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Tiere Tiere: Gorillas sind Botschafter einer bedrohten Welt

Von Roland Böhm 30.12.2008, 16:27

Stuttgart/dpa. - Um auf die Gefährdung der Menschenaffen aufmerksam zu machen, erklärten die Vereinten Nationen 2009 zum Jahr des Gorillas. Für die Stuttgarter Wilhelma brechen daher ganz besondere Monate an: Schließlich wurden hier schon etliche Gorillababys gerettet, in der einzigen europäischen Menschenaffen-Aufzuchtstation.

Seit den 80er Jahren kommen Gorillababys, die in anderen Zoos von ihren Müttern nicht angenommen oder ungenügend versorgt werden, ins Schwäbische. Hier werden sie von Hand aufgezogen und leben wie in einem Kindergarten von Anfang an mit Artgenossen zusammen. So wie 2007 «Mary Zwo» aus dem Allwetterzoo Münster, die bundesweit bekannt wurde. Unterkühlt, unterzuckert und ausgetrocknet wurde sie erst auf der Kinderintensivstation einer Uniklinik gerettet, um dann in Stuttgart liebevoll aufgepeppelt zu werden.

Begonnen hat alles mit der Initiative der Tierpflegerin Gundi Scharpf, die in den 70er Jahren verstoßene Menschenaffenkinder - neben Gorillas auch Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans - aus der Wilhelma neben ihren eigenen Töchtern in ihrer Wohnung aufzog. Als das Chaos zu groß wurde, spendete der Verein der Freunde und Förderer der Wilhelma die Mittel für eine eigene Station. «Upala» aus Heidelberg ist derzeit der 57. Gorilla, der seit der Gründung der Station im Stuttgarter Zoo aufgezogen wird. «Wir haben hier noch keinen verloren», berichtet Marianne Holtkötter, Vize-Direktorin der Wilhelma. «Upalas» Vorgänger wurden auf Tiergärten in ganz Europa verteilt.

«Früher hieß es, Handaufzuchten wären nicht mehr sozialisierbar und für die Zucht für immer verloren - das hat unsere Arbeit aber eindeutig widerlegt», berichtet Holtkötter. Die Primatologin hält - so gut es geht - den Kontakt zu allen Ehemaligen aus dem Gorilla-Kindergarten. Es sei stets ein schmaler Grat, auf dem sich die Pfleger bewegen: Schließlich dürften sich die kleinen Affen nicht zu sehr an Menschen gewöhnen - sonst verlören sie den Kontakt zur eigenen Art.

Die Erziehung läuft im Wesentlichen über Blicke und Gesten sowie über den Tonfall. Das psychosoziale Verhalten kleiner Menschenaffen ist dem von Menschenkindern sehr ähnlich. Deshalb ist auch das Aufwachsen mit anderen Affenkindern sehr wichtig. «Sie müssen selbstbewusst genug sein, um sich später in eine Familie zu integrieren.» Wichtig sei, dass sie möglichst früh «das ganz normale Familienleben sehen und erleben». Noch besser soll das im neuen Affenhaus möglich sein, das die Wilhelma für 16 Millionen Euro baut.

In ihrer Heimat stehen Gorillas hoch im Kurs: Über dem Feuer kurz angegrillt, damit ihr Fleisch länger haltbar bleibt, werden sie auf den Märkten zu guten Preisen gehandelt. In vielen Regionen Afrikas ernähren sich die Menschen hauptsächlich vom Fleisch wilder Tiere, sogenanntem Buschfleisch. Auch die Zerstörung ihrer Lebensräume haben die Tiere inzwischen an den Rand des Aussterbens gebracht. Drei der vier Gorilla-Unterarten stehen in der höchsten Gefährdungsstufe auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN, die vierte auf der zweithöchsten.

Nur noch 700 beziehungsweise 300 Individuen existieren nach Angaben des UN-Umweltprogramms UNEP vom Berggorilla (Gorilla beringei beringei) und dem Cross-River-Gorilla (Gorilla gorilla diehli). Der Bestand des östlichen Flachlandgorillas (Gorilla beringei graueri) sei in den vergangenen zehn Jahren von 17 000 auf 5 000 Tiere geschrumpft. Und obwohl es noch mehr als 200 000 Exemplare des westlichen Flachlandgorillas (Gorilla gorilla gorilla) gibt, gilt auch diese in der Wilhelma gehaltene Unterart als akut vom Aussterben bedroht - weil ihr Lebensraum so rasant zerstört wird. Auch darauf will der Stuttgarter Zoo im neuen Jahr mit Infoständen und Führungen ganz besonders aufmerksam machen.