Talsperre trocknet aus Wasser im Edersee wird knapp - Füllstand unter 20 Prozent
Trotz des Regens der vergangenen Wochen ist der Wasserstand des Edersees extrem niedrig. Das hat Folgen für Schifffahrt und Tourismus. Eine Attraktion ist allerdings früher als üblich zu sehen.

Waldeck - Schwimmen, segeln, surfen: Der Edersee mit seinen Wasseraktivitäten ist im Sommer ein Touristenmagnet. Derzeit ist das Gewässer im Landkreis Waldeck-Frankenberg allerdings nur noch zu einem Fünftel gefüllt. Wer ein Bad nehmen möchte, der muss zunächst eine Sand- und Steinwüste überqueren, bevor er das kühle Nass erreicht. Manche Freizeitaktivitäten sind aktuell nicht mehr möglich.
„Die Wassersportbetriebe wie Surf- und Segelschulen können zum Teil gar nicht mehr arbeiten“, sagt Thomas Hennig vom Regionalverband Eder-Diemel (RVED), einer Interessenvertretung von Kommunen, Wassersportlern, Hoteliers und Gastronomen. Viele Boote hätten den See schon verlassen müssen, weil die Steganlagen trockengefallen seien. „Das wirkt sich natürlich auch auf die Gastronomie und Servicegeschäfte vor Ort aus.“ In manchen Bereichen seien Umsatzeinbußen von rund 50 Prozent zu verzeichnen.
„Das ist existenzbedrohend, zumal wir ja eine sehr kurze Saison am Edersee haben“, betont Hennig. Wenn von acht Monaten drei wegbrächen, sei die Grenze erreicht, an der sich Geschäfte noch profitabel betreiben ließen. Hinzu käme, dass das Personal ganzjährig bezahlt werden müsse. „Die touristische Vielfalt, die wir sonst bei einem vollen See anbieten können, ist sehr stark eingeschränkt“, erklärt Hennig. „Wir haben Stornierungen, weil die Leute letztendlich Urlaub am See machen wollen.“ Das könne auch das bei Touristen beliebte sogenannte Edersee-Atlantis nicht kompensieren.
„Edersee-Atlantis“ früher als sonst aufgetaucht
Die Reste dreier aufgegebener Dörfer auf dem Seegrund sind eine Attraktion und locken alljährlich Tausende Besucher an. 1913 wurden wegen des Baus der Sperrmauer am Edersee die drei im Edertal liegenden Dörfer Asel, Berich und Bringhausen überflutet, die Bewohner wurden umgesiedelt. Infolge des niedrigen Wasserstands tauchen die Überreste der Siedlungen in diesem Jahr früher als gewöhnlich auf.
„Derzeit sind die Aseler Brücke, Alt-Bringhausen, die Dorfstelle Berich, der Hopfenberg und die Bringhäuser Brücke sichtbar. Die Aseler Brücke kann komplett trockenen Fußes überquert werden“, sagt Lisa Brüne, Pressesprecherin der Edersee Marketing GmbH. Aufgrund der großen Trockenheit im Frühjahr und der Bewirtschaftung des Edersees als Wasserquelle für die Oberweser sei das „Edersee-Atlantis“ in diesem Jahr vergleichsweise besonders früh sichtbar.
Mit ihm entstehe ein weiteres Angebot für die Besucher, das gerne besichtigt werde, sagte Brüne. „Auch auf dem Seegrund zu laufen ist eine Aktivität, die nicht immer möglich ist und jetzt gut bei Wanderungen oder einer Fahrradtour eingebunden werden kann.“
Regulierung der Weser und des Mittellandkanals
Andererseits werde durch den sinkenden Pegelstand aber der Wassersport zurückgedrängt, „und das Thema Wasser spielt in den Sommerferien eine große Rolle“. Eine große Stornierungswelle aufgrund des sinkenden Pegelstandes sei aber nicht erkennbar. „Wir haben viele Anfragen von Gästen, die Edersee-Atlantis gerne sehen möchten und nachfragen, was bereits sichtbar ist.“
Das Wasser des Edersees ist ein Politikum. Zum einen ist es für den Tourismus und Wassersport der nordhessischen Ferienregion wichtig. Gleichzeitig dient es aber auch der Schifffahrt auf der Weser. Denn es wird zur Regulierung der Weser und des Mittellandkanals genutzt. Die Talsperre versorgt die Bundeswasserstraßen, damit sie schiffbar bleiben. Die Anlage kann mit ihrer 48 Meter hohen Staumauer rund 200 Millionen Kubikmeter Wasser stauen. Zuletzt lag der Füllstand mit rund 39 Millionen Kubikmetern bei knapp 19,5 Prozent.
