Schweiz Schweiz: Schnee am Matterhorn

Genf/Zermatt/dpa. - Die Matratzenlager und Zimmer der Matterhorn-Hütte bleiben in diesen Tagen weitgehend leer, kein Bergsteiger wagtden Aufstieg zum Gipfel des berühmtesten Berges der Schweiz. Der Wegist verschneit, die Gefahr des Abrutschens wäre zu groß. «Es hatSchnee am Berg, und es steigt niemand hinauf», sagt Hüttenwirt KurtLauber. Genau ein Jahr nach einem spektakulären Felssturz amMatterhorn, durch den dutzende Bergsteiger stundenlang festsaßen,schlägt das Wetter wieder einmal Kapriolen. Während im vergangenenJahr Mitte Juli sengende Hitze das ewige Eis schmelzen ließ undüberall in den Alpen für gefährlichen Steinschlag sorgte, ist esdieses Jahr deutlich zu kalt. Vielerorts präsentiert sich dasHochgebirge mitten im Sommer als Winterlandschaft - so auch derhöchste deutsche Gipfel: Auf der Zugspitze schneite es am Sonntagkräftig.
Am 4478 Meter hohen Matterhorn wollen die Bergführervoraussichtlich erst im Laufe dieser Woche zu den jährlichenRevisionsarbeiten an der Hörnli-Route zum Gipfel aufbrechen. «VomWetter her ging das bisher noch nicht», erläutert der Vorsitzende derBergführer von Zermatt, Miggi Biner. Manche Drahtseilsicherungenmüssen erneuert werden, außerdem wollen die Bergführer loses Gesteinvor allem im Gipfelbereich entfernen. «Das ist aber kein Aufräumen,wie manche sich das vorstellen - wir können die Gefahr nicht völligbeseitigen, in den Bergen wird es immer Steinschlag geben», warntBiner. Rund 150 Bergsteiger pro Tag wollen alljährlich in derHauptsaison auf das Horn. Das bröckelige Gestein wird besonders fürunerfahrene Bergsteiger zur Gefahr, wenn sie vom Weg abkommen. JedesJahr verlieren etwa zehn Menschen am Matterhorn ihr Leben.
2003 stürmten schon zu Saisonbeginn täglich Dutzende Bergsteigerden Berg - bis sich am 15. Juli in 3400 Metern Höhe an der Hauptrouteam Hörnli-Grat Hunderte von Kubikmetern Gesteinsmassen lösten und indie Tiefe stürzten. Etwa 80 Bergsteiger mussten mit Hubschraubern vomBerg geholt werden, der Aufstieg war mehrere Tage gesperrt. Die Null-Grad-Grenze stieg an vielen Tagen im Juli 2003 über 4400 Meter.Derzeit werden hingegen auf 2000 Metern fast noch Minusgradegemessen. Nach Angaben des Wetterdienstes Meteomedia war am Sonntagund Montag in den nördlichen Alpen Schnee bis auf 1700 Meter möglich.
Eine Entwarnung für die gefährdeten Gletscher bedeutet das kühleWetter dieses Sommers aber nicht. «Ein kalter Juni und erster TeilJuli machen noch keinen Klimawinter», sagt der Schweizer Gletscher-und Permafrostexperte Daniel Vonder Mühll. «Was letztes Jahrweggeschmolzen ist, ist unwiderruflich weg.»
Von 120 Schweizer Gletschern habe sich im vergangenen Jahr keineinziger mehr ausgedehnt, und auch in diesem Jahr sehe er dafür trotzbisher kühler Temperaturen kaum Chancen, sagt Vonder Mühll. «Wennüberhaupt, dann könnte es bei den kleinen Gletschern sein, dassder eine oder andere etwas zulegt - aber es ist eherunwahrscheinlich», sagt der Wissenschaftler von der UniversitätBasel. Die Klimaerwärmung sei eine langfristige Entwicklung, die nurdurch eine Verringerung der Treibhausgase gestoppt werden könne.
In den vergangenen 50 Jahren ist die Bodentemperatur laut VonderMühll bereits um etwa 0,5 Grad gestiegen. Damit verschiebt sich dieso genannte Permafrostzone, in der der Boden ständig gefroren bleibt,in immer größere Höhen. Wenn dieser Dauerfrost nachlässt, gerät derBerg ins Rutschen, kommt es vermehrt zu Steinschlag undMurenabgängen. Ein Felssturz wie im vergangenen Jahr am Matterhornist laut Vonder Mühll auch künftig möglich.
Dass das Horn - wie von manchen schon befürchtet - mit einemFelssturz seine markante Silhouette verlieren könnte, darum sorgtsich der Wissenschaftler allerdings nicht. «Das müsste schon einkatastrophales Ereignis sein, dass ein derart markanter Blockherunterkommt, so dass die Silhouette verändert würde», sagt VonderMühll. «Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.»