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Schweden Schweden: «Serienmörder» widerruft Geständnisse

Von Thomas Borchert 15.12.2008, 20:13
Thomas Quick (Archivbild vom 01.09.1994 in der Geschlossenen Psychiatrie in Säters). Der als achtfacher Mörder verurteilte Schwede Thomas Quick (58) hat sämtliche Geständnisse widerrufen und will neue Gerichtsverfahren erreichen. Experten vertraten am Montag (15.12.2008) in Stockholmer Medien die Meinung, der Prozess um die spektakulärste Mordserie in Schwedens Kriminalgeschichte müsse wahrscheinlich neu aufgerollt werden. Der als pädophil eingestufte Quick hat insgesamt 33 Morde gestanden, wurde aber nur für acht Fälle verurteilt. (FOTO: DPA)
Thomas Quick (Archivbild vom 01.09.1994 in der Geschlossenen Psychiatrie in Säters). Der als achtfacher Mörder verurteilte Schwede Thomas Quick (58) hat sämtliche Geständnisse widerrufen und will neue Gerichtsverfahren erreichen. Experten vertraten am Montag (15.12.2008) in Stockholmer Medien die Meinung, der Prozess um die spektakulärste Mordserie in Schwedens Kriminalgeschichte müsse wahrscheinlich neu aufgerollt werden. Der als pädophil eingestufte Quick hat insgesamt 33 Morde gestanden, wurde aber nur für acht Fälle verurteilt. (FOTO: DPA) dpa

Stockholm/dpa. - Am Montag kündigte QuicksAnwalt Thomas Olsson Antrag auf Wiederaufnahme von acht Mordverfahrenan, bei denen Geständnisse entscheidend für den Schuldspruch waren.

Quick, mit bürgerlichem Namen Sture Ragnar Bergwall, kam erstmalsals 18-Jähriger wegen sexuellen Missbrauchs von Jungen in einerKinderklinik in Haft. Nach dem zweiten Urteil wegen Raubüberfalls1990 begann er in einer psychiatrischen Anstalt plötzlich, allemöglichen unaufgeklärten Morde an Minderjährigen bis zurück ins Jahr1964 zu gestehen, als er selbst gerade mal 14 war.

Bis ins Jahr 2000 wurde Quick achtmal als Mörder verurteilt, stetsohne technische Beweise, in einem Fall sogar, ohne dass die Leichedes Opfers gefunden war. Der auf Lebenszeit in die geschlossenePsychiatrie eingewiesene Quick wollte weitere 25 Menschen ermordethaben. Diese Geständnisse blieben überwiegend wegen Verjährung ohneGerichtsverfahren. Die Mordurteile fielen stets auf Grundlageausführlicher Geständnisse. Quick erklärte, bei den Morden habe eineandere Persönlichkeit namens «Ellington» von ihm Besitz ergriffen.

Am Wochenende hat seine Aussagen samt und sonders widerrufen. «Ichhab' niemanden ermordet», sagte er im Fernsehen und warf Ermittlernwie Psychiatern vor, ihn immer und immer zu Geständnissen gedrängt zuhaben. Er nannte Beispiele, wie er sich als Freigänger durchZeitungsstudium in Büchereien Detailkenntnisse über Mordfällebeschafft habe und diese dann in Aussagen verwendete.

Seit langem gilt in Schweden als unstrittig, dass Quick notorischdie Unwahrheit sagt, um Aufmerksamkeit zu erwecken. Sofort nach demWiderruf seiner Geständnisse meldeten sich Eltern seiner angeblichenMordopfer und erklärten, sie hätten nie an die Geständnisse geglaubt.«Natürlich muss man auch stark daran zweifeln, ob er jetzt dieWahrheit sagt», meinte Krimi-Autor Jan Guillou. «Wenn aber doch, istdas der größte Rechtsskandal in Schwedens Geschichte.»

Andere Experten wiesen auf offensichtliche Ungereimtheitenzwischen Geständnissen und simplen Fakten über nachweislicheAufenthaltsorte Quicks hin. Weiter hieß es, der angeblicheMassenmörder habe bei Verhören unter starkem Einfluss vonPsychopharmaka gestanden und sei überdies parallel therapeutischbehandelt worden. Wonach dann Therapeuten ihr Wissen mit immer neuenMorddetails an die Fahnder weitergaben.

Auf schwedische Gerichte wartet eine Riesenaufgabe. DasErscheinungsbild von Quick als notorischem Lügner gilt nach wie vor.«Wir müssen gewaltige Analysearbeit leisten, ehe ein Punkt gesetztwerden kann», meint der Psychiater Ulf Åsgard.