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Sex-Videos im Web Sex-Videos im Web: Staatsanwaltschaft Köln prüft Redtube-Abmahnungen

17.12.2013, 15:24
Zehntausende sollen online urheberrechtlich geschützte Pornos aufgerufen haben und erhalten Post vom Anwalt. Die Rechtslage ist kompliziert.
Zehntausende sollen online urheberrechtlich geschützte Pornos aufgerufen haben und erhalten Post vom Anwalt. Die Rechtslage ist kompliziert. dpa

Kölnd/dpa - Im Skandal um Massenabmahnungen wegen des Abrufs von Sexvideos im Web prüft die Staatsanwaltschaft Köln die Einleitung von Ermittlungen. Zurzeit untersuche man, ob ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen falscher Versicherung an Eidesstatt gegenüber dem Landgericht Köln einzuleiten sei, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Dienstag der dpa in Köln. Es gehe dabei darum, ob jemand gegenüber dem Landgericht Köln falsche Angaben gemacht habe, um an Nutzerdaten heranzukommen.

Von der Abmahnungswelle sind in Deutschland mehrere zehntausend Internetnutzer betroffen. Sie waren belangt worden, weil sie angeblich urheberrechtlich geschützte Sexfilme auf der Seite Redtube.com abgerufen hatten. Sie wurden aufgefordert, 250 Euro zu bezahlen und schriftlich zu versichern, das Vergehen nicht noch einmal zu begehen.

Wurde das Landgericht hinters Licht geführt?

Die Abmahnungen sind in mehreren Punkten umstritten. Zum einen bezweifeln Experten, dass das Abrufen von Videostreams überhaupt gegen das Urheberrecht verstößt. Außerdem sei die Webseite nicht eindeutig als illegal zu erkennen. Zum anderen geht es um die Frage, ob das Landgericht Köln bei der Herausgabe der Anschlussdaten hinters Licht geführt wurde. Die Anträge hätten nicht deutlich gemacht, dass es um Internet-Streaming und nicht um illegale Tauschbörsen gehe, sagen Anwälte, die abgemahnte Anwender vertreten. Die Kanzlei hat dieser Einschätzung widersprochen.

Die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen hat mehr als 10 000 Internetnutzer per Brief abgemahnt. Ihnen wird vorgeworfen, in diesem August von dem Erotik-Portal redtube.com urheberrechtlich geschützte Filme illegal heruntergeladen zu haben. Die Abmahnungen werden im Auftrag von The Archive AG verschickt, einer Firma mit Sitz in der Schweiz. Sie hält die Rechte an verschiedenen Sexstreifen. Die Abgemahnten sollen 250 Euro zahlen und eine Unterlassungserklärung unterschreiben.

Bei redtube.com handelt es sich um ein Streaming-Portal. Die Filme werden anders als bei Tauschbörsen nicht heruntergeladen und damit gleichzeitig auch anderen Nutzern zur Verfügung gestellt - das wäre illegal. Bei der auf redtube.com verwendeten Methode werden die Filme jedoch nur kurz auf dem Computer zwischengespeichert, um das Anschauen zu ermöglichen. Ob auch das eine Urheberrechtsverletzung darstellt, ist unter Juristen umstritten. Unter anderem wird argumentiert, dass die kurzzeitige Speicherung auf der Festplatte durch das im Urheberrecht formulierte „Recht auf Privatkopie“ gedeckt ist. Das gilt aber nicht, wenn der Film offensichtlich illegal zum Anschauen bereitgestellt wurde.

Auf den Porno-Portalen stehen in der Regel frei kopierbare Filmchen von Amateuren oder Ausschnitte professioneller Streifen, die zu Werbezwecken dort verbreitet werden. Auf seiner Internet-Seite erklärt zudem redtube.com selbst, auf Urheberrechtsverletzungen sofort zu reagieren. Die Nutzer dort können also davon ausgehen, dass die Urheberrechte beachtet werden. In Kombination mit dem Recht auf Privatkopie haben sie daher offenbar nichts illegales getan.

Um einen Nutzer zu identifizieren, braucht man die IP-Adresse - quasi die Anschrift des Computers im Internet. Bekannt ist die IP-Adresse eigentlich nur dem Betreiber des Sex-Portals, weil jeder Zugriff auf die Seite protokolliert wird. In diesem Fall ist aber nach den Angaben der Abmahnanwälte eine Überwachungssoftware eingesetzt worden. Die Anwälte legten die IP-Adressen beim Landgericht Köln vor und beantragten, dass die Deutsche Telekom Namen und Adressen der Nutzer herausgeben muss. 62 Anträge mit je bis zu 1 000 IP-Adressen wurden bewilligt, nur einige abgelehnt. Die Gründe sind unklar. Die Nutzung der Überwachungssoftware könnte nach Ansicht von Datenschützern gegen geltende Datenschutzgesetze verstoßen haben.

Mehrere Anwälte, die Abgemahnte verteidigen, haben den Verdacht geäußert, das Gericht habe sich täuschen lassen. So sei die Mehrheit der Kammern offenbar davon ausgegangen, es handele sich bei redtube.com um eine illegale Tauschbörse. In einem Antrag eines Abmahnanwalts ist vom „unbefugten Herunterladen“ die Rede. Dass es sich lediglich um das Streamen von Filmen handelte, ist aus den Anträgen nicht zu erkennen.

Verbraucherschützer warnen wegen der unklaren Rechtslage davor, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben und das geforderte Geld zu zahlen. Denn das käme einem Schuldeingeständnis gleich. Ohnehin halten Anwälte die geforderte Unterlassungserklärung für zu weitgehend. Sie warnen aber auch davor, das Schreiben zu ignorieren. Die Betroffenen sollten einen Anwalt konsultieren. Eine mögliche Reaktion wäre, eine von einem Fachanwalt formulierte Unterlassungserklärung abzugeben. Bei Abmahnungen per E-Mail handelt es sich um Fälschungen. Sie sollten gelöscht werden, da im Anhang vielleicht ein Virus steckt.

Weiterhin unklar ist, wie der Rechteinhaber oder die Anwaltskanzlei überhaupt an die Internet-Adressen der abgemahnten Nutzer gekommen ist. Experten schließen nicht aus, dass es sich dabei um Computerbetrug handeln könnte.

Bremer betonte, dass die Staatsanwaltschaft nicht prüfe, ob die Anwender betrogen worden seien. Es gehe nur um die Versicherungen gegenüber dem Landgericht. Die Prüfung erfolge aufgrund der Medienberichte der vergangenen Woche.