Tiere Tiere: Käfer-Sammeln auf dem Dach der Welt

Dresden/Kathmandu/dpa. - Das Gepäck von Himalaya-Reisenden besteht normalerweise aus Ausrüstung für Trekking und Bergsteigen. Wenn einer mit hunderten kleiner Dosen ins Königreich Nepal reist, müssen andere Motive eine Rolle spielen. Der Dresdner Olaf Jäger vom Tierkundemuseum ist so ein Fall. Statt Höhenrekorde jagt er in der Bergwelt winzige Käfer. 40 neue Arten hat er dort bereits entdeckt.
Jägers Arbeit weist ihn als Coleopterologen aus, als Käferkundler. «Die noch weitgehend unberührten Bergwälder und Feldlandschaften des Himalaya bergen eine vielfältige Tierwelt, die der Wissenschaft zum großen Teil noch unbekannt ist», berichtet der 42-Jährige. Viele Arten, vor allem unter den Insekten, hätten sehr kleine Verbreitungsgebiete von nur wenigen Quadratkilometern, oft in unzugänglichen Gebieten.
Seit 1995 ist die Fauna Nepals ein Forschungsschwerpunkt des Tierkundemuseums. Jedes Jahr reiste Jäger seitdem ins Himalaya-Reich und richtete dabei den Blick vor allem auf das Annapurna-Gebiet. Zuletzt war er im Frühsommer auf «Käfer-Pirsch». Gemeinsam mit zwei Kollegen und fünf einheimischen Trägern durchstreifte er die Wildnis fernab der Zivilisation und wurde erneut fündig.
Das Objekt von Jägers Begierde heißt Chrysosimplocaria. Hinter diesem Gattungsnamen verbergen sich die Pillenkäfer. Sie leben gern im Moos und sind südlich und nördlich der tropischen Zone weltweit verbreitet. Bisher sind knapp 400 Arten bekannt. Der Name Pillenkäfer leitet sich von ihrer Form ab. Sie vermögen Beine und Fühler so an den Körper anzulegen, dass sie einer glatten, ovalen Pille gleichen. Ihre Nahrung besteht aus Mooswurzeln.
Während sie in unseren Breiten meist von gräulicher bis brauner Farbe sind, fand Jäger im Himalaya grün-metallisch glänzende Exemplare. Zudem ist hier der Artenreichtum besonders groß. In ganz Nordamerika sind bisher nur 35 Arten bekannt, im kleinen Nepal bereits 50. Dabei ist der Osthimalaya noch gänzlich unerforscht.
«Die Arten lassen sich meist nur bei Männchen unterscheiden und zwar an deren Penis. Die Weibchen dagegen sind merkmalarm», erklärt der ausgebildete Präparator. Pillenkäfer aufzuspüren, ist kein einfacher Job. In den Tälern sind die Sammler oft bei feucht-heißem Klima mit Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius konfrontiert, in den Hochlagen mit Schnee. Auf der Suche nach den Käfern klopft Jäger Büsche ab und dreht Steine um. Nachts werden Lichtfallen installiert.
Die Käfer schickt Jäger mit Essigäther in die ewigen Jagdgründe. «Das Präparieren stellt keine besonderen Anforderungen. Käfer sind da eher pflegeleicht», sagt der Experte. Der Chitin-Panzer könne kaum verderben und halte die Käfer «in Form». Jäger räumt ein, dass die einheimischen Gepäckträger das Treiben anfangs mit Unverständnis beobachteten, vor allem wenn sie buddhistischen Glaubens waren. Inzwischen würden sie sich aber am Käfer-Sammeln beteiligen.
Auf Sponsoring für seine Arbeit kann Jäger kaum bauen. Oft geben Forscher neuen Tierarten die Namen von Sponsoren ihrer Reisen. Wer auf diese Weise unsterblich werden will, kann im Artenkatalog des Vereins Biopat nachschlagen (www.biopat.de). «Frösche und Orchideen gehen reißend weg, nicht aber unscheinbare Käfer», sagt Jäger. Mit der Namensgebung hat er dennoch kein Problem. Die Chrysosimplocaria schmiditi, dobbertini und ahrensi sind nach Kollegen benannt, der Chrysosimplocaria arborea lebt auf bemoosten Rhododendronbäumen.
Auch wenn Jäger die Käfer im Himalaya nicht ausgehen, richtet er schon heute den Blick auf andere Regionen: «Irgendwann ist so ein Gebiet abgeschlossen. In Neuseeland und Südaustralien würde ich gern nach neuen Arten und deren Verwandtschaftsverhältnissen zur heimischen und asiatischen Pillenkäferfauna suchen.»