Psychologie Psychologie: Abführmittel in den Kaffee

Münster/dpa. - Zu Unrecht, sagt Sabine Reinker. Denn wer andere ständig unfairbehandelt, muss vielleicht nicht mit offener Rebellion rechnen, abermit Sabotage. Das hat nicht nur für die Vorgesetzten selbstKonsequenzen: «Unmotivierte Mitarbeiter verursachen der deutschenWirtschaft jährlich Schäden in Milliardenhöhe.»
Das hat zwar mehrere Ursachen. «Ganz wesentlich aber liegtfehlende Motivation am direkten Vorgesetzten», sagt Reinker.Mitarbeiter, die sich ungerecht behandelt fühlen, zahlen es dem Chefheim, meistens auf die eher unspektakuläre Art: Es ist ja nicht so,dass gedemütigte Mitarbeiter ihrem Chef Abführmittel in den Kaffeeschütten, sagt Reinker.
Die Möglichkeiten, dem Chef mit vielen kleinen Racheaktionen zuschaden, sind fast unbegrenzt: «Die einen arbeiten scheinbarkonzentriert an ihrem Rechner, dabei verfolgen sie online nur ihrePrivatgeschäfte», sagt Reinker. «Die anderen lassen ausLagerbeständen regelmäßig etwas mitgehen.» Manchmal spiele Habgierdabei eine Rolle - aber in erster Linie handelt der Rächer ausanderen Motiven: «Häufig sogar völlig uneigennützig. Es kommt immerwieder vor, dass Mitarbeiter sich an Vorgesetzten für andere rächen.»
Unvermeidlich ist das nicht. «Rache lässt sich auf fortgesetzte,bewusste und böswillige Ungerechtigkeiten von Vorgesetztenzurückführen», betont Sabine Reinker. In Betrieben, in denen es soetwas nicht gibt, sind auch subversive Aktionen der Mitarbeiterweniger wahrscheinlich.
Rache bringt aber allenfalls persönliche Befriedigung - sie ändertjedoch nichts. Und das sollten Mitarbeiter ruhig versuchen, sagt JensThomas, Managementberater aus Münster. Statt ständig über den bösenChef zu lamentieren, sei die vernünftigere Strategie, etwas zurLösung der Probleme beizutragen.
Genau das empfiehlt auch Rolf Meier: «Man darf die Defizite nichteinfach beim Chef suchen. Gucken Sie erst einmal auf sich selbst,vielleicht liegt es auch an Ihnen», lautet der nüchterne Ratschlagdes Pädagogen aus Hürth bei Köln.
«Heute wollen sich alle selbst entfalten - da sind Konflikteprogrammiert», sagt Meier. Umso wichtiger sei es zu lernen, dass derChef unter Umständen eine völlig andere Wahrnehmung hat als manselbst. Falsch sei, sich bei Ärger in die Schmollecke zurückzuziehen,weil genau dann der Konflikt zu eskalieren droht.
Thomas rät, rechtzeitig das Gespräch mit dem Vorgesetzten zusuchen. «Viele Chefs reagieren sogar positiv auf solche Angebote.»Schuldvorwürfe seien dabei kontraproduktiv: «Man sollte seine eigeneWahrnehmung schildern und dann fragen "Wie sehen Sie das?"», rät derJurist. «Das Ziel ist, den Chef sensibel für eigene Schwachstellen zumachen. Dann liegt es an ihm, daraus Konsequenzen zu ziehen.»
Aber auch die Unternehmen haben es in der Hand, Stress zwischenVorgesetzten und Mitarbeitern vorzubeugen: «Das Gros der Chefsbekommt den Posten nur wegen fachlicher Qualifikationen», kritisiertReinker. «Die glauben dann, wenn sie einmal im Jahr eine FlascheProsecco spendieren, sei das schon Motivation genug.»
Literatur: Susanne Reinker: Rache am Chef, Econ, ISBN978-3-430-20013-4, 16,9005 Euro; Jens Tomas: Mein Chef macht, was ichwill, Orell Füssli Verlag, ISBN 978-3-280-05169-6, 24 Euro; RolfMeier: 30 Minuten für den Umgang mit schwierigen Chefs, Gabal, ISBN978-3-89749-618-7, 6,50 Euro.