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Samuel L. Jackson Samuel L. Jackson: Keine Lust zum Streiten

25.01.2013, 18:53

Halle (Saale)/MZ. - Jackson (64) unterstützte Obama in beiden Wahlkämpfen mit vielen öffentlichen Auftritten, auch gegen Diskriminierung und für soziale Zwecke zeigt er Gesicht. Im Kino gefällt er sich dagegen in der Rolle des Unsympathen; der fiese Sklave Stephen in Quentin Tarantinos neuem Western "Django Unchained" gerät ihm zur Paraderolle. Mit Samuel L. Jackson sprachen Steven Geyer und Martin Scholz.

Mr. Jackson, kennen Sie Pippi Langstrumpf?

Jackson: Klar kenne ich ihre Geschichten, wieso fragen Sie?

Als das Kinderbuch 1945 erstmals erschien, hatte Astrid Lindgren darin noch das Wort "Neger" benutzt. Die deutsche Familienministerin Kristina Schröder liest ihrer kleinen Tochter aus dem Buch Begriffe wie "Neger-König" oder "Neger-Königreich" nicht mehr vor.

Jackson: Und warum macht sie sowas?

Sie sagte, auch ohne die böse Absicht der Autorin können Wörter Schaden anrichten. Sie finde es verletzend, das Wort "Neger" zu benutzen und möchte nicht, dass ihre Tochter mit so einer Weltsicht aufwächst.

Jackson: Verstehe. Aber das würde ja auch bedeuten, dass ihre Tochter aufwächst, ohne zu erfahren, dass auch Neger Königreiche haben können, oder?

Bei Pippi Langstrumpf ist die Sache noch komplizierter, weil der "Neger-König" ja Pippis Vater Efraim ist, also ein Weißer.

Jackson: Okay, aber das Wort an sich besagt ja ganz klar, dass Neger auch Königreiche hatten, nicht wahr? Jetzt würde mich aber wirklich brennend interessieren, mit welchem Wort Ihre Familienministerin den "Neger-König" ersetzt.

Sie liest stattdessen "Südsee-König", in anderen Kinderbüchern wie "Jim Knopf" ersetzt sie "Neger-Baby" durch "ein Kind mit schwarzer Hautfarbe".

Jackson: Sie könnte auch von einem afrikanischen oder nubischen König sprechen, am Ende wissen doch alle, was gemeint ist. Im Englischen ist "Negro" an sich noch kein schlechtes Wort. Es bezeichnet eine Rasse.

Haben Sie Ihrer Tochter, als sie klein war, je aus den Abenteuern von "Tom Sawyer und Huckleberry Finn" vorgelesen?

Jackson: Nein.

Wenn Sie es gemacht hätten, hätten Sie ……das N-Wort, den "Nigger-Jim" ausgelassen?

Jackson: Nein. Das hätte ich nicht gemacht. Meine Tochter hat das Wort "Nigger", als sie aufwuchs, oft gehört. Sie hörte es sogar bei uns zu Hause.

Der schwarze Harvard-Professor Randall Kennedy hat darüber einen US-Bestseller geschrieben: "Nigger - die seltsame Karriere eines ärgerlichen Wortes". Er schreibt darin, viele Schwarze würden "Nigger" als Kosewort benutzen, mit Ironie und im Bewusstsein seiner rassistischen Herkunft. Sie wollen den Rassisten keinen Fußbreit überlassen, nicht mal ihr Lieblingswort.

Jackson: Es ist nicht so, dass ich das Wort nie aussprechen würde. Ich sage "Nigger" - und meine Tochter hat es gehört.

In dem neuen Quentin-Tarantino-Film "Django Unchained" kommt das N-Wort mehr als 100-Mal vor - was in den USA heftige Kritik nach sich zog - unter anderem von Ihrem frühen Förderer Spike Lee. Wie stehen Sie dazu?

Jackson: Ich finde diese Diskussion überflüssig. Kein Wort ist per se ein Tabu-Wort. In der Zeit der Sklaverei, die in dem Film beschrieben wird, wurde nun mal auf diese Weise über Schwarze gesprochen. Wenn du diese Zeit authentisch darstellen willst, aber gerade dieses Wort meidest, ist das unehrlich.

Quentin Tarantino hat darüber geklagt, dass es in den USA bis auf wenige Ausnahmen kaum Filme gibt, die sich mit der Sklaverei beschäftigen. Er führte das darauf zurück, dass sowohl weiße wie auch schwarze Amerikaner Angst davor hätten, sich mit diesem Teil ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Können Sie das erklären?

