1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Einsamkeit großes Thema: Wärme und Hilfe bei Bahnhofsmission gesucht - Andrang steigt

Einsamkeit großes Thema Wärme und Hilfe bei Bahnhofsmission gesucht - Andrang steigt

Kälte, Einsamkeit, akute Not: Immer mehr Menschen suchen Unterstützung bei den Bahnhofsmissionen. Welche Schicksale und Geschichten hinter dem Andrang stecken.

Von dpa 23.12.2025, 04:30
Die Helfer der Bahnhofsmissionen unterstützen bei Reisen und helfen bei Notlagen. (Symbolbild)
Die Helfer der Bahnhofsmissionen unterstützen bei Reisen und helfen bei Notlagen. (Symbolbild) Sarah Knorr/dpa

Hannover/ Bremen - Wenn die Ehrenamtlichen der Bahnhofsmission Bremen in diesen Tagen morgens aufschließen, warten oft schon die ersten Menschen vor der Tür. „Es kommen morgens viele, um sich aufzuwärmen, weil sie entweder draußen geschlafen haben oder früh aus ihren Unterkünften raus müssen“, sagt Kathrin Gramke, ehrenamtliche Helferin in Bremen. In den kalten Monaten seien das meistens ein oder zwei Menschen, manchmal auch bis zu acht - darunter auch viele Wohnungslose.

Knapp 20 000 mehr Hilfesuchende als im Vorjahr

Die Nachfrage steigt. In den 16 Bahnhofsmissionen in Niedersachsen und Bremen suchten im laufenden Jahr bislang rund 200.000 Menschen Unterstützung – etwa 20.000 mehr als im gesamten Vorjahr, wie die Diakonie Niedersachsen mitteilte. Die Bahnhofsmissionen sind Anlaufstellen für Reisende ebenso wie für Menschen in akuten Notlagen. Ehren- und Hauptamtliche helfen beim Ein- und Umsteigen, begleiten mobilitätseingeschränkte Reisende, bieten Ruheräume und vermitteln bei Bedarf an Fachstellen weiter.

Für das kommende Jahr rechnet die Leiterin der Bahnhofsmission Bremen, Marieke Grupe, mit einem weiteren Anstieg. Seit der Corona-Pandemie mit eingeschränkten Öffnungszeiten und weniger Andrang sei die Zahl der Hilfesuchenden „stetig gestiegen“. 

Drinnen suchen manche nur einen warmen, ruhigen Platz, einen Tee oder ein Gespräch. Andere kommen mit akuten Problemen: nach Zugausfällen, mit Fragen zu Tickets oder weil sie schlicht nicht mehr weiterwissen. Für Helferin Gramke ist der Andrang am Morgen inzwischen Routine. Im Winter kommen am Bremer Standort nach Angaben der Einrichtung durchschnittlich 80 bis 100 Menschen, deutlich mehr als im Sommer. 

Frau flieht vor häuslicher Gewalt zu Bahnhofsmission

Gramke engagiert sich seit knapp zweieinhalb Jahren etwa vier Stunden pro Woche für die Bahnhofsmission. „Es ist erfüllend“, sagt sie. „Man sieht immer, dass es dem Menschen durch Zuwendung und Kontakt ein bisschen besser geht.“ Wie wichtig diese Unterstützung sein kann, zeigte sich zuletzt bei einer jungen Frau, die vor häuslicher Gewalt geflohen war und bei der Bahnhofsmission Hilfe suchte. 

Die Ehrenamtlichen telefonierten stundenlang, organisierten einen Platz in einem Frauenhaus, kümmerten sich um Anmeldung, Verpflegung und die Weiterreise. Solche Situationen seien keine Einzelfälle mehr. In Bremen nahm laut der Diakonie Niedersachsen die Vermittlung bei häuslicher Gewalt zu.

Solche Begegnungen prägen nicht nur die Arbeit der Bahnhofsmissionen in Bremen. Die ehrenamtliche Sylvia K. von der Bahnhofsmission Hannover trifft bei ihrer Arbeit auf Menschen mit ganz unterschiedlichen Anliegen. „Tatsächlich ist es auch einfach mal eine Umarmung, die sie brauchen, oder ein nettes Wort“, sagt sie.

Bedarf nach Lebensmitteln wächst

Je nach Standort unterscheiden sich laut Diakonie Bedarf und Besucherstrukturen deutlich. Viele Bahnhofsmissionen beobachteten, dass mit steigenden Preisen auch der Bedarf an Lebensmitteln wachse, um etwa über das Wochenende zu kommen.

Zudem bräuchten immer mehr Menschen Unterstützung beim Reisen. Für viele ältere Menschen sowie Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen seien digitale Angebote oft schwer zugänglich.

Angebote für einsame Menschen besonders gefragt

Die Bahnhofsmission ist laut der Leiterin in Hannover, Karen Hammerich, auch eine Art „Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen und Tendenzen“. Soziale Probleme seien dort also oft zuerst sichtbar. Sie beobachtet, dass unter anderem Obdachlose sowie Menschen mit psychischen Belastungen vermehrt in die Bahnhofsmission kommen. Besonders gefragt seien auch Angebote für einsame Menschen wie Gesprächskreise, deren Nachfrage teilweise stark gestiegen sei.

Eine Entspannung ist aus Sicht der Diakonie Niedersachsen nicht absehbar - im Gegenteil: Wachsende Armut, Wohnungslosigkeit, fehlender bezahlbarer Wohnraum und eine zunehmende Vereinsamung verschärften eher die Lage. 

Angebote für Weihnachten und Feiertage

Kurz vor Weihnachten rechnen die Bahnhofsmissionen mit einer besonders hohen Nachfrage. Gerade an den Feiertagen seien ihre Angebote für viele Menschen besonders wichtig, teilte die Diakonie Niedersachsen mit. 

In Celle ist ein festliches Frühstück geplant, in Bremen ein Gottesdienst an Heiligabend mit anschließender Ausgabe von rund 200 Taschen mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Auch an anderen Standorten sind Andachten, warme Mahlzeiten oder Weihnachtstüten vorgesehen. An Weihnachten bleiben vielerorts die Türen der Bahnhofsmissionen offen. Und oft warten dort schon am Morgen Menschen, die Hilfe brauchen.