Raumfahrt zur ISS Raumfahrt zur ISS: Deutscher startet mit "Rückenwind" ins All
Baikonur - Der Countdown läuft: Erstmals seit sechs Jahren fliegt am Mittwoch wieder ein Deutscher ins All. Der Start ist für Punkt 21.56 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit geplant. Und Alexander Gerst kann die Reise zu den Sternen kaum erwarten. „Es wird Zeit, dass uns das Baby in den Orbit bringt“, twittert Gerst vom Weltraumbahnhof Baikonur aus. Das „Baby“ - das ist eine Sojus-Rakete mit rund 300 Tonnen Treibstoff. Feierlich zog eine mächtige Diesellok das Raumschiff zu Wochenbeginn durch die Steppe Kasachstans zu Rampe 1. Von hier startete schon Juri Gagarin 1961 zu seinem historischen Flug.
Zehn Deutsche schwebten bisher durchs All. Aber nur zwei von ihnen arbeiteten vor Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS.
Hans Schlegel war 2008 der bisher letzte Deutsche auf der ISS. Seit Mai 2005 leitet er in Houston (Texas) die Mission der Europäischen Raumfahrtagentur Esa im Johnson Space Center. 1993 startete er als Nutzlastenspezialist zum ersten Mal mit dem US-Space-Shuttle „Columbia“ ins All. Während der deutsch-russischen Mir-Mission 1997 war er für den Funkkontakt zur Erde verantwortlich. Der 62 Jahre alte Naturwissenschaftler ist mit der ehemaligen Astronautin Heike Schlegel-Walpot in zweiter Ehe verheiratet und hat insgesamt sieben Kinder.
Thomas Reiter (56) hat insgesamt fast ein Jahr im All verbracht: 171 Tage auf der ISS und 179 Tage auf der mittlerweile versenkten russischen Station Mir. Der gebürtige Frankfurter ist seit April 2011 Direktor für bemannte Raumfahrt bei der Esa in Darmstadt. Reiter war lange als Testpilot der Bundeswehr tätig. Aus Anlass des 50. Jahrestags des historischen Flugs von Juri Gagarin 2011 zeichnete Russland 44 Raumfahrer „für Pioniertaten“ aus - darunter Reiter. (dpa)
„Ich habe mir die Rakete größer vorgestellt“, sagt Hans-Dieter Gerst. Der Vater des Astronauten ist unter anderem mit seinen zwei weiteren Söhnen angereist. Schwitzend steht der 59-Jährige bei morgendlicher Hitze an der Rampe und verfolgt, wie Ingenieure die Sojus startklar machen. „Ich wünsche Alexander viel Spaß da oben. Und dass er gesund wiederkommt“, meint der Schlossermeister.
Leuchtende Augen an der Rampe
Sein ältester Sohn soll während der 166 Tage auf der Internationalen Raumstation ISS Experimente betreuen und zu mindestens einem Außeneinsatz ins All aussteigen. Ein halbes Jahr auf der ISS rund 400 Kilometer über der Erde - eigentlich sei das wenig, meint Alexander Gerst. „Es gibt noch so viel zu erforschen. Der Mensch ist zwar seit drei Millionen Jahren ein Entdecker, aber erst seit 50 Jahren fliegen wir ins All“, sagt der 38-Jährige mit dem kahlgeschorenen Kopf.
