Russland Russland: Russen haben Angst vor einem Mafia-Krieg

Moskau/dpa. - Aufruhr in Moskaus Unterwelt: Die tödlichen Schüsse eines Killers auf den Mafiakönig Aslan Ussojan wecken bei vielen Russen schlimmste Erinnerungen an die blutigen 90er Jahre. Der Mord an Opa Hassan, wie sein Clan den 75-Jährigen nannte, lässt viele an der Moskwa vor einem neuen Gangsterkrieg zittern. Einige Mafiabosse mit Hang zum Luxus sind in die Jahre gekommen. Der Kampf um die Millionenvermögen laufe auf Hochtouren, meinen Beobachter.
Der 1937 in Georgien geborene Opa Hassan galt als der einflussreichste Gangster im postsowjetischen Raum - bis ihn ein Heckenschütze bei einem Restaurantbesuch mit sechs Schüssen niederstreckte. „Das Schlimmste ist, dass unschuldige Leute darunter leiden können“, sagte der Anwalt und ehemalige Polizeioberst Jewgeni Tschernoussow der Zeitung „Kommersant“.
Bei dem Anschlag auf Opa Hassan traf der Schütze auch eine 30-jährige Frau, um deren Leben Ärzte in Moskau kämpften. In den Staatsmedien kritisierten Experten, dass der Mafiapate von Leibwächtern beschützt sein Stammlokal skrupellos als Basis für Geschäfte habe nutzen können. Waffen und Koffer voller Geld auf den Tischen seien dort üblich gewesen.
Die Bluttat im Moskauer Zentrum vom Mittwoch - in unmittelbarer Nähe zur Residenz des deutschen Botschafters - ist der Hauptstadtpresse ganze Sonderseiten wert. Und viele Russen äußern sich in Blogs entsetzt darüber, wie viel doch über die Russen-Mafia bekannt ist, ohne dass Behörden etwas dagegen tun.
Die Zeitungsspalten lesen sich wie ein Nachschlagewerk zu den Clans der russischen Unterwelt georgischer und aserbaidschanischer Herkunft. Womöglich soll Opa Hassans Erzfeind, der Gangsterboss Taro (Tariel Onian), oder ein anderer „krimineller General“ den Mordauftrag gegeben haben.
Fotos von Tatverdächtigen und Opa Hassan sind ebenso in den Blättern zu sehen wie Analysen zu deren Geschäften. Ganze Wirtschaftszweige seien bisweilen unter Kontrolle der Mafia, heißt es im Boulevardblatt „Komsomolskaja Prawda“ („KP“). Die Gangster machen demnach Geschäfte mit illegalen Spielhöllen, Drogen-, Alkohol- und Menschenhandel, Prostitution, Rohstoffen und Immobilien.
Moskau drohe ein Kampf um das Erbe von Opa Hassan - zum einen aus den eigenen Reihen, zum anderen seitens verfeindeter Clans, meint der Experte Viktor Gladkich in der „KP“. Fast anerkennend schreiben die Reporter, wie Opa Hassan als „kriminelle Autorität“, dank guter Kontakte zu den „Machtorganen“, Geschäftsfreunde aus Ärger mit Steuerfahndern und anderen Problemen herausboxte.
Ussojan, der einst als Taschendieb anfing, in den 60ern „gekrönt“ wurde und viele Jahre hinter Gittern verbrachte, habe die Weichen für die Zukunft seines Imperiums gestellt, heißt es. Nachdem er zuletzt 2010 ein Attentat nur knapp überlebte, könnte nun sein Vertrauter Dmitri Tschanturi, genannt Miron, das Erbe antreten.
2009 war bereits Opa Hassans Mafiakumpel Wjatscheslaw Iwankow, genannt Japonschik, ermordet worden. Beobachter erwarten nach der spektakulären Trauerzeremonie von damals mit hunderten Gästen und Dutzenden Gangstern auch für Opa Hassan ein „königliches Begräbnis“.
Während Polizei, Geheimdienste und Staatsanwaltschaft dabei nur ruhig zuschauen - aus Angst oder weil sie selbst mit drinstecken -, macht sich unter den Russen ein Gefühl der Ohnmacht breit. Die Russen-Mafia bedrohe zunehmend das Staatsgefüge, räumte der Chef des Verfassungsgerichts, Waleri Sorkin, 2011 in einem Interview für die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“ ein.
Die Verquickung von organisierter Kriminalität und Behörden sei in vielen Orten Russlands „offensichtlich“, sagte Sorkin. Wenn die Mafia nicht zurückgedrängt werde, „werden alle unsere Träume von einer gerechten, gesunden, demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft begraben werden“, meinte Sorkin damals.