USA USA: Seilbahndrama über New Yorker East River

New York/dpa. - Viele derPassagiere mussten bis zu zwölf Stunden warten, bis sie wiedersicheren Boden unter den Füßen hatten. Die gewöhnlich vierminütigeFahrt mit einem traumhaften Blick auf die Häuserschluchten vonManhattan wurde für sie zum Albtraum.
Eine der beiden Gondeln hing mit 47 Menschen 80 Meter über demEast River. Die Fahrt der anderen Kabine mit 22 Fahrgästen endete inder Gegenrichtung 55 Meter über New Yorks Straßenpflaster kurz vordem Ziel an der First Avenue. Darin befanden sich auch zweiKleinkinder, 13 und 14 Monate alt. Alle Versuche, die Bahn aufNotstrom umzuschalten, waren fehlgeschlagen.
Die Zitterpartie begann nach Berichten des Radiosenders NPR amMontag um 17.22 Ortszeit (23.22 MESZ). Sie endete für die letztenFahrgäste der «Roosevelt Island Tramway» am Dienstag früh gegen 5.00Uhr New Yorker Zeit, kurz vor Morgengrauen.
Fast sechs Nerven aufreibende Stunden vergingen, bis die NewYorker Polizei ihren ersten Rettungsversuch startete. Die Fahrgästeüber dem East River wurden durch ein Seitenfenster der Kabine insFreie geholt. In Schwindel erregender Höhe wurden sie dann an einemKlettergurt befestigt und in einen großen Metallkorb geladen. Unterdie ein Meter breite Kluft zwischen der Kabine und dem benachbartenBatterie betriebenen Rettungskorb hatte die Polizei zur Sicherheitein Netz gespannt.
«Ich bin mir vorgekommen wie ein Stuntman beim Film», sagte derzwölfjährige Dax Maier, nachdem er wieder sicheren Boden unter denFüßen hatte. «Ich habe mir immer wieder gesagt: "Sieh' nicht nachunten".» Außer ihm waren elf Kinder und eine ältere gehbehinderteFrau unter den Geretteten. Jedes Manöver zog sich über 45 qualvolllange Minuten, berichteten die Betroffenen. Dabei kamen jeweils nurbis zu zwölf Passagiere in die Freiheit.
«Sie schnappten uns und zogen uns nach draußen», schilderte MaariDesouza, Direktorin einer Schule für Lernbehinderte in New York. «Eswar schrecklich beängstigend in dem offenen Rettungskorb, vor allemfür mich, weil ich unter Höhenangst leide». Die Passagiere in deranderen Gondel wurden über einen langen Kran aus ihrer misslichenLage befreit. Jubelnder Beifall begrüßte die Geretteten. New YorksBürgermeister Michel Bloomberg begrüßte die Betroffenen persönlich.
«Wir hoffen, dass niemandem etwas passiert und dass wir unsereLehren daraus ziehen», sagte Bloomberg noch bei einer Pressekonferenzkurz vor Mitternacht. Er kündigte eine eingehende Untersuchung desVorfalls an und ordnete zunächst den Stillstand des 30-jährigenSeilbahnsystems an. Die Insel, auf der viele Diplomaten undMitarbeiter der Vereinten Nationen wohnen, ist auch über eine U-Bahnzu erreichen. Auf Roosevelt Island hatte auch Kofi Annan gelebt,bevor er sein Amt als UN-Generalsekretär antrat und in die dafürreservierte Residenz umzog.
Die New Yorker Seilbahn war zuletzt in «Spider-Man» (2002) auf derLeinwand zu sehen. Zuvor konnten Kinobesucher die Fahrt über den EastRiver in «City Slickers» und «Nighthawks» mit Sylvester Stallone miterleben.