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Erfindung aus Friesland Rutschende Retter - DLRG setzt auf Schlitten für Wattrettung

Das Watt im Jadebusen kann tückisch sein. Wer dort einmal feststeckt, kommt nicht so schnell wieder los. Um Leben zu retten, nutzt die DLRG in Dangast ein neues Rettungsmittel.

Von dpa 29.06.2025, 05:00
Die DLRG in Varel hat einen Rettungs-Schlickschlitten entwickelt, um hilflose Menschen im Watt einfacher retten zu können.
Die DLRG in Varel hat einen Rettungs-Schlickschlitten entwickelt, um hilflose Menschen im Watt einfacher retten zu können. Izabela Mittwollen/dpa

Dangast - Es ist eine alte Technik, die neu erfunden künftig Leben retten helfen soll: Am Jadebusen in Friesland testet die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) einen speziellen Schlickschlitten, mit dem etwa Wattwanderer in Not aus dem Schlick gerettet werden können. Der von den DLRG-Mitgliedern der Ortsgruppe Varel entwickelte Schlickschlitten sei schnell einsetzbar, effizient und stabil im Watt, sagt Sprecher Nikolas Nacke. „Es ist das passende Rettungsmittel hier für uns am Jadebusen.“

Denn wenn die Nordsee bei Ebbe aus dem Jadebusen verschwindet, bleibt nur noch Watt - und das ist in Dangast vergleichsweise besonders schlickig. Durch die Gezeiten verändere sich der Untergrund vor dem Strand in Dangast stetig, sagt Nacke. „Das ist teilweise wie Treibsand.“ Menschen könnten an manchen Stellen bis zur Brust im Schlick versinken. Wo genau sich tiefere Stellen befinden, sei für Spaziergänger, die ohne Wattführer unterwegs sind, kaum zu erkennen und das werde bisweilen auch unterschätzt, so der Sprecher.

Wer Schlickschlitten früher nutzte

Um Verletzte oder Menschen in Not auch weiter draußen im Watt schnell aus der Gefahr retten zu können, haben die Lebensretter zusammen mit einem Ingenieurbüro den Rettungs-Schlickschlitten entwickelt. Der Schlitten selbst ist keine neue Erfindung. „Das Grundkonzept gibt es ja schon Hunderte Jahre“, sagt DLRG-Mitglied Tim Schütte. Er verweist darauf, dass Fischer früher überall an der Nordsee mit solchen Schlitten aus Holz aufs Watt fuhren, um Netze aufzustellen und zu leeren. Heute sind sie allerdings kaum noch zu finden. 

Die DLRG hat den Schlitten für ihre Zwecke angepasst. Das Fahrzeug ist aus Glasfaserkunststoff und Carbon gebaut, damit es möglichst leicht und dennoch stabil über den Wattboden rutscht. Außerdem ist der Schlitten mit 2,5 Metern etwas länger und breiter als frühere Holzschlitten. Dadurch lasse sich ein Mensch auch auf einer Trage liegend transportieren, sagt Nacke. Durch klappbare Reifen kann der Schlitten vom Rettungsschuppen über den Strand gefahren werden. Rund 8.000 Euro kostet die DLRG, die ihre Arbeit vor allem mit Spenden finanziert, so ein Schlitten.

Was den Anstoß zur Entwicklung gab

Wenn jemand im Watt feststecke, sei der Rettungshubschrauber oft das erste Rettungsmittel der Wahl, sagt DLRG-Sprecher Nacke. Der Hubschrauber könne Hilfesuchende aus der Luft mit einer Winde aus dem Schlick ziehen. Aber was, wenn der Rettungshubschrauber nicht verfügbar ist? 

Ein großer Rettungseinsatz 2018 im Watt vor Dangast gab der DLRG-Ortsgruppe den Anstoß für die Neuentwicklung des Rettungs-Schlickschlitten. Damals war ein Mann vom Strand aus seinem entlaufenen Hund kilometerweit ins Watt hinterhergelaufen - soweit draußen war der Mann für die Retter schwer zu erreichen. „Früher sind wir einfach reingelaufen“, sagt Lebensretter Schütte - ausgestattet nur mit einem Neoprenanzug und dem Nötigsten für die Rettung. „Da haben wir uns überlegt, wie bekommen wir das einfacher hin?“ 

Viele Optionen probierte die DLRG-Ortsgruppe aus: Ein Quad, ein Luftkissen-Fahrzeug und einen Unimog (ein Klein-Lkw). Manche Fahrzeuge blieben im Watt stecken, andere mussten im Anschluss aufwendig gereinigt werden und erwiesen sich als unpraktikabel. Inspiration lieferte schließlich das Musikfestival „Watt en Schlick“, wo jeden Sommer im Watt vor dem Kurhaus in Dangast auch ein Schlickschlittenrennen ausgetragen wird - abgesichert von der DLRG. Warum also nicht selbst auch einen Schlickschlitten für die Wattrettung einsetzen? 

Ein Schlitten auch für andere Einsatzorte?

Sechs Jahre nach der Idee übt die DLRG-Ortsgruppe nun regelmäßig mit ihren Schlickschlitten. Beim Schlittenfahren ist neben Muskelkraft auch Koordination gefragt. Denn gefahren wird der Schlitten stets zu zweit, sagt Nacke. So sicherten sich die Lebensretter bei Einsätzen auch selbst ab. Auch den Einsatz des Schlittens im Zusammenspiel mit einer Drohne testen die Lebensretter. Für eine echte Menschenrettung musste der Schlitten bislang glücklicherweise noch nicht eingesetzt werden. 

Inzwischen gibt es fünf solcher Schlitten im Landkreis Friesland, neben Dangast sind auch welche in Schillig stationiert. Interesse an dem neuen Einsatzmittel gibt es auch schon aus anderen Orten an der Nordseeküste. Auch Vertreter des Niedersächsischen Landesamtes für Brand und Katastrophenschutz hätten den Schlitten begutachtet. „Die Kollegen waren überzeugt“, sagt Nacke. Der Rettungs-Schlickschlitten aus Friesland könnte daher künftig noch an weiteren Orten an der deutschen Nordseeküste zum Einsatz kommen.