Tradition in Island Tradition in Island: Elfenglaube versetzt Felsen
Gardabaer - Der Glaube an Elfen versetzt in Island Berge. Oder zumindest Felsen. In dem Städtchen Gardabaer legte Ragnhildur Jónsdóttir Ende 2013 gemeinsam mit zwei Dutzend anderen den Bau einer Straße lahm, weil die künftige Trasse genau durch eine kleine Elfenkirche – einen Lava-Steinbrocken – führen sollte.
„Die Bulldozer kamen und wir haben uns davorgeworfen, um sie zu stoppen“, sagt die 54-Jährige. Zwei Verhaftungen und viele Briefe an hochrangige Politiker später wird die Straße trotzdem gebaut. Der Fels soll aber aus Respekt vor den Naturgeistern nun umziehen. Ein Kran hievt den viele Tonnen schweren Stein an eine andere Stelle.
Verwunschener Ort
„Es wäre natürlich besser gewesen, sie hätten den Bau der Straße gestoppt“, erzählt Fachfrau Jónsdóttir, die auch einen kleinen Elfengarten betreibt, mit zarter, leiser Stimme. „Aber immerhin sind die Politiker bereit, das hier zu tun, und dafür haben sie viel Ärger auf sich genommen.“ Die Kapelle im Lavafeld sei ein Ort, zu dem Menschen und Elfen kämen, um Rat zu suchen. Bis zum Winter soll der Fels neben einen anderen gerückt werden – eine weitere „heilige Kirche“ –, um die die Straße dank Jónsdóttir schon einen Bogen macht. Die Arbeiten gehen derweil erst einmal am anderen Ende der Baustelle weiter. Mit seinen skurrilen Lavalandschaften und moosreichen Wäldern erweckt Island leicht den Eindruck eines verwunschenen Ortes.
Jeder Inselbewohner kennt mindestens eine Anekdote, in der die Fabelwesen vorkommen. „Jeder hat so eine Geschichte in seiner Familie“, Pétur Matthíasson von der isländischen Straßenbaubehörde. „Das ist einfach Teil unseres kulturellen Erbes.“ Während das Huldufolk – die verborgenen Wesen – in Größe und Gestalt den Menschen ähneln soll, können Elfen der Legende nach unterschiedliche Erscheinungsformen haben. Ihnen gemein ist, dass sie in der Natur, etwa in Felsen und auf Hügeln, leben sollen.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Schutz von Elfen und angeblich verborgener Wesen ein Bauprojekt behindert. 2012 bat ein isländischer Politiker Jónsdóttir um Rat: Bei einem schweren Autounfall war er wie durch ein Wunder unverletzt geblieben. Ein Hügel hatte seinen Wagen nach fünf Überschlägen gebremst.
„Er war überzeugt, dass Elfen in dem Fels wohnten“, sagt Jónsdóttir. Als die Straßenführung geändert werden sollte und der Hügel in Gefahr war, halfen sie und ihr Sohn dem Parlamentsabgeordneten, den riesigen Stein aus dem Weg zu wuchten und auf das Grundstück des Politikers zu versetzen.
Bagger warten, bis Geister umziehen
Pétur Matthíasson von der Straßenbaubehörde ist zwar selbst nicht von der Existenz der Naturwesen überzeugt. Trotzdem hat sich in seiner Behörde schon so manches Bauprojekt in die Länge gezogen, weil andere es sind. Wenn Elfen angeblich an einer Stelle auf der Baustelle wohnten, warteten die Bagger so lange, bis die Naturgeister umgezogen waren – solange es den Staat nicht zu viel Geld kostete. „Das tut ja nicht weh“, sagt Matthíasson pragmatisch.
Seine Behörde hat solche Geschichten gesammelt. Da wird zum Beispiel von einem Fluch berichtet, der vor Jahren ein Bauprojekt heimgesucht haben soll. Ein Medium hatte davor gewarnt, die die Felsen an einer geplanten Straße zu sprengen. Gleichzeitig passierten Unfälle, Bulldozer waren plötzlich aus unerklärlichen Gründen defekt. Am Ende blieben die Steine stehen. „Manche Leute glauben, dass die Elfen die Straßennutzer beschützen – zum Dank für die Rücksichtnahme.“ (dpa)