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Raumfahrt Raumfahrt: Vor 50 Jahren flog Gagarin ins All

01.04.2011, 12:01
Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in seinem Raumanzug kurz vor seinem Start zum ersten bemannten Weltraumflug im April 1961. (ARCHIVFOTO: DPA)
Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin in seinem Raumanzug kurz vor seinem Start zum ersten bemannten Weltraumflug im April 1961. (ARCHIVFOTO: DPA) Lehtikuva_Oy

Moskau/dpa. - Vor 50 Jahren flog Juri Gagarin als erster Mensch ins Weltall. DieEroberung des Kosmos durch die damalige Sowjetunion feiert Russlandin diesem Jahr groß. Weltraumexperten träumen von neuen Abenteuern.

«Der erste Mensch im Weltraum!» - mit dieseneinfachen Worten verkündet die kommunistische Presse der Sowjetunionam 12. April 1961 kühl ein Ereignis, das die ganze Welt bewegte. Einhalbes Jahrhundert nach diesem historischen Flug des Kosmonauten JuriGagarin (1934-1968) feiert Russland den Triumph im Kalten Krieg gegendie USA noch einmal groß. Geplant ist ein Gagarin-Jubiläumsflug undeine Fernsehschalte zur Internationalen Raumstation ISS - demAußenposten der Menschheit. Der Erinnerungsjubel bringt aber vorallem auch die Sehnsucht nach neuen Weltraumabenteuern ans Licht.

Die auf ihre Tradition so stolze Raumfahrtnation Russland ist zumJahrestag des Gagarin-Flugs alles andere als in Feierlaune. Nichtgenug, dass ausgerechnet die für Ende März geplanteGagarin-Jubiläumsexpedition einer bemannten «Sojus»-Raumkapsel austechnischen Gründen verschoben ist. Das berühmte Moskauer Planetariumsoll nach jahrelanger Restauration erst im Juni wiedereröffnetwerden. Und die Komplettierung des russischen NavigationssystemsGlonass ist nach dem Absturz von drei Satelliten nicht in Sicht.

Fast wehmütig erinnert Moskaus Presse an die guten alten Zeiten.Die Raumfahrterfolge sind etwa auch im Kosmonauten-Museum in Moskauüberliefert: der «Sputnik»-Schock für den Westen, als die Sowjetunion1957 als erste Nation einen künstlichen Erdtrabanten ins All schießt.

Am 12. April 1961 - wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag - hebtder sowjetische Pilot Gagarin um 9.07 Uhr Moskauer Zeit mit einer«Wostok»-Rakete ab. Auf dem Weltraumbahnhof in der kasachischenSteppe weht ein lauer Frühlingswind. «Nu pojechali!», ruft Gagarin,«Los geht's!» - im vollen Bewusstsein, dass die Reise auch tödlichenden kann, wie ein nun erstmals veröffentlichter Abschiedsbrief anseine Frau und Töchter zeigt. Um 10.55 Uhr landet er unbeschadet indem Ort Smelowka im Gebiet Saratow - als Held der Sowjetunion.

«Der Kolumbus des Kosmos!» - jubeln die Zeitungen damals. Und sieloben Gagarins Heldentat als neuen Ansporn für den Aufbau desKommunismus. Allerdings weist etwa der Journalist Anton Perwuschin inseinem neuen Buch «108 Minuten, die die Welt veränderten» darauf hin,dass Gagarin von den kommunistischen Machthabern vor allem für einePropagandaschlacht gegen den Westen genutzt wurde. Die Identität desChefkonstrukteurs und Raketenbauers Sergej Koroljow dagegen wirddamals wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Dabei gilt gerade Koroljowals das Superhirn, das im Wettlauf zu den Sternen die USA aussticht.

Wenige Wochen nach Gagarin fliegt Alan Shepard als ersterUS-Amerikaner ins All. Doch erst 1969 schaffen die Amerikaner imWettrennen der Systeme mit der Mondlandung von Neil Armstrong einenechten Coup. Am 12. April 1981 schicken sie mit dem Space Shuttle dieerste Raumfähre ins All.

