Spanien Spanien: «Prestige».Katastrophe ist immer noch nicht bewältig

Madrid/dpa. - Ein letztes Mal bäumte der Tanker sich wie ein tödlich verletztes Ungeheuer auf. Das Heck der «Prestige» erhob sichaus den Fluten, dann zerbrach das Schiff in zwei Teile und versank mit seiner giftigen Fracht vor der Nordwestküste Spaniens im Atlantik. Der Untergang des mit 77 000 Tonnen Schweröl beladenen Tankers am 19. November 2002 löste die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Spaniens aus. Strände von Portugal bis Südwestfrankreich wurden verseucht, mehr als 250 000 Seevögel verendeten - das größte Vogelsterben in der europäischen Geschichte.
Zwei Jahre später scheint das Schlimmste überstanden zu sein. Anden Badestränden in Nordspanien glitzert der weiße Sand wieder in der Sonne. Bei der Suche nach den Schuldigen gibt es dagegen kaum Fortschritte. Die Justiz scheint dem Geflecht von Reedern, Ölfirmen, Subunternehmen und Versicherungen machtlos gegenüber zu stehen.
Die 26 Jahre alte «Prestige» gehörte einer Firma in Liberia, siefuhr für eine griechische Reederei unter der Flagge der Bahamas, sie hatte einen griechischen Kapitän und eine rumänisch-philippinische Besatzung, und sie transportierte Öl für einen russischen Konzern mit Sitz in der Schweiz. Durch dieses juristische Dickicht wühlen sich nun die Richter in dem spanischen Städtchen Corcubión. Das Gericht in dem 2000-Seelen-Ort scheint völlig überfordert zu sein. Normalerweise befasst es sich mit Erbstreitigkeiten oder Scheidungsfällen.
Die Richter machten fünf «Verdächtige» ausfindig: den KapitänApostolos Mangouras, den ersten Offizier und den Maschinisten desTankers, einen Manager der Reederei und den damaligen Chef derHafenbehörde. Der Kapitän durfte Spanien bis heute nicht verlassen.Der 69-Jährige leidet nach Angaben seines Anwalts unter Depressionen.Er hofft darauf, zu Weihnachten zu seiner Familie nach Griechenlandzurückkehren zu dürfen.
Neben dem Verfahren in Spanien gibt es noch ein zweites in denUSA. Dort hat der spanische Staat das American Bureau of Shipping(Amerikanisches Schifffahrtsbüro/ABS) verklagt, das der «Prestige»die Seetauglichkeit bescheinigt hatte. Spanien will vom ABS diegesamten Kosten in Höhe von einer Milliarde Euro erstattet bekommen,die die Katastrophe verursacht hatte.
Gegen Mitglieder der damaligen spanischen Regierung wird nichtermittelt. Diese hatte damals die Anweisung gegeben, denleckgeschlagenen Tanker aufs offene Meer hinausschleppen zu lassen.Sie begründete dies damit, dass sie die Küsten schützen wollte,musste sich aber vorwerfen lassen, das Ausmaß derKatastrophe noch vergrößert zu haben.
Während die Ermittlungen der Justiz im Schneckentempovorankommen, erzielten die Spanier bei der Behebung der Umweltschädengroße Fortschritte. Im Meer und an den verseuchten Stränden wurdenüber 100 000 Tonnen Ölreste - vermischt mit Wasser, Sand und Algen -eingesammelt. An Felsküsten rückte man der «schwarzen Pest» mit Ölfressenden Bakterien zu Leibe.
Allerdings werden auch heute noch Ölklumpen an Land geschwemmt.Noch immer sind 300 Leute im Einsatz, um Strände zu säubern. Tausendevon Tonnen Schweröl lagern auf dem Meeresgrund, oft von einerSandschicht bedeckt. Die Auswirkungen auf das Ökosystem und denFischfang ist selbst Experten ein Rätsel.