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Rechtsskandal in Schweden Rechtsskandal in Schweden: Mutmaßlicher Mörder hat in Serie gelogen

Von André Anwar 01.08.2013, 09:38
Thomas Quick sitzt am 1. September 1994 in der Geschlossenen Psychiatrie im schwedischen Säters.
Thomas Quick sitzt am 1. September 1994 in der Geschlossenen Psychiatrie im schwedischen Säters. dpa/archiv Lizenz

Stockholm/MZ - Ein Rechtsskandal erschüttert Schweden. „Dass ein Mensch für so viele Morde verurteilt wird und keinen davon begangen hat, ist einmalig in der schwedischen Rechtsgeschichte und ein grobes Scheitern unseres Rechtswesens“, räumte Reichsstaatsanwalt Anders Perklev gestern ein. Zehn seiner Staatsanwälte hatten zuvor auch das letzte Mordurteil gegen Thomas Quick aufgehoben. Es gebe keine Beweise, so Perklev.

Der seit 18 Jahren in Haft sitzende, angeblich berüchtigtste Serienmörder des Königreichs ist damit endgültig entlastet. „Der Serienmörder ist kein Mörder mehr, sondern nur noch ein pathologischer Lügner“, so ein schwedischer Kommentator. Die Aufhebung des Urteils steht am Ende zahlreicher Revisionsverfahren seit 2008. 30?Morde zwischen 1964 und 1990 hatte Thomas Quick, der sich heute Sture Bergwall nennt, in den 90er Jahren gestanden. Für acht Morde wurde er verurteilt. Andere waren nicht mehr überprüfbar. 2008 wandte sich der angebliche Serienmörder überraschend an die Öffentlichkeit. Er habe keinen einzigen Menschen umgebracht, behauptete der heute 63-jährige, der seit der Verhaftung in der geschlossenen Psychiatrie ist.

Seine Motive bleiben unklar. „Ich will, dass die Menschen darüber Bescheid wissen, dass wir in Schweden nicht in einer rechtssicheren Gesellschaft leben, sondern, dass die Gerichte von Polizisten, Psychologen, Psychiatern und Staatsanwälten manipuliert werden“, sagte Quick. Tatsächlich basieren die Verurteilungen in allen acht Mordfällen fast ausschließlich auf den Geständnissen Quicks. Täterwissen oder technische Beweise gab es nicht. Gestanden aber hat Quick anscheinend nur, um Aufmerksamkeit zu erhalten. „Ich fühlte mich toll, durfte viel Zeit mit gebildeten Menschen verbringen, die mir zuhörten“, erzählt Quick.

Polizei und Staatsanwalt sollen entlastende Elemente bewusst ignoriert haben. Ein Kriminalinspektor stellte das Aufnahmeband bei Verhören auf Pause, behauptet Quick. „Ich rauchte damals. Wir gingen auf den Balkon, er legte seine Hand auf meine Schulter und sagte, mir, was ich betonen und was ich weglassen sollte, wenn wir wieder rein gehen würden.“ Auch die Staatsanwaltschaft bestätigte gestern zumindest teilweise Quicks Behauptungen zur Manipulation der Ermittlungen. Anstaltsärzte pumpten Quick jahrelang mit Psychopharmaka voll. Dann wachte er auf: „Ich bin unschuldig“, sagte er und die Revisionsverfahren kamen ins Rollen.

Die rechtsmedizinische Anstalt erklärte bereits vor dem letzten Freispruch, dass Quick in der Klinik eingesperrt bleiben müsse. Auch wenn er kein Mörder sei, sei er laut Einschätzung des Klinikpersonals gefährlich. Nun sollen unabhängige Experten dies überprüfen.