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Rhein Rhein: Drama am Loreley-Felsen

Von HARALD BISKUP 13.01.2011, 07:06
Das gekennterte Schiff treibt im Rhein (FOTO: DPA)
Das gekennterte Schiff treibt im Rhein (FOTO: DPA) dpa

ST. GOARSHAUSEN/MZ. - "Jahrhundertehab ich gesehen, lang werd ich mit GottesGüt bestehen." Die Inschrift im Dachfirstder Ausflugsgaststätte "Silberne Rose" ander Uferstraße St. Goar zeugt von zahllosenHeimsuchungen, und das gerade wieder bedrohlichsteigende Hochwasser ist hier am Mittelrheinnichts Außergewöhnliches. Auch Schiffs-Havarienereignen sich im Bereich des Stromkilometers556, wo der Fluss eine extreme Windung macht,immer wieder einmal. Aber sowas, sagen nichtnur die Schaulustigen aus dem Ort, hättensie noch nie erlebt. Auch Martin Mauermann,der Chef des Wasser- und SchifffahrtsamtesBingen, kann sich trotz langjähriger Erfahrungan kein vergleichbares Unglück erinnern.

Gegen 5 Uhr am Donnerstagfrüh war das Tankmotorschiff"Waldhof" plötzlich von den Radarschirmender Wasserschutzpolizei verschwunden, diediesen Streckenabschnitt besonders intensivüberwacht. Die Engstelle gilt als gefährlichund unfallträchtig, sagt Polizeiführer ThomasBredel. Sofort habe ein Patrouillenboot Kursauf die fragliche Position genommen, dochda war der Tanker, beladen mit über 2000Tonnen Schwefelsäure, bereits gekentert.An Bord waren vier Besatzungsmitglieder, dreiDeutsche und ein Tscheche. Zwei von ihnenkonnten geborgen werden, einer fast zehn Kilometerstromabwärts bei Bad Salzig.

Den ganzen Tag über bemühen sich Einsatzkräftevon Feuerwehr und Katastrophenschutz darum,die beiden vermissten Männer zu finden. Taucherngelingt es, an Bord zu gehen und die Kabinenzu inspizieren. Mit jeder Stunde schwindetdie Hoffnung, die beiden Besatzungsmitgliedernoch lebend zu finden. Mit Spezialsensorentastet man die Bordwand ab, um mögliche Klopfgeräuscheoder ein anders Lebenszeichen der Schiffbrüchigenzu empfangen. Aber es gibt keine Hinweise,dass sich noch jemand auf dem havariertenSchiff aufhält.

Von weitem sieht die unweit der Mole des Loreley-Hafensverunglückte "Waldhof" wie ein aufgetauchtesU-Boot aus, das keine Kraft mehr zur Unterwasser-Fahrthat. Ständig wird es von Polizeibooten umrundet,Hubschrauber kreisen über der Unglücksstelle.Der Rhein ist für den gesamten Schiffsverkehrgesperrt. Am Nachmittag hört der Dauerregenauf, aber wenn das nächste Tief heranrückt,muss die Schifffahrt womöglich ohnehin eingestelltwerden. "Aktuell", sagt der Schiffsführerder Hochwasser-Notfähre "Felix", die die einzigeVerbindung zwischen St. Goar und St. Goarshausendarstellt, "zeigt der Pegel Kaub 5,72 Meter.Ab 6,40 Meter geht hier gar nichts mehr."Der Mann hat seine ganz eigene Theorie fürdas Kentern der "Waldhof": "Da muss eine Bordwandaufgerissen sein, anders kann ich mir dasnicht erklären.-"

Ebendies bestreiten die Verantwortlichen vorOrt. Ein Sprecher der Einsatzleitung wiederholtgebetsmühlenartig, dass dank der "doppelwandigenBauweise" bislang keine Schadstoffe in denRhein gelangt seien. Schwefelsäure sei zwarätzend, werde auf der Skala der Gefahrstoff-Klassenaber eher niedrig eingestuft. Die "Waldhof"werde ständig überwacht, ob Säure austritt.In den nächsten Tagen soll der Tanker geborgenwerden. Bis Technik und Spezialisten vor Ortseien, könne es Tage dauern, hieß es.

Nach ersten Ermittlungen soll der Schiffsführermit der schwierigen Route vertraut gewesensein und auch das vorgeschriebene Loreley-Patentbesitzen. Eine Ursache schließen die Verantwortlichenkategorisch aus: Dass der hohe Pegelstandschuld sei und dass es unverantwortlich gewesensei, den Rhein für Schiffe mit so einer sensiblenLadung nicht zu sperren.