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Waschsalon Waschsalon: Raus aus der Schmuddelecke

06.04.2011, 13:11
Waschsalons locken zunehmend mit Zusatzangeboten ihre Kundschaftan. (ARCHIVFOTO: DPA)
Waschsalons locken zunehmend mit Zusatzangeboten ihre Kundschaftan. (ARCHIVFOTO: DPA) dpa

Berlin/dapd. - Er schreitet durch denWaschsalon, hantiert an einer Waschmaschine. Guttmann ist seit 14Jahren Betreiber eines Waschsalons am Rosenthaler Platz in Berlin.

Die Tür öffnet sich, ein Mann im Cord-Jacket kommt herein, in derHand eine Plastiktüte. Er stopft seine Schmutzwäsche in dieMaschine, lässt sich auf eine Bank sinken. «Machst Du mir einenMacchiato?», fragt er Guttmann. «Na klar!», antwortet der undverschwindet kurz zur Theke des Waschsalons. Dort gibt esSchokoladenkuchen und Ciabatta. Studenten sitzen in der Ecke undlesen Bücher, ein Informatiker tippt auf seinem Notebook herum.

Vor einem Jahr hat Guttmann seinen Salon renoviert,Original-Stühle aus den 50er Jahren hineingestellt und eineRetro-Tapete aufgeklebt. Bald verkaufe er im Salon fast so vielGetränke wie Waschgänge, sagt Guttmann. Sogar Partys habe er hierschon veranstaltet. «Die Kunden stellen immer höhere Ansprüche»,sagt er. «Wenn man sich auf dem Markt behaupten will, muss man mitder Zeit gehen.»

Zwtl: «Tatort» im Waschsalon

Waschsalons locken zunehmend mit Zusatzangeboten ihre Kundschaftan. In Hannover treffen sich die Kunden sonntags zum Waschen,«Tatort»-Schauen und Cocktailtrinken. In Jena stehen abends DJsneben den Waschtrommeln und legen auf. In Münster können KundenSchnitzel Wiener Art oder Seelachsfilet essen, während die Wäschegeschleudert wird.

In den Salons treffen sich Menschen aus allen sozialen Schichten.Guttmann sagt, seine Kunden seien Hartz-IV-Empfänger, Studenten,Politiker. Auch der ehemalige Arbeitsminister Walter Riester kommemanchmal vorbei. Guttmann duzt sie alle, er macht zwischen seinenKunden keinen Unterschied. Manche von ihnen kennt er seit vielenJahren: Bis in die Nacht sitzen sie manchmal zusammen, diskutierenüber Politik, Philosophie, die Welt. «Der Waschsalon ist meinWohnzimmer», sagt er.

Nobby Bangert nippt an seinem Kaffee. Auch er ist ein Stammgast.Er trägt einen Anzug, hat meist Unterlagen aus dem Büro vor sichausgebreitet, arbeitet. «Oft werde ich aber auch durch einen Plauschabgelenkt», sagt er. «Hier ist es unterhaltsamer, als zu Hause zuwaschen.»

Zwtl: Raus aus der Schmuddelecke

Der Frankfurter Soziologe Alfred Fuhr spricht den Waschsalonseinen «Kult-Charakter» zu. Früher sei die Atmosphäre in den Salonsverschämt gewesen. Hauptsächlich hätten sich dort sozial Schwacheaufgehalten. Das ändere sich seit den 90er Jahren immer mehr. «DerWaschsalon steht nicht mehr in der Schmudellecke», sagt er imdapd-Gespräch.

In Moabit, einem Stadtteil mit einem hohen Anteil von sozialschwachen Familien, schlendert Freddy Leck durch seinen Waschsalon.Walzermusik klingt durch den Raum, ein Kronleuchter strahlt von derDecke, an den Wänden kleben Brokattapeten. Leck, mit richtigem NamenUwe Martens, trägt einen Hut und eine auffällige Brille. Seit dreiJahren ist er Inhaber des Salons.

Morgens kämen meist die Hausmütterchen, denen die Waschmaschinekaputt gegangen sei und die sich oft keine neue leisten könnten,abends die Studenten. Dazwischen viele, viele Touristen. «Man siehthier, wie kontrastreich das Leben ist», sagt er. «Es gibt Kunden,die lieber mit ihren Hunden sprechen als mit Menschen, Liebespaare,die sich streiten, Leute, die anderthalb Stunden auf die Lukegucken.» Leck vertreibt sein eigenes Waschmittel, exportiert es bisnach Japan.

«Ich bin nicht immer der glücklichste Mensch», sagt er und rücktseine Brille zurecht. «Aber eins ist sicher: Im nächsten Lebenmöchte ich als Waschmaschine wiedergeboren werden.»