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Unfall Unfall: Transrapid-Unglück durch Fehler von Mitarbeitern

Von Elmar Stephan 04.10.2006, 16:49

Lathen/Lingen/dpa. - Den Ermittlern vonPolizei und Staatsanwaltschaft jedoch stehen die Abläufe mit jedemTag präziser vor Augen. Zwölf Tage nach der Katastrophe mit 23 Totenund zehn Verletzten ist klar: Technisches Versagen scheidet aus,Ursache für das Unglück waren Fehler der Mitarbeiter im Leitstand undim Zug selbst.

Staatsanwalt Alexander Retemeyer zitiert am Mittwoch in den Räumender Polizei in Lingen aus drei Funksprüchen, die am Morgen des 22.September zwischen Leitstand und Transrapid ausgetauscht wurden.Gegen 9.52 Uhr gaben die beiden Mitarbeiter des Leitstandes einenklaren Befehl an den Führer des Unglückzuges. «Fahr los», wies einervon ihnen den Zugführer an. Dieser, ein erfahrener und besonnenerMann, der schon seine angehenden Kollegen auf der Strecke inSchanghai ausgebildet hatte, setzt den Magnetschwebezug in Gang. Nurwenig später geschieht das Unfassbare: der Zug prallt mit Tempo 170gegen einen 60 Tonnen schweren Werkstattwagen.

«Was ist passiert?», fragt die Leitstelle. Die nüchterne Antworteines noch Unbekannten: «Es ist vergessen worden, das Servicefahrzeugwegzubewegen.» Mit ihrer Ermittlungsstrategie hat dieStaatsanwaltschaft fürs Erste Betreiber und die Genehmigungsbehördenzumindest aus der strafrechtlichen Schusslinie gebracht. Ein Verstoßgegen Betriebs- oder Genehmigungsauflagen sei bislang nichtfestgestellt worden, betont Retemeyers Kollege Jörg Schröder. Auchdie Tatsache, dass in den vergangenen Jahren die Versuchsstreckenicht nur der Wissenschaft diente, sondern auch rund 750 000Touristen mit dem Transrapid fuhren, lässt die Anklagebehörde nichtgegen die Betreiber ermitteln.

Juristisch sei jede Fahrt mit dem Transrapid eine Versuchsfahrtgewesen, sagt Retemeyer. Und für die Staatsanwaltschaft sei esunerheblich, ob Touristen oder Betriebsmitarbeiter zu Tode gekommenseien. Trotz dieser Einschätzung - die politische Diskussion um dieSicherheit auf der Teststrecke dürfte nicht beendet sein. Jenseitsstrafrechtlicher Relevanz steht weiter die Frage im Raum, warum sichdie Betreiber auf den Risikofaktor Mensch statt auf durchaus möglichetechnische Sicherheitsmechanismen verlassen haben.

Die Besatzung des Leitstandes steht nach wie vor unter Schock. Diezwei Männer seien daher auch noch nicht vernommen worden, sagt Karl-Heinz Brüggemann, Leiter der Polizeiinspektion Emsland/GrafschaftBentheim. Aber Retemeyer und Schröder lassen keinen Zweifel daran,dass sie die beiden Männer für die Hauptverantwortlichen halten. «Diebeiden Leitstand-Mitarbeiter gelten für uns als Beschuldigte», betontRetemeyer, setzt aber hinzu: Hätte der Zugführer das Unglücküberlebt, würde auch gegen ihn ermittelt.

Denn auch der Mann im Zug habe dem Funkverkehr entnehmen müssen,dass der Werkstattwagen noch auf der Strecke war, betonen dieStaatsanwälte. Zumal er das Hindernis auf der Strecke schon bei derAusfahrt klar und deutlich sehen konnte. «Es war scheunentorgroß»,sagt Brüggemann. Es gebe eindeutige Zeugenaussagen, dass derZugführer die ganze Zeit über an der Zugspitze gewesen sein muss. «Ermusste eine Reihe von Handgriffen ausführen, damit sich der Zugüberhaupt in Bewegung setzen konnte», ergänzt Retemeyer. Warum alsofuhr er los? «Wenn er noch leben würde, würden wir ihn genau dasfragen», sagt Brüggemann.