Für die Sowjetunion hingegen beginnt Mitte der 1980er Jahre mitdem Machtantritt von Michail Gorbatschow eine Zeit gravierenderpolitischer Umbrüche und finanzieller Not. Die Weltraumforschungblutet aus. Dank hoher Rohstoffpreise besinnt sich das gas- undölreiche Russland erst heute wieder richtig auf seine Tradition.Eindringlich sind zum Gagarin-Jubiläum daher auch die Appelle füreinen Aufbruch zu neuen Weltraum-Abenteuern.

Nötig sei etwa ein «ambitioniertes Programm zur Erkundung desMondes», um das Feld nicht China oder den USA zu überlassen, sagt derLeiter des Kosmonauten-Ausbildungszentrums, Sergej Krikaljow.

Ähnlich wie in den USA nun die Space Shuttles ausgemottet werden,brauche auch Russland endlich einen «würdigen Ersatz» für seine schonseit 1967 eingesetzten «Sojus»-Raumkapseln. Krikaljow sieht auch dieZeit gekommen, im All selbst die Infrastruktur auszubauen, um Kostenund Wege zu sparen - etwa mit einem eigenen Kosmodrom.

Bisher starten russische Raketen vom Weltraumbahnhof Baikonur inder Ex-Sowjetrepublik Kasachstan, wo Pachtgebühren anfallen. Imäußersten Osten Russlands ist nun ein neuer Weltraumbahnhof inWostotschny im Bau - zusätzlich zu dem vor allem für militärischeZwecke genutzten in Plessezk.

Die Kritik, dass es in der russischen «Kosmonautik» zu wenig neueProjekte gebe, hält Krikaljow für berechtigt. «Gründe dafür gibt esviele - die Krise der 1990er Jahre und der Abgang zahlreicherSpezialisten.» Vieles sei im Planstadium hängengeblieben. Bis heutefehle es an klaren Prioritären und Aufgaben für die russischeWeltraumforschung. Und auch die Bezahlung der Ingenieure seiunzureichend. Der Weltraumexperte Viktor Chartow fordert zudem vielmehr Investitionen in die Entwicklung von Robotern.

Chartow, Chefkonstrukteur und Generaldirektor des Forschungs- undEntwicklungszentrums Lawotschkin, hält es für verfrüht, über einenbemannten Mars-Flug nachzudenken. «Das ist totaler Unsinn», sagt er,während in einem Labor in Moskau bei dem Experiment Mars500 sechsFreiwillige in Isolation eine Reise zum Roten Planeten simulieren.Bei einer Marsmission könne ein Roboter alle Aufgaben erledigen. Einbemannter Flug zum Mars hingegen mache nur Schwierigkeiten, weilRaumfahrer Nahrung, Wasser und Sauerstoff brauchen.

Zum Jubiläum von Gagarins Flug nimmt das größte Land der Erde vorallem den Mond weiter ins Visier. In fünf bis zehn Jahren könneRussland eine bemannte Mondexpedition schaffen, sagt Krikaljow derZeitung «Iswestija». Der Chefastronom bei der russischen Akademie derWissenschaften, Andrej Finkelstein, sieht gute Chancen, dass bisspätestens 2030 auf dem Mond ein Observatorium steht. «Das ist keineFantasie», betont er. Von dort aus lasse sich am besten nach anderenPlaneten und außerirdischen Zivilisationen suchen.

Die Kapsel, in der der Kosmonaut Juri Gagarin zur Erde zurückgekehrt ist. Gagarin umkreiste am 12. April 1961 in der Raumkapsel Wostok als erster Mensch die Erde. (ARCHIVFOTO: DPA)
Die Kapsel, in der der Kosmonaut Juri Gagarin zur Erde zurückgekehrt ist. Gagarin umkreiste am 12. April 1961 in der Raumkapsel Wostok als erster Mensch die Erde. (ARCHIVFOTO: DPA)
dpa