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Probleme an Schule Senatorin las Lehrerbrief über Mobbing zunächst nicht

Der Fall eines homosexuellen Lehrers, der Mobbing gegen sich beklagt, sorgt weiter für Diskussionsstoff. Nun sorgt der Umgang von Bildungssenatorin Günther-Wünsch mit einem Brief von ihm für Kritik.

Von dpa 12.06.2025, 16:12
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) wurde im Abgeordnetenhaus zur Carl-Bolle-Schule befragt.
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) wurde im Abgeordnetenhaus zur Carl-Bolle-Schule befragt. Annette Riedl/dpa

Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch hat eingeräumt, ein ausführliches Beschwerdeschreiben eines mutmaßlich gemobbten Lehrers zunächst nicht gelesen zu haben. Der Anwalt des Lehrers der Carl-Bolle-Grundschule hatte es im Dezember 2024 per Einschreiben mit Rückschein an die CDU-Politikerin gesendet, vorab auch an die allgemeine Mailadresse der Bildungsverwaltung. 

Das Schreiben sei an sie persönlich adressiert gewesen und im Dezember in ihrem Büro eingegangen, schilderte Günther-Wünsch auf Fragen von Abgeordneten im Landesparlament. Gelesen habe sie es indes erst nach der öffentlichen Berichterstattung über den Fall im Mai dieses Jahres. 

Brief weitergeleitet

Bei dem Schreiben habe es sich um eine Beschwerde der Lehrkraft, die sich diskriminiert fühlte, mit Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gehandelt. Nach Eingang in ihrem Büro sei es daher an die zuständige Stelle in der Bildungsverwaltung weitergeleitet worden. 

„Es gibt ganz klare Zuständigkeiten, die auch genau in diesem Gesetz hinterlegt sind. Der Beschwerdebrief ist genau an diese Zuständigkeit gegangen“, so Günther-Wünsch. „Innerhalb von vier Wochen hat der Beschwerdeführer auch eine Antwort erhalten, sodass von einem Systemversagen (...) zu keinem Zeitpunkt die Rede sein kann.“

Senatorin: Kann nicht jeden Brief lesen

Als „Person des öffentlichen Lebens“ könne sie nicht jeden an sie adressierten Brief lesen, erläuterte Günther-Wünsch. „Das Land Berlin hat knapp 50.000 pädagogische Beschäftigte. Es kommen nahezu wöchentlich Briefe in die Bildungsverwaltung, die persönlich adressiert sind. Das Ziel ist es, alle Briefe angemessen, das heißt, sowohl zeitlich wie inhaltlich und fachlich zu beantworten. Dieses wird zu jeder Zeit gewährleistet.“

Lehrer fühlt sich gemobbt und diskriminiert

Der fragliche Lehrer soll an der Carl-Bolle-Grundschule in Moabit nach eigenen Angaben von Schülern aus muslimischen Familien monatelang beschimpft, beleidigt und gemobbt worden sein - weil er schwul ist. Er beklagt außerdem Mobbing und falsche Vorwürfe durch eine Kollegin. 

Seit rund drei Monaten ist er krankgeschrieben und hatte seinen Fall in Medien publik gemacht. Er kritisierte Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung, die ihm nicht geholfen hätten, und sprach in dem Zusammenhang von einem „kompletten Systemversagen“. 

Günther-Wünsch hatte das in der Vorwoche zurückgewiesen und erklärt, der Fall sei komplexer und vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheine. Die zuständige Beschwerdestelle sei zu dem Schluss gekommen, dass bei dem Lehrer weder eine Benachteiligung wegen des Geschlechts noch wegen der sexuellen Identität vorgelegen habe.

Anwaltsschreiben hat neun Seiten

In dem nun in Rede stehenden neunseitigen Schreiben an die Senatorin vom Dezember, dass der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, schilderte sein Anwalt Vorkommnisse an der Schule. Er listet auf, was der Lehrer dagegen unternommen hat - und wie Schulleitung oder Schulaufsicht reagiert haben. Der Brief hat die Betreffzeile „Beschwerde nach § 13 AGG“. Allerdings hatte der Lehrer seine AGG-Beschwerde wegen Diskriminierung bereits im September 2024 eingereicht. Das wird auch im Text des neunseitigen Schreibens deutlich.

Grüner wundert sich

Der Grünen-Abgeordnete Daniel Wesener, der selbst Finanzsenator war, sagte, Günther-Wünsch habe in dem persönlich an sie adressierten Brief „anscheinend maximal die Überschrift gelesen“. Dann habe sie den Brief „fälschlicherweise“ ausschließlich als AGG-Beschwerde eingestuft und ausgerechnet zur Bearbeitung an jenen Mitarbeiter weitergeleitet, dem in dem Brief Befangenheit im Fall des Lehrers vorgeworfen worden sei. „Sieht so Ihre Verantwortung und Fürsorgepflicht als Dienstherrin aus?“, fragte Wesener.