Vatikan Vatikan: Die kleinste Armee der Welt wird 500 Jahre alt

Rom/dpa. - DieAntwort ist verblüffend einfach: Weil sie alle aus der Schweizkommen. Aber warum ausgerechnet aus der Schweiz?
Es war vor genau 500 Jahren, bewegte Zeiten damals in Rom, PapstJulius II. lag politisch mit Venedig, den Franzosen und Spaniern im Clinch. Militärischer Schutz musste her, und da er angesichts der Ränkespiele im heimischen Rom eigenen Landsleuten nicht vielVertrauen schenkte, schaute sich der Papst im Ausland um. Schweizer Männer wiederum hatten sich seinerzeit in Europa als verlässliche Söldner einen Namen gemacht.
«200 Fußknechte» von den «geliebten Söhnen Oberalemanniens»forderte der Papst an, angeheuert wurden sie in Luzern und Zürich.Die Männer zogen zu Fuß über den Gotthardpass und marschierten am 22.Januar 1506 in Rom ein. Dort wurden sie neu eingekleidet, bekamenrasch den päpstlichen Segen und zogen noch am Abend in ihre Kaserneein - kurz und prosaisch war der Amtsantritt. Am kommenden Sonntagfeiert der Vatikan das Jubiläum mit einer Messe in der SixtinischenKapelle.
«Kleinste Armee der Welt» wird die Garde oft genannt. Stimmt, istaber nur die halbe Wahrheit. 110 Gardisten auf 500 Staatsbürger desVatikans, ein Soldat auf fünf Einwohner - nirgendwo sonst gibt esauch nur annähernd eine solch hohe Rate. In den USA kommen 1,4Soldaten auf 288 Millionen Einwohner. Der Vatikan ein hochgerüsteterStaat? Auch nicht ganz richtig: Außer Pfefferspray, Karateausbildungund Handfeuerwaffen kann die Garde nur ihren Verteidigungswillen insFeld führen.
Zeitweise wurden die Schweizergarde sogar von Deutschen ersetzt.Ein dunkles Kapitel, es begann mit der Plünderung Roms am 6. Mai1527. Deutsche und spanische Landsknechte fielen in die Stadt ein,Papst Clemens II. flüchtete in den Petersdom. Vor seinen Augen wurdendie Garden niedergemetzelt. Ein Zeitzeuge: «Da er das gesehen, ist erbald von der mess geflohen und eilends durch ain haimliche thur undbeschlossenen gang gestigen, und so schnell gelaufen dass ihm derschwaiss ausgegangen.» Danach wurde eine deutsche Leibwacheeingesetzt, die aber nicht sehr lange bestand. 1542 übernahmen wiederSchweizer den Job. Das traumatische Datum 6. Mai wird aber noch heutealljährlich begangen.
Heute schieben die Gardisten an den Eingängen zum KirchenstaatWache, wohl kaum besonders spannend. Immer häufiger aberpatrouillieren ganz normale Carabinieri auf dem Petersplatz - inZeiten des Terrorismus ist der Schutz des Vatikans ohne «weltliche»Sicherheitskräfte gar nicht zu schaffen.
Doch die Garde als reine Staffage, als Operettenarmee, das wäredem Kommandanten Elmar Theodor Mäder ein Dorn im Auge. Unter der Handhieß es unlängst, der ehrgeizige Kommandant fordere mehr Kompetenzenfür seine Mannen. Wenn der neue deutsche Papst in Rom unter die Leutegehe oder in den Ferien in den Alpen flaniere, übernehme immer öfterdie staatliche Polizei die Führung in Sicherheitsfragen, klagte er.
Unvergessen ist die Nacht zum 4. Mai 1998: Ein blutjunger Gardiststieg die Stufen zur Wohnung seines Kommandanten Alois Estermannempor, zückte seine Dienstpistole und schoss den verhassten Chefnieder. Dann zielte er auf dessen Frau und brachte am Ende sichselbst mit einem Schuss in den Mund um. Doppelmord im Vatikan -niemand hätte gedacht, dass es nach den Giftmorden im Mittelalterjemals wieder solche «blutigen Abgründe» im Kirchenstaat gebenwürde. «Liebe war nicht im Spiel, auch keine Eifersucht», versuchteder Vatikansprecher eiligst sprießende Spekulationen einzudämmen -natürlich erfolglos. Die offizielle Version heißt: Der junge Gardistsei einer «Attacke des Wahnsinns» verfallen.
Doch seitdem gab es Reformen: Bei Rekruten wird auf die Psychegeachtet, hitzige Typen und Draufgänger will man nicht. Die Gardistenmüssen überdies Schweizer Staatsbürger sein, katholisch undmindestens 1,74 Meter groß. Amtssprache ist Deutsch. Inzwischen gibtes aber sogar den ersten dunkelhäutigen Gardisten, einen bildschönenjungen Mann, der aus Indien stammt - adoptiert von einem SchweizerEhepaar. Nur bei einem kennt Kommandeur Mäder kein Pardon: Frauen inseiner Truppe will er nicht. «Die Männer sind jung, sie wohnen in derKaserne, da ist es ziemlich eng. Da will ich keine Probleme haben.»