Vatikan Vatikan: Die Tempelritter waren keine Ketzer

Rom/dpa. - Philipp der Schöne vonFrankreich hatte den Haftbefehl angeordnet. Durch die Vernichtung derTempelritter wollte sich der verschuldete König unter anderem derenreiches Vermögen und sämtliche Güter des Ordens aneignen. Die Templerwurden der Ketzerei bezichtigt, verfolgt, eingekerkert und gefoltert.700 Jahre galt es als sicher, dass die mysteriösen Herren der «armenRitterschaft Christi vom Salomonischen Tempel» tatsächlich als Ketzerauf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Ein lange verschollenesDokument belegt nun erstmals, dass Papst Clemens V. den Würdenträgerndes Ordens aber bereits 1312 die Absolution erteilt hatte.
Die italienische Wissenschaftlerin Barbara Frale (37) hatte dasDokument im Jahr 2001 zufällig im vatikanischen Geheimarchivgefunden. Es war lange unentdeckt geblieben, weil es falscharchiviert worden war. «Ich konnte kaum glauben, was ich da entdeckthatte», meinte Frale später. Am 25. Oktober wird das brisanteSchriftstück zusammen mit einer Reproduktion der Prozessakten in demBuch «Processus contra Templarios» der Öffentlichkeit vorgestellt.Das vom Vatikanischen Geheimarchiv vorgelegte Werk erscheint in nur799 Exemplaren.
«Bei dem Dokument handelt es sich um die Abschrift einer Befragungdes Großmeisters und anderer Würdenträger der Templer durch Gesandtedes Papstes», sagte Frale kürzlich der Zeitung «Il Giornale». DieAnhörung wurde in der Burg Chinon an der Loire durchgeführt, wo dieOrdensoberen gefangen gehalten wurden.
Der König hatte seine Anklagen vor allem darauf gestützt, dass dieTempelritter bei seltsamen Ritualen das Kreuz bespuckten und Christusverleugneten. Jedoch konnten die Templer bei der Befragung den Papstdavon überzeugen, dass ihre suspekt wirkenden, altertümlichen Ritennicht blasphemisch und sie somit keine Ketzer waren. Dem «Pergamentvon Chinon» zufolge - wie das Dokument offiziell heißt - hatteClemens V. damals die Buße der Tempelritter akzeptiert und ihnendeshalb die Absolution erteilt.
Um den Kreuzritterorden ranken sich bis heute unzähligeGeschichten, oft diente er Romanen und Hollywood-Filmen alsInspiration. «Fans des mystisch-esoterischen Genres läuft beimGedanken an das Buch schon das Wasser im Mund zusammen», meinte dieTuriner Zeitung «La Stampa» zuletzt. Schließlich stammt das«Pergament von Chinon» genau aus dem Jahr, in dem Clemens V. denTemplerorden auf massiven Druck von Philipp dem Schönen auflöste. «Erhat den Orden zwar aufgelöst, aber er hat ihn nie verurteilt»,erklärte jetzt der italienische Historiker Franco Cardini.
Der Templerorden war 1118 durch Hugo von Payens, Gottfried von St.Omer und sieben weiteren Rittern aus Frankreich gegründet worden, umdie Straßen des Heiligen Landes für die christlichen Reisenden zusichern und die Heiligen Stätten zu verteidigen. Ihre Zentrale lagzunächst in der eroberten al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg, woherder Name des Ordens rührt.
Mit der Zeit wurden die Tempelritter zum mächtigsten und reichstenOrden der christlichen Welt. Erst durch Philipp den Schönen und dieInquisition nahte das Ende, als im 14. Jahrhundert unzähligeMitglieder im Kerker oder unter der Folter zu Tode kamen. Wer einunter Folter erpresstes Geständnis später widerrief, landete zudem inFrankreich als rückfälliger Ketzer auf dem Scheiterhaufen. Alsletzter Großmeister der Templer wurde im März 1314 Jacques de Molayin Paris verbrannt. Einer Legende zufolge soll er auf dem Weg zumScheiterhaufen sowohl den König als auch den Papst mit einem Fluchbelegt haben. Beide starben innerhalb eines Jahres.