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Stephanie-Prozess Stephanie-Prozess: Mario M. lässt sich nicht übereden

08.11.2006, 10:30
Ob hier gutes Zureden hilft? «Wir wollen den Mann wohlbehalten vom Dach bekommen, damit der Prozess gegen ihn am Donnerstag wie geplant fortgesetzt werden kann», sagte Polizeisprecher Thomas Herbst. (Foto: dpa)
Ob hier gutes Zureden hilft? «Wir wollen den Mann wohlbehalten vom Dach bekommen, damit der Prozess gegen ihn am Donnerstag wie geplant fortgesetzt werden kann», sagte Polizeisprecher Thomas Herbst. (Foto: dpa) dpa

Dresden/dpa. - Der angeklagte Sexualtäter war am Mittwochmorgen bei einem Hofgang seinen Bewachern entwischt und auf ein Dach der DresdnerJustizvollzugsanstalt geklettert. Er stellte sich dabei immer wieder provozierend zur Schau. Von einem Zugriff sah die Polizeizunächst ab, weil sich Mario M. immer wieder am Rand des Dachesaufhielt. Der Prozess um die Geiselnahme und Vergewaltigung der heute 14-jährigen Stephanie soll am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt werden.

Die spektakuläre Kletteraktion ereignete sich um 7.24 Uhr, alssich der Mario M. mit zwei Mitgefangenen auf dem Gefängnishofaufhielt. Zwei Bewacher konnten nicht verhindern, dass erblitzschnell über einen Mauervorsprung und Fenstergitter an derAußenmauer auf das etwa neun Meter hohe Gebäude kletterte.Psychologen versuchten bis zum Einbruch der Dunkelheit von einerHebebühne aus, mit dem 36 Jahre alten Mann ins Gespräch zu kommen.Danach wurden die Psychologen zunächst abgezogen. Sie nahmen späterper Megaphon wieder Kontakt zu dem Mann auf.

«Wir wollen den Mann wohlbehalten vom Dach bekommen, damit derProzess gegen ihn am Donnerstag wie geplant fortgesetzt werden kann»,sagte Polizeisprecher Thomas Herbst mehrfach. In die Gespräche mitdem arbeitslosen Monteur war dessen Verteidiger eingebunden. Zu denMotiven der Aktion wurde zunächst nichts bekannt. Von einerFluchtabsicht des Angeklagten ging die Justiz nicht aus, da dasGebäude etwa 15 Meter von der Außenmauer der JVA entfernt ist. MarioM. hatte früher angekündigt, dass er ausbrechen und Stephanieverfolgen werde.

Der Vater von Stephanie war außer sich und sagte, ein Erscheinenseiner Familie vor Gericht an diesem Donnerstag sei nun undenkbar.«Ich will erstens nicht, dass meine Tochter den totalen Rückschlagkriegt. Und zum Zweiten: Die Tochter braucht nicht mehr auszusagen.Dazu braucht sie nichts mehr zu sagen. Das langt, was hier abläuft.»Stephanie war ursprünglich auf eigenen Wunsch als Zeugin zum zweitenProzesstag am Donnerstag geladen worden. Die Nebenklage sprach voneiner unfassbaren Justizpanne.

Mario M. verfüge über ein Gewalt- und Täuschungspotenzialohnegleichen, sagte Opferanwalt Thomas Kämmer, der die Nebenklagevertritt. Er wolle die Fraktionen in Sachsens Landtag dazu bewegen,einen Untersuchungsausschuss zum Fall Stephanie einzusetzen. Dennbereits bei der Suche nach dem entführten Mädchen Anfang des Jahreshatte es bei der sächsischen Polizei Ermittlungspannen gegeben.

Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) räumte eine Pannebei der Justiz ein. «Für Schuldzuweisungen ist es aber noch zu früh»,sagte er bei einem Besuch des Gefängnisses. Er nannte die Situationsehr belastend, «vor allem auch für Stephanie». Die Schülerin müsseden Eindruck haben, ihr Peiniger sei ausgebrochen. Mackenrothversicherte, dass die Sicherheit von Stephanie trotz des Vorfallesnicht gefährdet sei.

Nach Angaben des Gefängnis-Leiters Ulrich Schwarzer gilt Mario M.nicht als außergewöhnlich fluchtgefährdet. Er war in einemSondertrakt in einer Einzelzelle untergebracht und hatte kaum Kontaktzu anderen Häftlingen. Außerhalb des Haftraumes sei der 36-Jährigeimmer von zwei Wachleuten begleitet worden.

Mario M. muss sich seit Montag wegen Vergewaltigung, Geiselnahme,Kinderpornografie und anderer Straftaten verantworten. Er hatte zuVerhandlungsbeginn gestanden, die damals 13 Jahre alte SchülerinAnfang des Jahres entführt und wochenlang sexuell misshandelt zuhaben. Zum Prozessauftakt am Montag hatte Mario M. bei Verlesung derAnklage für Aufregung gesorgt, weil er von der Anklagebankaufgesprungen und nur von mehreren Beamten zu bändigen war.

Häftling Mario M. spricht auf dem Dach der JVA Dresden mit den auf einer Hebebühne stehenden Verhandlungsführern. Der Angeklagte war um 7.24 Uhr auf das Dach des Gefängnisses geklettert. (Foto: dpa)
Häftling Mario M. spricht auf dem Dach der JVA Dresden mit den auf einer Hebebühne stehenden Verhandlungsführern. Der Angeklagte war um 7.24 Uhr auf das Dach des Gefängnisses geklettert. (Foto: dpa)
dpa-Zentralbild