Jackson: Das ist in der Tat seltsam. Die Sklaverei ist Teil der US-amerikanischen Geschichte, aber bis heute tun immer noch alle so, als wären diese Gräuel nicht passiert. Die Sklaven waren für Hollywood deshalb nicht interessant, weil sie sich nicht wehrten und von den Weißen einfach getötet wurden. Sie hatten keine Gewehre, keinen Pfeil und Bogen, keine Tomahawk, keine Speere. Es gab keinen Aufstand der Sklaven. Es gab nur die Weißen, die die Schwarzen als Arbeitssklaven missbrauchten und sie nach Belieben umbrachten. Die Sklaven ließen sich ausbeuten, weil sie eingeschüchtert und traumatisiert waren, weil sie Angst hatten.

Mitte der 70er Jahre wurde die Verfilmung von Alex Haileys Roman "Roots", der die Ursprünge und Folgen der Sklaverei thematisierte, ein Welt-Erfolg. Dennoch wurde das Thema von Film-Produzenten weiterhin gemieden - auch von schwarzen. Woran lag das?

Jackson: Vielen Schwarzen in Amerika fällt es heute noch schwer, sich diesen Teil ihrer Geschichte zu vergegenwärtigen. Sie empfinden Scham, weil es schwer zu akzeptieren ist, dass sich ihre Vorfahren gefangen halten ließen, dass sie schwach waren, dass sie sich nicht gewehrt haben. Die Amerikaner wollen nicht damit konfrontiert werden, also flüchten sie vor diesem Teil ihrer Geschichte.

Mit "Django Unchained" inszeniert Tarantino eine historische Fiktion, in der das Opfer aufbegehrt. Hat sich an dieser kühnen Geschichtsklitterung in Ihrer Heimat eine Debatte entzündet?

Jackson: Nicht, dass ich wüsste. Quentin macht Pop-Kultur-Filme, die man bei uns nicht so ernst nimmt. Auch deshalb hat sich ein großer Teil der öffentlichen Wahrnehmung darauf konzentriert, wie oft der Begriff "Nigger" in dem Film vorkommt, oder wie brutal der Film, wie viel Blut zu sehen ist.

Ich sehe das so: Ein Film sollte zuerst einmal unterhaltsam sein. Und Quentin macht Unterhaltung. Wenn du dann auch noch was lernst - großartig. Wenn es darüber hinaus Diskussionen anregt - noch besser. Aber Filme sollten zuerst einmal Spaß machen.

Hätten Sie sich denn eine ernsthafte Debatte über die Sklaverei gewünscht, statt Rezensionen, die Ihnen vorrechnen, wie oft das N-Wort benutzt wird?

Jackson: Nein. Der Film handelt ja auch nicht von der Sklaverei.

Nicht?

Jackson: Der Film erzählt die Geschichte des schwarzen Sklaven Django und seiner Frau "Brunhilde", die er von einem weißen Plantagenbesitzer befreien will. Die Sklaverei ist der Hintergrund. Aber er will nicht die Sklaverei abschaffen, er will nur seine Frau daraus befreien. Und das ist die Variation einer deutschen Sage.

Django ist ein schwarzer Siegfried. Der Berg, den er überwinden muss, das ist die Sklaverei. Der Drachen, den er erschlagen muss - das sind der von Leonardo Di Caprio gespielte Plantagenbesitzer und ich, dessen ergebener Haussklave Stephen, der andere Schwarze ohne mit der Wimper zu Zucken ans Messer liefert.

Mal ehrlich, waren Sie enttäuscht, dass Tarantino Sie nicht als "schwarzen Siegfried", sondern in der Rolle eines widerwärtigen schwarzen Kollaborateurs besetzte?

Jackson: Das haben Sie jetzt ja noch vornehm ausgedrückt. Ich würde sagen: Stephen ist der verabscheuungswürdigste Neger-Charakter in der Geschichte des Films. Aber das hat mir nicht viel Kopfzerbrechen bereitet. Denn ich wusste, dass ich da eine Figur gestalten konnte, die man nicht wieder vergisst. Das einzige, was ich tun musste, war, diesen Typ so verabscheuungswürdig, so authentisch darzustellen wie möglich. Es gab Schwarze wie ihn zu jener Zeit. Und ich muss zugeben, dass es anfangs verstörend war, mich in so einen Kollaborateur hineinzuversetzen. Aber ich habe es auch als meine Verpflichtung gegenüber den anderen Schauspielern gesehen, diesen Typ so realistisch wie möglich zu spielen. Ich wollte ihnen etwas bieten, gegen das sie anspielen, gegen das sie ankämpfen mussten.

