Schönheitswettbewerb für Transgender Schönheitswettbewerb für Transgender: Israel wählt seine erste "Miss Trans"

Tel Aviv - Die blonde junge Frau sitzt aufrecht vor einem beleuchteten Spiegel in einem Ankleideraum in Israels Nationaltheater Habima. Ihre Körperhaltung verrät eine große Anspannung. Eine Visagistin klebt ihr künstliche Wimpern an und bringt diese mit einer Zange sorgfältig in Form. Mit ihren großen Augen und ihren vollen Lippen wirkt die 21-jährige Eileen Ben-Zaken sehr weiblich - aufgewachsen ist sie jedoch als Junge in einer ultra-orthodoxen Familie in Jerusalem. Heute ist sie eine von zwölf Finalistinnen des ersten Schönheitswettbewerbs für transsexuelle Frauen in Israel.
Jede der Frauen im Alter von 20 bis 30 hat einen steinigen Weg hinter sich. Die Einwohner des strengreligiösen Viertels in Jerusalem hätten sie „schräg angeschaut“, erzählt Ben-Zaken, die als Konditorin arbeitet. „Immer wieder wurde ich beschimpft. Irgendwann bin ich nach Tel Aviv geflüchtet.“ Sie habe nur noch mit ihrer Mutter Kontakt.
Von der Familie ausgestoßen
Im Nebenraum sitzt die 25-jährige Madeleine Matar, eine von zwei Araberinnen, die an dem Wettbewerb in Tel Aviv teilnehmen. Auch sie stammt aus einer religiösen Familie - allerdings einer muslimischen im arabischen Vorort Jaffo im Süden von Tel Aviv. Ihre Angehörigen haben auf ihre Geschlechtsumwandlung ähnlich ablehnend reagiert wie die strengreligiöse Familie der Jüdin Eileen.
„Mein Vater akzeptiert mich bis heute nicht so, wie ich bin“, sagt die Bauchtänzerin, die ihr Elternhaus vor acht Jahren verlassen hat. „Meine Mutter ist die Einzige, die noch mit mir spricht.“ Von dem Wettbewerb erhofft sie sich „mehr Sichtbarkeit und Anerkennung“ für Transgender-Frauen.
Als Galionsfigur der Trans-Bewegung in Israel gilt die Sängerin Dana International, die 1998 als erste Transsexuelle den Eurovision Song Contest gewann. Mit einem extravaganten bunten Federkleid und ihrem Lied „Diva“ eroberte sie damals die Herzen der Zuschauer.
Gewinnerin kann nach Barcelona
Nur eine der zwölf Kandidatinnen wird Israel im September beim „Miss Trans Star“-Wettbewerb in Barcelona vertreten. Aber für die 24-jährige Almog Jehuda sind bereits alle Siegerinnen. „Wir haben alle schon gewonnen, jede Einzelne auf ihre Weise. Der Sieg war nie das Ziel, sondern immer nur der Weg.“
Sie hat das große Glück, von ihrer Familie unterstützt zu werden. „Es war schon von Anfang an so klar, dass ich eigentlich eine Frau bin, es gab keine Überraschungen“, sagt sie mit einem kurzen Lachen.
Transsexuelle sind Menschen, die sich mit ihrem angeborenen oder bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht identifizieren und sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Der Gebrauch der Begriffe ist jedoch nicht immer einheitlich. Wer sich etwa als Transgender bezeichnet, will nicht unbedingt den eigenen Körper verändern.
Finalistin Taalin Abu Chana trägt ein rosafarbenes Spitzen-Oberteil, das ihre runden Brüste kaum verhüllt. Sie sei „stolz darauf, eine israelische Araberin zu sein“, sagt die Frau mit den dichten schwarzen Locken. „Heute kann ich in den Spiegel schauen und ich sehe eine glückliche Frau. Ich habe keine Angst mehr.“
Tel Aviv ist Hochburg der Szene im Nahen Osten
Der Wettbewerb dient als Auftakt für die diesjährigen Feiern für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle. Tel Aviv gilt als Hochburg der Szene im Nahen Osten. Das Motto lautet „Women for a Change“ (etwa: Frauen für Veränderung).
In der Jury des Schönheitswettbewerbs sitzt Efrat Tilma, die als Israels erste Transgender-Frau gilt. „Wir waren Anfang der 1960er Jahre vier Mädels, die den Prozess gemeinsam begonnen haben“, erzählt die 70-Jährige, deren Eltern aus Berlin stammten und das KZ Theresienstadt überlebt haben. Im jungen Staat Israel, der sich im harten Überlebenskampf befand, habe es kein Verständnis für Transgender gegeben. „Wir wurden von der Polizei verprügelt, wenn wir Frauenkleider getragen haben“, sagt Tilma.
Einfühlsam sei nur ihre Großmutter gewesen, die nach dem Krieg nach Berlin zurückgekehrt sei. Schließlich sei sie ganz zu ihr gezogen. „Sie sagte mir: Ich verstehe deine Gefühle, du bist und bleibst meine Enkelin.“
Ein „historischer Tag“ für Transgender-Frauen
Tilma hat sich der Operation zur Geschlechtsanpassung als 20-Jährige bei einem französischen Arzt in Casablanca (Marokko) unterzogen. „In Israel und in Deutschland war das damals noch illegal.“ Erst nach der Reformierung des Sexualstrafrechts unter dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt 1973 sei eine Befreiung zu spüren gewesen.
„Ich hatte im Leben drei große Träume, und alle sind in Erfüllung gegangen“, erzählt Tilma. „Ich wollte ganz Frau werden und alle notwendigen Operationen machen lassen, ich wollte Stewardess werden, und ich wollte einen Mann finden, der mich heiratet.“ Sie habe 23 Jahre lang in Deutschland für eine britische Fluggesellschaft gearbeitet, ohne ihr Geheimnis preiszugeben.
Ihrem deutschen Mann habe sie sich erst drei Monate nach dem Kennenlernen geöffnet. „Ich hatte das Gefühl, dass ich diese Rolle nicht mehr spielen kann, ich muss ihm meine Vergangenheit offenlegen. Er hat gesagt: Na und? Ich kenne dich heute, für mich bist du eine schöne, intelligente Frau, und ich liebe dich.“ Nach 22 Jahren glücklicher Ehe starb ihr Mann, und sie kehrte nach Israel zurück.
Der Schönheitswettbewerb für Transgender-Frauen ist für Tilma ein „historischer Tag“. Ziel sei es, mehr Verständnis für transsexuelle Frauen zu schaffen. Schönheit sei vergänglich, daher sehe sie den Wettbewerb nur als Sprungbrett für ernstere Erfolge. „Ich wünsche mir, dass sie im Leben vorankommen, dass sie etwas studieren, dass aus ihnen etwas wird.“ (dpa)