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Vermisster Sechsjähriger aus Potsdam Vermisster Sechsjähriger aus Potsdam: Polizei veröffentlicht drei Szenarien zu Elias

Von Jens Blankennagel 14.07.2015, 17:20
Ein vom Regen aufgeweichter Zettel mit dem Foto des vermissten Elias.
Ein vom Regen aufgeweichter Zettel mit dem Foto des vermissten Elias. dpa Lizenz

Es ist nie ganz klar, was die Polizei in einer ganz kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt geben will. Ist der Fall gelöst oder sucht die Polizei noch nach weiteren Zeugen? In diesem Fall geht es um den sechsjährigen Elias, der vor sechs Tagen in Potsdam spurlos verschwunden ist. Die Polizisten müssen am Dienstag in Potsdam kein Wort sagen. Als sie vor der versammelten Presse neue Plakate mit der Frage „Wer hat Elias gesehen?“ aufhängen, ist klar: Der Junge ist noch nicht gefunden. Die Ungewissheit geht weiter.

Drei mögliche Szenarien

„Von den 314 Hinweisen aus der Bevölkerung haben wir 126 abschließend geprüft“, sagte Sven Mutschischk, Chef der Soko „Schlaatz“, benannt nach dem Stadtteil, in dem der Junge verschwand. „Es gibt keinen Hinweis, der uns zum Aufenthaltsort von Elias führt.“ Doch alle Hinweise werden überprüft, zudem läuft noch die Auswertung des umfangreichen Videomaterials. Aus Bussen, Bahnen, Tankstellen, Supermärkten, Bahnhöfen. Insgesamt seien es 210 Stunden. Dazu kommen 867 Bilddateien, also Fotos. Bislang waren 800 Polizisten im Einsatz, dazu viele hundert Freiwillige.

Die Soko ermittelt in drei Richtungen: Das erste Szenario geht von einem Unglück aus. „Elias könnte in ein Gewässer oder einen Schacht gefallen sein“, sagte Mutschischk. Tagelang wurde das Flüsschen Nuthe abgesucht, das das Plattenbaugebiet aus DDR-Zeiten begrenzt. Boote, Hubschrauber und Taucher waren im Einsatz. Am Montag wurden zum ersten Mal auch Leichenspürhunde eingesetzt. Sie schlugen zwar an, aber die Taucher fanden nichts. Also wurde der Bereich noch einmal sehr weiträumig abgesucht und auch am Dienstag wieder Leichenhunde eingesetzt. Elias wurde nicht gefunden.

Das zweiten Szenario: „Elias Verschwinden ist der Beginn einer Ausreißerkarriere“, sagt der Chefermittler. Es seien das gesamte Umfeld der Familie und alle Verwandten überprüft worden. „Aber die Wahrscheinlichkeit tendiert gegen Null.“

Das dritte Szenario ist ein Verbrechen. „Dafür gibt es bislang keine tatsächlichen Anhaltspunkte, aber wir können nicht ausschließen, dass ein Verbrechen vorliegt.“

Gefragt nach der Wahrscheinlichkeit der beiden übrig bleibenden Varianten, sagt er: „Ich kann und möchte ein Unglück nicht ausschließen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass Elias lebend wieder auftaucht.“ Das Aber, das nun folgen müsste, sagt er nicht, sondern: „Wenn wir ihn nach sechs Tagen nicht gefunden haben und das Kind nirgends aufgetaucht ist, dann sagt uns unsere kriminalistische Erfahrung, dann stimmt da etwas nicht.“

Aber es gebe eben noch keine Hinweise auf ein Verbrechen, keine Spuren. Die Kripo habe auch extra die Ermittler in Sachsen-Anhalt kontaktiert, weil dort im Mai die fünfjährige Inga spurlos verschwand. „Aber es gibt keinen hinreichenden Hinweis, dass es zwischen beiden Fällen einen Zusammenhang gibt.“ Ob es im Fall Elias auch Verdachtsmomente gegen die Familie sprechen könnten, sagt er nicht. „Aus ermittlungstaktischen Gründen.“

Langsam runterfahren

In den kommenden Tagen suchen weiterhin jeden Tag etwas 150 Polizisten im Schlaatz weiter. Alle Orte, die schon mal von der Polizei oder den Freiwilligen durchsucht wurden, werden noch ein zweites oder drittes Mal inspiziert: die Nuthe, die Wiesen am Ufer, Heizungskanäle, Gullys, Müllablageplätze, alle öffentlich zugänglichen Räume, aber auch Keller – jedenfalls von außen, denn dort darf die Kripo nur in einem konkreten Verdachtsfall hinein, da sie zur Wohnung gehören.

Die Polizei freut sich einerseits über die breite Unterstützung, Anteilnahme und Hilfe der Bevölkerung. Aber die Leute seien auch unerfahren. „Anfangs waren die Helfer in einer euphorischen Phase“, sagt der Ermittler. Doch die sei inzwischen gewichen, da der Junge, nicht wie erhofft, schnell gefunden wurde. Das Problem, dass massenhaft Leute vor Ort unterwegs waren und möglicherweise Spuren eines Verbrechens zerstört haben, sieht auch die Polizei. Aber sie hatte keine Handhabe. „Wir konnten den Leuten ja nicht verbieten zu helfen“, sagte Michael Scharf, Stellvertretende Leiter der Polizeidirektion West. Da es auch keine Hinweise auf ein Verbrechen gab, gibt es auch keinen Tatort, der abgesperrt werden kann.

Bis Ende der Woche wird die Suche vor Ort wohl langsam heruntergefahren. „Nicht aber die Ermittlungen“, sagte Scharf. „Wir geben die Hoffnung und die Suche nicht auf. Wir wollen wissen, was mit Elias passiert ist. Es gibt Fälle, da hat die Suche zehn Jahre gedauert.“