Unmittelbar vor dem Beginn der Dreharbeiten hatten Sie dagegen auf einer Theaterbühne in New York mehrere Monate lang eine historische Ikone der Schwarzen verkörpert: Sie spielten Martin Luther King in dem Stück "The Mountaintop". Wie hatten Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Jackson: Ich sah mich nicht in der Verantwortung, Dr. King so darzustellen, wie ihn die meisten Menschen aus seinen legendären Reden kannten. Meine Aufgabe in dem Bühnenstück bestand darin, einen müden Mann zu zeigen, nachdem er gerade die größte Rede seines Lebens gehalten hatte.

1968 waren Sie Platzanweiser bei Martin Luther Kings Beerdigung, hatten Sie ihn je getroffen?

Jackson: Ja. Ich ging auf dieselbe Schule wie er, sah ihn immer mal wieder, wie er über den Campus ging. Ab und zu sprach ich mit ihm. Wir waren jetzt nicht gerade Bekannte oder sowas. Aber ich kannte ihn ein bisschen.

Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?

Jackson: Ich habe daran keine besonderen Erinnerungen. Er erzählte uns beispielsweise, wie es für ihn als Student war, als er auf dieses College ging, sowas halt.

Sie haben sich sehr intensiv als Wahlkampfhelfer für Barack Obama engagiert. Haben Sie eigentlich je darüber nachgedacht, selbst in die Politik zu gehen?

Jackson: Nnnnnno! Ich war immer jemand, der die Politik sehr aufmerksam beobachtet hat. Kann schon sein, dass ich einen guten Politiker abgeben würde. Aber das ist nichts für mich.

Was missfällt Ihnen an der Politik?

Jackson: Ich hätte keine Lust, ständig mit anderen Leuten streiten zu müssen. Über Politik; darüber, was getan werden müsste und dann doch nicht passiert. Sehen Sie, ich weiß immer noch, wo ich herkomme, aus armen Verhältnissen - auch wenn sich mein Leben inzwischen verändert hat.

Laut Guinness Buch der Rekorde sind Sie hinsichtlich der Einspielergebnisse aller Filme, in denen Sie je mitgewirkt haben, mit weltweit insgesamt 7,5 Milliarden US-Dollar, der erfolgreichste Schauspieler aller Zeiten. Also: Arm sind Sie nicht mehr.

Jackson: Nein, ich habe eine Menge Geld gemacht, das steht fest. Aber ich gehöre nicht zu jenem einen Prozent der Mächtigen und Extremreichen, die oben an der Pyramide stehen, die Geschicke des Landes steuern und über die der Rest des Landes ständig herzieht.

Sind Sie zufrieden mit Barack Obamas Bilanz?

Jackson: Zufrieden bin ich nicht, da geht es mir wie vielen anderen auch. Ich weiß aber auch gar nicht, was ich genau erwartet habe. Ich habe mir jedenfalls nicht erhofft, dass er auftritt und uns eine neue Welt baut. Gut, ich hätte mir eine grundlegendere Gesundheitsreform gewünscht, und dass sich der Arbeitsmarkt mehr entspannt hätte. Was ich nicht erwartet hatte, war, dass die Republikaner ihn so erbittert attackierten, wie sie es dann gemacht haben.

Was hat sich für die Schwarzen in den USA geändert, seit Obama regiert?

Jackson: Nichts.

Nichts?

Jackson: Gut, viele Schwarze erfüllt es natürlich mit Stolz, dass es einer wie sie geschafft hat, Präsident zu werden. Aber politisch und ökonomisch oder spirituell hat sich nicht viel verändert. Vielen Schwarzen ist klar: Sie kämpfen immer noch denselben Kampf. Das hat sich auch wieder während der letzten Wahlen gezeigt, als in vielen Bundesstaaten die Wahlgesetze so geändert und die Formalitäten so gestrickt wurden, dass es vielen Schwarzen massiv erschwert wurde, überhaupt zu wählen. Viele Dinge mögen sich in der Theorie geändert haben, in der Realität aber nicht. Die Schwarzen müssen so wachsam sein, wie sie es vorher waren.

Klingt sehr verbittert.

Jackson: Es ist die Realität. So sieht es aus.

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