Die Wasserabgabe aus dem Edersee erfolgte in diesem Jahr früher als sonst üblich. „Die Kombination aus regenarmen Monaten in den Einzugsgebieten von Werra, Fulda und Eder sorgt dafür, dass die Zuflüsse aus allen drei Flüssen recht gering sind“, erklärt Maurice Jurke vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser (WSA), das für die Bewirtschaftung der Edertalsperre zuständig ist. Seit März sei im Einzugsgebiet der Edertalsperre keinen Monat mehr als 50 Prozent Niederschlag des langjährigen Mittels gefallen.
Weniger Regen als im Durchschnitt
„Die aufgrund des niedrigen Regens nicht vollständig gefüllte Talsperre musste bereits deutlich früher als üblich erstmalig stützen und zuletzt auch mit vergleichsweise viel Wasser.“ Diese ungünstige Kombination aus niedrigem Ausgangsfüllstand, frühem Stützungsbeginn und hoher Stützwassermenge habe für eine relativ frühe Leerung der Talsperre gesorgt, erläutert er.
Daran hat auch der Regen der vergangenen Wochen nichts geändert. „Im Juli hat die Talsperre einen Zufluss von 7,5 Millionen Kubikmeter verzeichnet“, führt Jurke aus. Das sei zwar nicht historisch niedrig, aber dennoch unter dem langjährigen Mittel von fast 23 Millionen Kubikmeter. „Im Einzugsgebiet der Edertalsperre ist somit deutlich weniger Regen als üblich gefallen, sodass der Regen kaum einen Effekt haben konnte.“
Der geringe Füllstand Anfang August sei vergleichsweise früh. „Es hat in der Vergangenheit aber auch schon Jahre gegeben, in denen Ende Juli der See nicht weiter zur Stützung genommen werden konnte“, so Jurke. In diesem Jahr habe wegen des niedrigen Füllstands die Unterstützung des Wasserstands auf der Oberweser Anfang August eingestellt werden müssen. „Derzeitig werden sechs Kubikmeter pro Sekunde abgegeben, dies ist die Mindestabgabe.“ Zum Vergleich: In Trockenphasen sind laut Jurke 20 bis 30 Kubikmeter pro Sekunde nicht unüblich. Vereinzelt werde auch mehr Wasser abgegeben.
Keine Entspannung in Sicht
Die Folge: Der Pegelstand der Oberweser werde nun nicht mehr reguliert und sei daher von den Regenfällen abhängig. „Es ist zu erwarten, dass dieser deutlich unter die jeweiligen Zielmarken in Hann. Münden und Bad Karlshafen fallen wird“, so Jurke. Eine gewerbsmäßige Schifffahrt sei dann kaum noch oder gar nicht möglich, da die Schiffe einen zu hohen Tiefgang hätten. „Muskelbetriebene Schifffahrt funktioniert weiterhin. Die Sportschifffahrt ist abhängig von der Größe des Sportbootes, hier muss jeder Kapitän selber entscheiden, wie viel Wasser er benötigt.“
Auch für die kommenden Wochen erwartet Jurke keine Entspannung. „Die uns bekannten Prognosen sagen weiterhin geringe Niederschläge voraus, sodass es wenig Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation gibt. Sollte ein stärkeres Regenereignis das Einzugsgebiet der Talsperre treffen, wäre eine Stützung wieder möglich.“ Bei gleichbleibendem Wetter sei aber von einer weiteren Reduzierung des Wasserstands auszugehen.
Regionalverband fordert andere Wasserbewirtschaftung
Der RVED fordert angesichts der angespannten Lage eine Änderung der Wasserwirtschaft. Sie entspreche auch angesichts der klimatischen Veränderungen nicht mehr den Anforderungen, kritisiert Hennig. Der Edersee sei viel zu klein, um die fehlenden Niederschläge zu kompensieren. „Das führt letztendlich dazu, dass wir immer schneller das Wasser abgeben müssen. Wir brauchen dringend eine andere Wasserbewirtschaftung, mit der wir zumindest über die Sommersaison kommen.“
Auch das ökologische Gleichgewicht des Edersees sei in Gefahr, warnt Hennig. Die jetzige Bewirtschaftung des Sees habe eine Verschlechterung der Wasserqualität zur Folge. „Das führt zur Algenblüte und einer höheren Nährstoffkonzentration. Wir haben teilweise Krebse und Muscheln, die trockenfallen, und Fische, die sterben“, schildert Hennig. „Auch diese Argumente müssen wir im Auge behalten - nicht, dass uns hier der See umkippt.“