.

Aber nur, um zu beobachten und sich darüber lustig zu machen?
Ich sag mal so: Apps sind im ersten Moment vielleicht Konkurrenten zu unserem Wetterbericht. Auf den zweiten Blick sehe ich das aber anders. Schließlich kann man zu jedem Zeitpunkt für seinen Ort schauen, wie das Wetter wird. Mich kann man ja nicht jede Sekunde anmachen. Wobei ich gerade über die Doppeldeutung dieses Wortes schmunzeln muss.

Wobei sie ja sehr viele Sendungen täglich haben.
Es sind neun Fernsehsendungen. Ja, aber in unterschiedlichen Regionen. Wenn man zwölf Apps miteinander vergleicht – ich glaube, ich habe sogar 15 – dann sehe ich bei schwierigen Wetterlagen, wie die Apps überfordert sind. Da macht ja kein Meteorologe die Vorhersage, sondern ein Automat. Dann habe ich 15 verschiedene Wettervorhersagen. Oder sogar gleich 16 (lacht) von 15 Apps. Wir im Fernsehen sind die Fachleute, die das für die Menschen einordnen. Die App hat aber den Vorteil, für den Standort, wo man sich gerade befindet, ergänzende Informationen zu geben, die hilfreich sind, wenn man eben vorher eine Einordnung hatte. Insofern sehe ich viel mehr das Miteinander von TV-Wetterbericht und App als Vorteil für den Zuschauer und gar nicht unbedingt die Konkurrenz. Viele Wetter-Apps werden auch besser, aber einige sind auch richtig schlecht. Man findet alles! Verblüffend ist die Wetter-App-Gläubigkeit. Fragen Sie mal einen 12-Jährigen, wie das Wetter ist. Der geht nicht raus auf den Balkon und schaut, sondern fragt die App. Aber wenn ich im Urlaub bin und keinen Zugriff auf andere Daten habe, schaue ich schon auch mal auf eine App und bringe das mit dem aktuellen Himmelsbild zusammen.

Dann sollte ich vielleicht morgens nicht mehr Alexa fragen, sondern doch schnell nochmal das Morgenmagazin anschalten…
(lacht) Ja, da sagt Ihnen mein wunderbarer Kollege Donald Bäcker dann, wie es wird.

Apropos Urlaub. Sie waren gerade. Wo eigentlich?
In Schweden. Genau in dieser Dürre-Region. Aber nicht, um Voyeurismus zu betreiben, sondern weil wir das vor langer Zeit geplant hatten. Das war Zufall.

Also man trifft Sie nicht auf Mallorca?
Nein, aber ich bin sehr froh, dass die anderen dort hin fahren. Dann ist es in den Regionen, wo ich hinfahre, nicht so voll. Mich findet man vielmehr im Norden. Ich finde Mallorca durchaus eine tolle Insel, war auch schon mehrfach da. Aber bin nicht an diesen Orten, wo morgens um sechs die Handtuchpositionen festgelegt werden und dann liegt man den ganzen Tag am Strand bis man krebsrot abends in eine Disco einfällt.

Na da bin ich ja gespannt, wo man sie künftig sieht. Ich danke Ihnen, dass das so spontan geklappt hat.
Ja, weil Sie aus Sachsen-Anhalt sind. Es war sehr nett.

Haben sie denn einen Bezug zu Sachsen-Anhalt?
Nein. Aber ich fahre manchmal durch.

Wie so viele…
Ich habe eine Bekannte aus Dessau und es gibt auch in Magdeburg sehr schöne Stellen. Und bin auch für Veranstaltungen immer mal wieder da. (mz)