Hype um DDR-Klassiker Ostalgie pur! Dieses DDR-Küchengerät mit Kultstatus feiert sein Comeback
Robust, orange und unzerstörbar – der RG28 war einst Standard in DDR-Küchen. Heute ist er wieder heiß begehrt. Was hinter dem Hype um das Handrührgerät steckt und warum alte Ost-Produkte heute Kultstatus haben.

Halle (Saale)/Magdeburg/DUR. – In Mario Schuberts Geschäft sind nicht etwa moderne Trendprodukte wie Labubus oder Stanley-Becher gefragt. Seine Kundschaft sucht ein Gerät, das seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt wird: den RG28-Mixer aus der DDR.
"Es vergeht keine Woche, in der nicht jemand kommt und nach dem RG28 sucht", berichtet Schubert, Betreiber des An- und Verkaufsladens VEB Orange im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. "Und alle wollen sie ihn in Orange."
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DDR-Küchengerät als "Held der Arbeit": Warum ist der RG28 heute noch so beliebt?
Nicht nur Menschen mit DDR-Vergangenheit, sondern auch junge Erwachsene aus ganz Deutschland kommen zu Schubert, um das Küchengerät zu erwerben. "Die haben halt mitbekommen, dass viele neue Mixer nach zwei Minuten anfangen zu qualmen. Beim RG28 wissen sie, dass der auch die nächsten 40 Jahre noch funktionieren wird."
Auch auf Tiktok und Instagram herrscht Einigkeit: Nutzer erzählen von geerbten Geräten, teilen Erinnerungen und loben die lange Lebensdauer. "Fast 50 Jahre und kein bisschen leiser", heißt es da unter anderem – eine Anspielung auf Curd Jürgens Chanson "60 Jahre und kein bisschen weise" aus dem Jahr 1975.
Häufig liest man über den RG28 auch: "Er läuft und läuft und läuft“ – offensichtlich inspiriert vom berühmten VW-Käfer-Slogan der 1960er Jahre. Im Jahr 2020 verlieh die Stiftung Warentest dem Handmixer im Belastungstest das Prädikat "Held der Arbeit", da er länger durchhielt als zwei aktuelle getestete Modelle.
Wo kommt das DDR-Handrührgerät RG28 eigentlich her und was kostet es heute?
Das elektrische Rührgerät (RG) wurde in den 1980er Jahren im VEB Elektrogerätewerk Suhl in Thüringen in verschiedenen Ausführungen produziert. 1977 wurden 450.000 Mixer hergestellt.
Der RG28 kostete damals 98 Ostmark – ein beachtlicher Betrag. Ergänzend gab es diverse Aufsätze zum Mahlen, Mixen und Reiben.
1983 wurde der AKA electric RG 28 in der Sendung "HAPS – Haushalts-Allerlei praktisch serviert" vorgestellt. Die Moderatoren präsentierten die unterschiedlichen Funktionsweisen des Küchengeräts, unter anderem Dosen öffnen, passieren, raspeln und sogar Messer schärfen. Sie liefern auch gleich ein Rezept für den "Haps-Flip" – ein Getränk aus Milch, Rotwein, hellem Bier, Zucker, einem Ei und einer Prise Pfeffer – mit.
Übrigens: Die Abkürzung "AKA" steht für "auf Kundenwünsche ausgerichtet". Mit dem Ende der DDR wurde die Produktion 1990 eingestellt.
Neue Geräte sind daher nicht mehr erhältlich. Schubert kauft gebrauchte Exemplare, reinigt und repariert sie. Je nach Zustand, Zubehör und Farbe verkauft er sie für 20 bis 80 Euro. Unbenutzt im Originalkarton kann ein RG28 auch für bis zu 200 Euro über den Tresen gehen.
Auf der Plattform Kleinanzeigen (vormals Ebay) finden sich ähnliche Angebote. Hier werden die DDR-Mixer zwischen 30 und 150 Euro gehandelt – je nach Zubehör.
Eine Sprecherin berichtet, dass die Zahl der Anzeigen für DDR-Produkte im vergangenen Jahr leicht auf rund 940.000 gestiegen sei. Die Angebote für den RG28 legten um 13 Prozent zu.
Besonders auffällig sei der Anstieg der Suchanfragen: Zwischen August und September 2004 wuchs das Interesse um 31 Prozent – mit über 3.000 Anfragen pro Monat.
Kultstatus nach der Wende: Was steckt hinter dem Erfolg des RG28?
