1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Sammlung: Sammlung: Das einzige Humormuseum der Welt

Sammlung Sammlung: Das einzige Humormuseum der Welt

Von Wolfgang Harms 12.08.2005, 08:10
"Die Welt steht Kopf" in einem der Ausstellungsräume des Lachmuseums "Harlekinäum" in Wiesbaden-Erbenheim, in dem der Unternehmer und Museumsleiter Michael Berger steht. (Foto: dpa)
"Die Welt steht Kopf" in einem der Ausstellungsräume des Lachmuseums "Harlekinäum" in Wiesbaden-Erbenheim, in dem der Unternehmer und Museumsleiter Michael Berger steht. (Foto: dpa) dpa

Wiesbaden (dpa) - Die Zeitgeistreise durch die Sammlung beginnt in den 60er Jahren,als die Pop-Art die Hochkultur respektlos vom Sockel schubste. Wasanderswo Galerien füllte, brachte Berger in die Krims-Krams-Lädchen:Marcel Duchamps berühmtes Urinal diente ihm als Modell für einenAschenbecher, und Salvador Dalís surrealistische weiche Uhrenmaterialisierte er in Porzellan und Plastik. «Kunst war immer unserewichtigste Inspiration», sagt der 64-Jährige.

Zum Dauerbrenner wurde der Abguss seiner eigenen rechten Hand, die- in knalligen Farben lackiert - in zahllosen Wohnzimmern alsAschenbecher oder Bonbonschale diente. Auflage machte auch dieZeitung «Nichts Neues», die unter dem Seitenkopf eine leere weißeFläche bot. Der «Verleger» hatte gut Lachen: «Wir haben für dreiMillionen Mark Nichts verkauft.»

Wer den nächsten Raum betritt, geht an die Decke: Oben und untensind vertauscht. In der Zimmermitte ragt der Kronleuchter empor, amFenster trotzt der Vorhang in gut gestärktem Faltenwurf derSchwerkraft, und über den Besucherköpfen hängt eine festlich gedeckteTafel - Plastikwürste als Messergriffe, Buschmöhren als Salatbesteckund Bananen als Korkenzieher-Griffe waren Bergers Reaktion aufFresswelle und Konsumlust der 80er Jahre.

Viel Geld haben Berger in jenen Jahren die Aufkleber mit denbeiden kopulierenden Lacoste-Krokodilen in eindeutiger Stellungeingebracht - auch wenn ihn die Textilfirma dafür verklagte. Dastaten auch die Lufthansa, deren Wappenkranich Berger in ähnlicheindeutiger Stellung verkaufte, und der Autohersteller BMW wegen derweißblauen Plaketten «Bums Mal Wieder».

«Wir haben 54 Prozesse geführt», sagt Berger. Deren schriftlicheZeugnisse präsentiert er in einem zimmerhohen Schrank, dessen Türeinem Aktenordner nachempfunden ist und in Anspielung auf einenbekannten Büroartikelhersteller den Schriftzug «Reitz-Ordner» trägt.Solche Erfahrungen mit dem Humor-Verständnis der Markenartikelbranchehaben Berger jedoch nie davon abgehalten, Firmensignets zu verfremdenund Werbeslogans zu veralbern: Von «Geld spielt keine Rolex» über«Jacobs Dröhnung» bis zum Nachttopf «Henkel nass».

Ein Renner wurden die Kondomtütchen, die sich durchs ganzeSupermarktsortiment kalauern. Auch vielen anderen Objekten im«Harlekinäum» ist anzusehen, dass Fortpflanzungsakt undGeschlechtsmerkmale die Phantasie des Schöpfers befruchtet haben.Eine Altersbeschränkung für Besucher gibt es jedoch nicht. «DieHälfte sind Kinder», sagt Berger. 60 bis 120 Gäste zählt er jedesMal, wenn er sonntags von 11.11 Uhr bis 17.17 Uhr (vom 3. April bis31. August) sein Museum öffnet.

Die Bezeichnung «Scherzartikler» hört der Museumschef gar nichtgern: «Das verbitte ich mir. Ich mache Geschenkartikel.» Ohnehin hatLachen für ihn eine spirituelle Seite von geradezu heiligem Ernst: Inder Nähe seines Museums hat Berger die «Kirche des Humors» gegründet.Dort trifft man sich regelmäßig, um gemeinsam loszulachen - ohneäußeren Anlass und in der tiefen Überzeugung, dass Lachen die Seeleerfrischt und weltweit Frieden stiftet.

Eine Clownmaske hält der Unternehmer und Leiter des Lachmuseums "Harlekinäum" in Wiesbaden-Erbenheim, Michael Berger. (Foto: dpa)
Eine Clownmaske hält der Unternehmer und Leiter des Lachmuseums "Harlekinäum" in Wiesbaden-Erbenheim, Michael Berger. (Foto: dpa)
dpa