Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein: Verbrecher steht wegen Mord an Doppelgänger vor Gericht

Lübeck/dpa. - Bogner habe die Identität des Mannes, der ihm verblüffend ähnlich sieht, annehmen wollen, um unbehelligt ein Leben in Freiheit zu führen.
Diese Absicht bestritt der Angeklagte am ersten Verhandlungstagvehement und präsentierte eine völlig andere Version: Mit dem 45-jährigen Danielsen habe ihn seit Jahren eine platonische Liebeverbunden. Als der «Freund» in einem Wald bei Lübberstedt(Niedersachsen) Sex von ihm verlangt habe, habe er ihn in einerpanischen Kurzschlussreaktion getötet. «Aus meinem gewaltfreienWesen heraus kann ich mir nicht erklären, wie mein Freund durch meinZutun zu Tode gekommen sein könnte», ließ Bogner in einer rund 30Seiten langen Erklärung über seinen Anwalt verlautbaren. «Es ist fürmich nicht nachzuvollziehen, warum ich in der Öffentlichkeit alseiner der gefährlichsten Verbrecher Deutschlands wahrgenommenwerde.»
Der gebürtige Westfale, der mit Unterbrechungen fast 30 Jahrehinter Gittern verbrachte, war bereits 1995 mit dem Verschwindenseines Freundes Thomas Ranke aus der Nähe von Lüneburg in Verbindunggebracht und angeklagt worden. Damals war er mit Papieren desVermissten aufgetaucht. Da ihm die Tat nicht nachgewiesen werdenkonnte, wurde er 2002 vom Mordvorwurf freigesprochen, jedoch wegeneines Bankraubs zu zehneinhalb Jahren Haft mit anschließenderSicherungsverwahrung verurteilt. Rankes Leiche wurde nie gefunden.
Staatsanwalt Markus Wendt stufte Bogners Darstellung desTatherganges als unglaubwürdig ein. Nach Erkenntnissen derStaatsanwaltschaft hatte Bogner als angeblicher Arbeitsvermittlerdem erwerbslosen Danielsen aus Eutin (Schleswig-Holstein) eineStellung in Süddeutschland in Aussicht gestellt. Auf diese Weisehabe er ihm aus dem Gefängnis Details zu seinen Lebensumständenentlockt. Den Kontakt zu Danielsen soll Bogners Bruder hergestellthaben. Der Kraftfahrer sitzt mit auf der Anklagebank. Ihm wirft dieStaatsanwaltschaft Beihilfe zum Mord und Gefangenenbefreiung vor. Ersoll das Fluchtauto beschafft und die Zweitschlüssel für den für denAusbruch benutzten Gabelstapler ins Gefängnis geschmuggelt haben.
Der Bruder sagte vor Gericht, Bogner habe die Flucht aus demGefängnis seit langem vorbereitet. Auch das Problem einer neuenIdentität habe er immer wieder angesprochen. Schließlich habe er ihnauf Danielsen, Nachbar eines Freundes in Eutin, aufmerksam gemacht.«Er sah ihm ähnlich und es musste ja auch irgendwie passen», sagteder 47-Jährige. Die Telefonnummer Danielsens habe Bogner selbst mitHilfe des Computers in seiner Zelle ausfindig gemacht. An denredlichen Absichten seines Bruders habe er nicht gezweifelt, sagteder Kraftfahrer weiter. «Ich habe geglaubt, er wollte ihm wirklichArbeit besorgen und nur seinen Ausweis haben. Von Mord habe ichnichts geahnt», beteuerte er.
Bogner sind schon zahlreiche Fluchten aus Gefängnissen,Haftkrankenhäusern und auch aus einem Gerichtssaal gelungen. Fünfbewaffnete Justizbeamte einer Spezialeinheit und eine Reihe vonPolizisten in Zivil bewachten die Angeklagten. Den Gerichtssaalbetrat Bogner an Händen und Füßen gefesselt, nur die Handfesselnwurden während der Verhandlung gelöst.
Ein Mord wegen Identitätsraubs wäre in Deutschland kein Novum.Das Landgericht Stuttgart verurteilte im November 2000 eine 35-Jährige für den «Altdorfer Axtmord» zu lebenslanger Haft. Motiv lautUrteil: Die Identität des gleichaltrigen Opfers anzunehmen.