Diese Entwicklung ist auch Gordon von Godin, Direktor des DDR-Museums Berlin, nicht entgangen. "Küchengeräte wie der RG28-Mixer oder Alltagsgegenstände wie die berühmten bunten Hühner-Eierbecher aus Plaste haben erst seit wenigen Jahren Kultstatus."

Viele dieser Dinge seien lange Teil des Alltags im Osten Deutschlands gewesen – und sind es oft noch heute. "Die Werte steigen mitunter sehr", beobachtet er.
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Was den RG28 besonders macht, sei seine Langlebigkeit, erklärt von Godin. Zudem seien viele der Ost-Gegenstände inzwischen selten – manche waren es schon zu DDR-Zeiten.
Ein Beispiel: das Moped Schwalbe KR51. "Heute ist sie als Design-Kultobjekt gefragt und erzielt Preise bis zu 5.000 Euro – bei einem einstigen Neuwert von etwa 1.500 Mark. Zu DDR-Zeiten war die Schwalbe eher ein Alltagsfahrzeug, nicht sonderlich beliebt bei der Jugend."
DDR-Klassiker lösen Nostalgie aus: Warum waren und sind sie weit verbreitet?
Ein weiterer Grund für das Interesse ist laut von Godin die allgemeine Nostalgie, die seit etwa 10 bis 15 Jahren stark zugenommen habe. Es handle sich um eine Rückbesinnung auf eine andere Zeit – unabhängig vom Alter. Im DDR-Kontext spricht man dabei oft von "Ostalgie".
Axel Drieschner vom Museum Utopie und Alltag, zu dem das Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt gehört, kennt die Bedeutung des RG28 und der bunten Eierbecher. "Diese Objekte spielten eine große Rolle und waren sehr verbreitet."
Das zeige sich auch in den Sammlungsbeständen. Ein entscheidender Faktor sei die breite Einführung von Kunststoffen ab 1960 in der DDR, wodurch Materialien wie Metall, Holz und Keramik verdrängt wurden.
Marion Godau, Professorin für Design und Kunstgeschichte an der Fachhochschule Potsdam, betont den hohen Stellenwert von Gestaltung in der DDR. "Das Design sollte ein sichtbares Zeichen für die Ideale der sozialistischen Gesellschaft sein. Kein Hervortun durch Statussymbole, stattdessen langlebige und funktionsfähige Produkte, die auch dadurch, dass sie in nahezu jedem Haushalt zu finden waren, ein kollektives Bewusstsein unterstützen sollten." Ein Ausdruck dessen war die Gründung des Amts für Industrielle Formgestaltung im Jahr 1972.
Welche Bedeutung hat DDR-Design für heutige Generationen?
Godau zufolge lag der Fokus auf ressourcenschonender und langlebiger Produktion. Das bedeutete jedoch nicht, dass die DDR umweltfreundlich produzierte. Vielmehr sollte die Herstellung unabhängig von den wechselnden Moden kapitalistischer Handelspartner sein.
Auch wirtschaftliche Aspekte spielten eine Rolle: "Materialien und Produktionsmittel waren während des gesamten Bestehens der DDR alles andere als im Überfluss vorhanden."
Sie beobachtet bei jüngeren Generationen ein wachsendes Interesse an "dem Land, das es nicht mehr gibt". Zudem könne das DDR-Design als Gegenmodell zur Wegwerfgesellschaft, zur Klimakrise und einem sich "immer schneller drehenden Selbstinszenierungskarussell“ verstanden werden.
Videos auf YouTube: Wie lässt sich der Kult-Mixer RG28 heute reparieren?
Ob aus nostalgischen, nachhaltigen oder sparsamen Motiven: Auf Youtube finden sich zahlreiche Videos, die zeigen, wie der Kultmixer gereinigt und gewartet wird. Manche Nutzer fertigen fehlende Ersatzteile sogar im 3D-Drucker an, um einen Neukauf zu vermeiden.
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Dieser Gedanke steht auch im Mittelpunkt des Dokumentarfilms "Kommen Rührgeräte in den Himmel?" von Reinhard Günzler aus dem Jahr 2016. "Es gibt noch Dinge, die uns nicht im Stich lassen", sagt Protagonistin Carmen, nachdem sie auf einem Flohmarkt einen alten RG28 entdeckt – selbstverständlich in Orange.
Das Gerät ist älter als sie selbst und funktioniert tadellos. Sie möchte mehr über dessen Herkunft erfahren und stößt dabei auf Alternativen zur Wegwerfgesellschaft. "Ist das das Geheimnis meines RG28?", fragt sie sich. "Ist er das Relikt einer gescheiterten Utopie?"