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Türkei Türkei: Fall Marco geht in nächste Instanz

Von GERD HÖHLER 16.09.2009, 09:42

ANTALYA/MZ. - Zwar wird die Strafezur Bewährung ausgesetzt. Aber Marcos Anwälteund die Gegenseite kündigten Revision an.Marco selbst verfolgte den Urteilsspruch vonUelzen aus.

Auch nach zweieinhalb Jahren gibt es alsokeinen Schlussstrich. Zweieinhalb Jahre, indenen der Fall des Schülers aus NiedersachsenPolitiker und Medien in Deutschland und derTürkei auf die Barrikaden brachte und zu einerernsten Belastung für die Beziehungen beiderLänder zu werden drohte. Zweieinhalb Jahre,die kein gutes Licht auf die türkische Justizwarfen. Begonnen hatte alles im April 2007,als der damals 17-jährige Marco mit seinenEltern zum Osterurlaub nach Side an die türkischeMittelmeerküste reiste. Im Hotel lernte erdie junge Britin Charlotte kennen, ging mitihr auf deren Hotelzimmer - ein verhängnisvollesRendezvous. Marco spricht von einvernehmlichen"Zärtlichkeiten" mit dem Mädchen, dass sichals 15-Jährige ausgegeben habe, tatsächlichaber erst 13 war. Charlottes Mutter erstatteteAnzeige, Marco wurde an der Hotelrezeptionfestgenommen und verbrachte acht Monate inUntersuchungshaft.

Ein Aufschrei der Empörung ging durch deutscheMedien. Politiker schalteten sich ein, verlangtendie Freilassung des Jungen, was die türkischeJustiz erst recht in Rage brachte. Währenddie Richter auf stur schalteten, drohten Unionspolitikermit Folgen für die EU-Beitrittsverhandlungender Türkei.

Vor allem das provozierend schleppendeVerfahren und die lange Untersuchungshaftwurden als skandalös empfunden. Denn schonim August 2007 lag dem Gericht ein s>rechtsmedizinischesGutachten der Universität Istanbul vor, ausdem folgte: Charlotte wurde nicht vergewaltigt.Doch die türkische Justiz zog das Verfahrenimmer weiter in die Länge. Das Urteil hinterlässtvor allem deshalb einen bitteren Beigeschmack,weil es wie der Versuch wirkt, das unwürdigeVorgehen und die lange U-Haft nachträglichzu rechtfertigen.

Die Forderung der Verteidigung, den deutschenSchüler wegen Mangels an Beweisen freizusprechen,wurde nicht erfüllt. "Es geht um die Zukunfteines jungen Menschen", hatte sein AnwaltMehmet Iplikcioglu plädiert. Leidenschaftlichin der Sache hatte Iplikcioglu vor dem Urteilauf die zahlreichen, nicht aufgeklärten Ungereimtheitenin dem Fall aufmerksam gemacht. Dafür habesich Marco vor Gericht sehr anständig benommen,sagte er. Er sei sehr respektvoll gewesen,"ein großer Junge, der sich nicht selbst erklärenkonnte" - nur mit Dolmetschern.

Ömer Aycan, der Anwalt des Mädchens, stütztseine Nebenklage vor allem auf Spermien, dieim Körper des Mädchens gefunden wurden. "Esgab eine verbotene sexuelle Beziehung zwischenMarco und Charlotte", meinte er gestern amRande des Verfahrens. Unzufrieden ist aucher und kritisiert, dass die Strafe zur Bewährungausgesetzt wurde.

Marcos Anwalt führte dagegen an, es sei nieamtlich geklärt worden, von wem die Spermienstammen. "Es gibt keine ausreichenden Beweiseum Marco zu bestrafen", sagte er. Von Gerichtsmedizinernsei Charlotte nie untersucht worden. Dafürhabe ein Frauenarzt festgestellt, dass sienoch Jungfrau sei. "In dem Fall gibt es keinejuristisch korrekte Beweisführung", sagteer. "Wir fordern Freispruch."

Anwalt Iplikcioglu will eine Revision erreichen,wobei allerdings die umstrittene Beweisaufnahmenicht wiederholt wird. Der Prozess wird voreinem höheren Gericht auf Verfahrensfehlerhin überprüft. Damit aber wird die Frage,was in jener türkischen Urlaubsnacht zwischenMarco und Charlotte wirklich passiert ist,wohl nie ganz geklärt werden.