Der Begriff Kosmonaut (v. griechisch κόσμος kosmos = Weltraum + ναύτης nautēs = Seefahrer/Matrose, bzw. v. russ. Космонавт) bezeichnet einen sowjetischen Raumfahrer. Auch im heutigen Russland, den GUS-Staaten, in Teilen Mittel- und Osteuropas, sowie in den östlichen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, welche zur ehemaligen DDR gehörten, wird weiterhin von Kosmonauten gesprochen. Der Begriff wurde während des Wettlaufs zum Weltall der 1950er Jahre geprägt, und mit Juri Gagarin als erstem Menschen im Weltraum weltweit bekannt. Das Bild des Kosmonauten spielte in der Sowjetunion eine Bedeutung, die über die technische oder politische Errungenschaft wie im Westen hinausging. Das wird unter anderem im Kosmonautenmuseum in Moskau illustriert. (Quelle Wikipedia)
Der Begriff Astronaut (v. griechisch ἄστρον astron = Stern + ναύτης nautēs = Seefahrer/Matrose) lehnt sich an das Wort Aeronaut (Luftschiffer) an. Die NASA entschied sich am 1. Dezember 1958, ihre Raumfahrer Astronauten zu nennen, in der Meinung, ein neues Wort geformt zu haben, dabei wurde dieser Begriff bereits 1927 vom französischen Science-Fiction-Autor J.-H. Rosny Aîné in seinem Buch Les Astronautes verwendet. (Quelle: Wikipadia)
Mit leuchtenden Augen steht auch Deutschlands erster Raumfahrer Siegmund Jähn (77) an der Rampe in Baikonur. „Ich würde sofort mitfliegen“, sagt er und blickt auf die Rakete. 1978 war der damalige DDR-Bürger Jähn eine Woche lang im All. Ein Raumflug mache Menschen deutlich, dass die Erde nur „ein Staubkorn im Kosmos“ sei und er gut darauf aufpassen müsse, erzählt er. „Alexander Gerst wird das verstehen - er ist der richtige Mann für diese Mission. Guter Typ.“ Gerst hat Geophysik in Karlsruhe studiert und an der Universität Hamburg über Vulkane geforscht. „Bei Vulkanen schaut man ins Innere der Erde, vom Kosmos aus werde ich auf ihr Äußeres schauen“, sagt der Wissenschaftler aus Künzelsau (Baden-Württemberg).
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Mehr als drei Jahre lang trainierte Deutschlands nächster Mann im All für die Reise zu den Sternen, in Russland sowie in den USA und in Deutschland. Völlig angstfrei sei er nicht. „Aber Angst ist ein Gefühl, das sich entwickelt, wenn man meint, die Kontrolle zu verlieren. Das wollen wir vermeiden, deswegen trainieren wir so“, erzählt er.
Gerst wird - im Gepäck ein Stückchen vom Kölner Dom, ein „Orbitherzchen“ der Stiftung Kinderherz und eine Deutschlandfahne - zusammen mit dem Russen Maxim Surajew und dem US-Astronauten Reid Wiseman zur ISS starten. Seit die USA ihre Space Shuttles 2011 eingemottet haben, müssen die Nasa-Astronauten in den russischen Kapseln mitfliegen. 50 Millionen Euro zahlen die USA für einen Platz, fast ebenso viel soll Gersts Flug kosten.
Sigmund Jähn war der erste Deutsche im Weltall. Am 26. August 1978 flog er als Kosmonaut der damaligen DDR zur sowjetischen Raumstation Saljut 6. Während seines einwöchigen Aufenthalts führte er zahlreiche Experimente durch.
1983 flog Ulf Merbold als erster westdeutsche Astronaut ins Weltraum. 1983 gehörte er mit mehreren NASA-Astronauten zur ersten Crew, die im Weltraumlabor Spacelab zahlreiche wissenschaftliche Versuche durchführte. Merbold umkreiste vom 28. November bis zum 8. Dezember 1983 die Erde. und flog später noch zwei weitere Male ins All: (1992 und 1994).
Reinhard Furrer war ein deutscher Wissenschafts-Astronaut, der 1985 im Rahmen der sogenannten D-1 Mission zahlreiche Versuche in Schwerelosigkeit durchführte. Dabei umrundete die US-Raumfähre Challenger vom 30. Oktober bis zum 6. November 1985 über 100 Mal die Erde. Es war der letzte Flug der Challenger: Beim darauf folgenden Start explodierte die Raumfähre mit sieben amerikanischen Astronauten an Bord. Reinhard Furrer starb 1995 bei einem Flugzeugabsturz.
Ernst Messerschmid gehörte zusammen mit Reinhard Furrer und fünf weiteren Astronauten zur Crew der D-1 Mission. Dies war die erste große deutsche Raumfahrt-Mission, bei der das in Europa gebaute Weltraumlabor Spacelab für über 70 wissenschaftliche Experimente genutzt wurde. Wie bei allen anderen Spacelab-Flügen war das Labor dazu in die Ladebucht eines Space Shuttles eingebaut worden und wurde von der Raumfähre gewissermaßen im Huckepack-Verfahren mit ins All genommen.
Ulrich Walter war zusammen mit Hans Schlegel und fünf amerikanischen Kollegen vom 26. April bis 6. Mai 1993 im Weltraum. Im Rahmen dieser D-2 Mission wurden rund 90 Experimente durchgeführt – bis heute hat es kaum einen Flug gegeben, bei dem so viele wissenschaftliche Versuche auf dem „Bord-Stundenplan“ standen. Walter und Schlegel hatten vor ihrer Ausbildung zum Astronauten Physik studiert.
