Rocker-Prozess Rocker-Prozess: Kronzeuge mit Fragezeichen

Kaiserslautern/dpa. - Hunderte Polizisten werden in und um das Gericht unterwegs sein. Undes werden voraussichtlich auch wieder Hunderte Anhänger der beidenverfeindeten Motorradclubs Hells Angels und Outlaws nachKaiserslautern kommen. Die Polizei will alles tun, um eine Störungder Urteilsverkündung und Auseinandersetzungen zwischen den Gruppenzu verhindern. Der Ausgang des Verfahrens scheint offen.
Seit 22. Dezember sitzen zwei 43 Jahre und 29 Jahre alte Männerauf der Anklagebank. Der ältere war Unterstützer (Supporter) derHells Angels, der andere Mitglied. Sie sollen im Juni 2009 mit einemdritten, noch flüchtigen Hells Angel den Präsidenten der Outlaws inder Region Donnersberg getötet haben. Der 43-Jährige war wenige Tagevor der Bluttat in Bad Kreuznach von einem Outlaw verprügelt worden -der Angriff auf den Outlaw-Chef sollte eine «Retourkutsche» sein,darin sind sich die Beteiligten weitgehend einig.
Über die Tat selbst gehen die Versionen allerdings auseinander.War es geplant, den Outlaw zu töten? Ja, sagt die Staatsanwaltschaft.Nein, sagen die Verteidiger. Es sei ein Exzess gewesen. Und wer hatüberhaupt zugestochen? Der 29-Jährige und der noch flüchtige Täter,sagt die Staatsanwaltschaft. Sein Mandant sei unbewaffnet gewesen,behauptet dagegen der Verteidiger des 29-Jährigen.
Keine unabhängigen Zeugen für die Bluttat, keine Spur von denTatwaffen - die Anklage stützt sich notgedrungen im Wesentlichen aufdie Aussage des 43-Jährigen, der nach der Tat zur Polizei gegangenwar und nun als Kronzeuge auf eine mildere Strafe hofft. Das Problem:Der 43-Jährige ist nicht gerade die Art von Kronzeuge, wie ihn sichdie Justiz wünschen würde.
«Problematische Persönlichkeit», «wendige Person», «stets aufseinen Vorteil bedacht» - so lauten Charakterisierungen derStaatsanwaltschaft des Mannes, auf dessen Aussage sie sich weitgehendstützt. Selbst der Verteidiger des 43-Jährigen hat eingeräumt, dasses in den Angaben seines Klienten «gewisse Ungereimtheiten undWidersprüchlichkeiten» gebe. Als Angeber gar haben Zeugen den Mannbeschrieben, der bei seinen Äußerungen vor Gericht immer wieder einenextrem fahrigen Eindruck machte. Er fürchtet als «Verräter» um seinLeben - zur Polizei zu gehen, ist bei Rockergruppen eine Todsünde.Auch im Gerichtssaal wird der Kronzeuge von einer Reihe vermummterPolizisten geschützt.
Die Staatsanwaltschaft fordert für die Angeklagten eineVerurteilung wegen gemeinschaftlichen Mordes: lebenslang für den 29-Jährigen und zwölf Jahre für den Kronzeugen. Die Verteidiger fordernmaximal vier beziehungsweise drei Jahre Haft - unter anderem wegengefährlicher Körperverletzung und einer Raubtat. Dem Outlaw-Chef warseine Jacke («Kutte») abgenommen worden.
Der 29-Jährige hat dem Gericht keine Version davon geliefert, wasam Tatabend geschah. Er hat geschwiegen. Mit seiner Kleidung und denGesten zu den Hells Angels im Zuschauerraum hat er keinen Zweifeldaran gelassen, dass er nach wie vor zu der Gruppe steht, die in denvergangenen Monaten und Wochen wegen krimineller Machenschaftenverstärkt ins Visier der Behörden geraten ist. Nach Verbüßung einermöglichen Haftstrafe dürfte er als Held zu den Hells Angelszurückkehren. Der 43-Jährige dagegen «ist jetzt die Nummer eins aufder Todesliste der Hells Angels», wie es die Nebenklage ausdrückte.