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Sex-Videos im Web Sex-Videos im Web: Keine Urheberrechts-Verletzung beim Streaming

19.12.2013, 12:43

Berlin/dpa - Im Fall der jüngsten Abmahnwelle gegen Zuschauer von Porno-Clips im Internet handelt es sich nach Auffassung eines Medienrechtsexperten nicht um eine Urheberrechtsverletzung durch die Nutzer. Anders als beim Download oder dem File-Sharing werden beim Streaming für die flüssige Wiedergabe teils temporär Daten zwischengespeichert. Es komme aber darauf an, „was der Durchschnittsnutzer dauerhaft an Kopie herausziehen kann“, sagte Gerald Spindler, Medienrechtsprofessor in Göttingen dem Blog „iRights“.

Die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen hat mehr als 10 000 Internetnutzer per Brief abgemahnt. Ihnen wird vorgeworfen, in diesem August von dem Erotik-Portal redtube.com urheberrechtlich geschützte Filme illegal heruntergeladen zu haben. Die Abmahnungen werden im Auftrag von The Archive AG verschickt, einer Firma mit Sitz in der Schweiz. Sie hält die Rechte an verschiedenen Sexstreifen. Die Abgemahnten sollen 250 Euro zahlen und eine Unterlassungserklärung unterschreiben.

Bei redtube.com handelt es sich um ein Streaming-Portal. Die Filme werden anders als bei Tauschbörsen nicht heruntergeladen und damit gleichzeitig auch anderen Nutzern zur Verfügung gestellt - das wäre illegal. Bei der auf redtube.com verwendeten Methode werden die Filme jedoch nur kurz auf dem Computer zwischengespeichert, um das Anschauen zu ermöglichen. Ob auch das eine Urheberrechtsverletzung darstellt, ist unter Juristen umstritten. Unter anderem wird argumentiert, dass die kurzzeitige Speicherung auf der Festplatte durch das im Urheberrecht formulierte „Recht auf Privatkopie“ gedeckt ist. Das gilt aber nicht, wenn der Film offensichtlich illegal zum Anschauen bereitgestellt wurde.

Auf den Porno-Portalen stehen in der Regel frei kopierbare Filmchen von Amateuren oder Ausschnitte professioneller Streifen, die zu Werbezwecken dort verbreitet werden. Auf seiner Internet-Seite erklärt zudem redtube.com selbst, auf Urheberrechtsverletzungen sofort zu reagieren. Die Nutzer dort können also davon ausgehen, dass die Urheberrechte beachtet werden. In Kombination mit dem Recht auf Privatkopie haben sie daher offenbar nichts illegales getan.

Um einen Nutzer zu identifizieren, braucht man die IP-Adresse - quasi die Anschrift des Computers im Internet. Bekannt ist die IP-Adresse eigentlich nur dem Betreiber des Sex-Portals, weil jeder Zugriff auf die Seite protokolliert wird. In diesem Fall ist aber nach den Angaben der Abmahnanwälte eine Überwachungssoftware eingesetzt worden. Die Anwälte legten die IP-Adressen beim Landgericht Köln vor und beantragten, dass die Deutsche Telekom Namen und Adressen der Nutzer herausgeben muss. 62 Anträge mit je bis zu 1 000 IP-Adressen wurden bewilligt, nur einige abgelehnt. Die Gründe sind unklar. Die Nutzung der Überwachungssoftware könnte nach Ansicht von Datenschützern gegen geltende Datenschutzgesetze verstoßen haben.

Mehrere Anwälte, die Abgemahnte verteidigen, haben den Verdacht geäußert, das Gericht habe sich täuschen lassen. So sei die Mehrheit der Kammern offenbar davon ausgegangen, es handele sich bei redtube.com um eine illegale Tauschbörse. In einem Antrag eines Abmahnanwalts ist vom „unbefugten Herunterladen“ die Rede. Dass es sich lediglich um das Streamen von Filmen handelte, ist aus den Anträgen nicht zu erkennen.

Verbraucherschützer warnen wegen der unklaren Rechtslage davor, die Unterlassungserklärung zu unterschreiben und das geforderte Geld zu zahlen. Denn das käme einem Schuldeingeständnis gleich. Ohnehin halten Anwälte die geforderte Unterlassungserklärung für zu weitgehend. Sie warnen aber auch davor, das Schreiben zu ignorieren. Die Betroffenen sollten einen Anwalt konsultieren. Eine mögliche Reaktion wäre, eine von einem Fachanwalt formulierte Unterlassungserklärung abzugeben. Bei Abmahnungen per E-Mail handelt es sich um Fälschungen. Sie sollten gelöscht werden, da im Anhang vielleicht ein Virus steckt.

Es hänge davon ab, wie technisch man den Paragraf 44a des deutschen Urheberrechtsgesetzes verstehe, sagte Spindler. Wenn der normale Nutzer nicht in der Lage sei, die temporär gefertigten Kopien weiter zu verwenden, liege seines Erachtens kein Urheberrechtsverstoß vor. „Es bedürfte lediglich eines klärenden Urteils, wenn solche Rechtsunsicherheiten erzeugt werden“, sagte Spindler. Betroffene Verbraucher haben nach Einschätzung des Medienrechtlers gute Chancen, sich gegen die Abmahnung zur Wehr zu setzen, da „keinerlei Verletzungshandlung vorliegt“.

Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft Köln ein mögliches Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen falscher Versicherung an Eidesstatt. Dabei solle geprüft werden, ob jemand vor Gericht falsche Angaben gemacht habe.

Beim Antrag auf Herausgabe der Anschlussdaten könne das Landgericht Köln hinters Licht geführt worden sein. Es sei nicht deutlich gemacht worden, dass es sich um Streaming und nicht um File-Sharing illegaler Tauschbörsen handelte.