Hans Schlegel war nach seinem ersten Flug ein weiteres Mal im All: Er wurde von der Europäischen Weltraum-Organisation ESA für die Mission ausgewählt, bei der das europäische Weltraumlabor Columbus an die Internationale Raumstation ISS angedockt wurde. Im Rahmen dieses Fluges, der vom 7. bis zum 20. Februar 2008 dauerte, stieg Hans Schlegel zu Außenbord-Arbeiten aus der Raumstation aus. Der „Weltraumspaziergang“ war nötig, um das Columbus-Labor mit der ISS zu verbinden.
Klaus-Dietrich Flade war der erste Deutsche, der die damalige sowjetische Raumstation MIR besuchte. Der Testpilot absolvierte im Ausbildungszentrum bei Moskau, dem sogenannten „Sternenstädtchen“, ein rund einjähriges Training, bevor er am 17. März 1992 mit zwei russischen Kollegen in die Umlaufbahn startete. Nach dem Andocken an der MIR-Station verbrachte er dort mehrere Tage, um verschiedene wissenschaftliche Experimente durchzuführen. Die Landung erfolgte am 25. März 1992.
Reinhold Ewald flog vom 10. Februar bis 2. März 1997 ins All, genauer zur Raumstation MIR. Der gelernte Physiker führte in dieser Zeit zahlreiche wissenschaftliche Experimente durch. Zusammen mit seinen russischen Kollegen meisterte er während seines Aufenthaltes an Bord der Station einen ernsten Zwischenfall: Ein Sauerstoff-Behälter hatte sich entzündet und war in Flammen aufgegangen. Mehrere Stunden kämpfte die Crew gegen das Feuer und dann vor allem auch gegen den Rauch in der Station, die dank dieses mutigen Einsatzes nicht aufgegeben werden musste.
Gerhard Thiele nahm im Februar 2000 an einer Shuttle-Mission teil, bei der die Erde aus der Umlaufbahn vermessen wurde: Mit Hilfe von Radarsensoren wurde dabei die Erdoberfläche wie mit einem Scanner „abgetastet“, so dass eine dreidimensionale Weltkarte entstand. Diese sogenannte SRTM-Mission – Shuttle Radar Topography Mission – dauerte vom 11. bis zum 22. Februar 2000. Nach seinem Flug übernahm Gerhard Thiele die Leitung des europäischen Astronauten-Teams, das seinen Sitz im ESA-Astronautenzentrum in Köln hat.
Thomas Reiter war zwei Mal zu Langzeit-Missionen im Weltraum. Beide Flüge dauerten jeweils rund sechs Monate. Er hat damit also fast ein Jahr im All verbracht – mehr als alle anderen deutschen Astronauten zusammen. Mehrmals führte Thomas Reiter dabei Außenbordarbeiten durch. Der erste Flug führte ihn vom 3. September 1995 bis 28. Februar 1996 zur russischen MIR-Station, der zweite Flug vom 4. Juli bis 22. Dezember 2006 zur Internationalen Raumstation ISS. Ursprünglich war Thomas Reiter Testpilot der Bundesluftwaffe. Inzwischen ist er als Wissenschaftsmanager im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) tätig.
Als bisher letzter Deutscher flog Hans Schlegel 2008 zur ISS. Gerst wird der der dritte Deutsche auf der Raumstation - und vielleicht der letzte Deutsche: Denn Russland hat nach gut 15 Jahren ein Ende seines Engagements beim fliegenden Labor für 2020 angekündigt.
Zukunft der Station ungewiss
Dabei handelt es sich auch um eine Reaktion auf US-Sanktionen im erbitterten Ukraine-Konflikt. Experten fürchten nun, dass auf dem Außenposten der Menschheit bald die Lichter ausgehen könnten. Nach dem kosmischen Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA im Kalten Krieg gilt die ISS heute auch als Symbol der Völkerverständigung.
Gerst klemmt unterdessen Holzklötze unter das Fußende seines Betts. „Wer leicht kopfüber schläft, gewöhnt sich besser an die kommende Schwerelosigkeit“, erzählt er. Musik für den Start hat er schon ausgewählt: etwa das Lied „Rückenwind“ des deutschen Hip-Hop-Sängers Thomas D. „Ihr seht mich als Punkt am Horizont verschwinden, um ein Stück weiter hinten mich selbst zu finden“, heißt es darin. Besser, meint Gerst, sei sein Gefühl nicht zu beschreiben. (dpa/red)