Prozesse Prozesse: Lebenslange Haft für Studentin

Hildesheim/dpa. - Im Babymord-Prozess vor dem Hildesheimer Landgericht ist die angeklagte Studentin am Dienstag zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die 28-Jährige ermordete ihre beiden Söhne nach Überzeugung des Richters kurz nach der Geburt vorsätzlich - und keineswegs in einem panischen Ausnahmezustand.
Äußerlich regungslos hört die Sozialpädagogik-Studentin der Urteilsverkündung zu, bis zur Nasenspitze in einen dicken Wollschal gehüllt. Sie gesteht, die Kinder mit einem Kissen erstickt und in den Müll geworfen zu haben. Immer wieder beteuert sie im Prozess, es gebe keine Erklärung. Das Schwurgericht sieht das anders: Die beiden Babys hätten ihrer Liebesbeziehung zu einem 53-Jährigen im Weg gestanden. «Sie tötete, um ihre Beziehung zu erhalten und so weiterleben zu können wie bisher», sagt Vorsitzender Richter Ulrich Pohl.
Bis zu der schrecklichen Tat führt die Tochter eines Polizisten ein ganz normales Leben, studiert in Hildesheim und jobbt nebenbei in einem Hotel. Am 13. September 2001 bringt die Studentin in einem Hildesheimer Krankenhaus ihren Sohn «Linus» zur Welt. Sie sei nach einem ungewollten Geschlechtsverkehr mit einem Mann schwanger geworden, den sie auf der Expo in Hannover kennen gelernt habe, erzählt die Angeklagte den Richtern. Erst nach dem vierten Monat, als es für eine Abtreibung schon zu spät ist, will sie die Schwangerschaft bemerkt haben.
Ihren Eltern und ihrem neuen Lebensgefährten, einem Hotelier, sagt sie davon nichts, baut stattdessen eine Lügengebäude auf. Sie habe einen Gehirntumor und bekomme Medikamente, die ihren Bauch aufblähten. Den Kontakt zu ihren Eltern meidet sie.
Die Studentin spielt mit dem Gedanken, ihr Kind anonym in eine Babyklappe zu legen oder es zur Adoption freizugeben. «Doch sie wollte ihre Lügen nicht offenbar werden lassen», sagt Vorsitzender Richter Pohl. Schon vor der Entbindung hat sie nach Überzeugung der Strafkammer den Entschluss gefasst, ihr Baby zu töten.
Im November 2002 wird sie wieder schwanger, diesmal von ihrem 53 Jahre alten Lebensgefährten. Der hatte gesagt, er wolle kein Kind. Erneut vertuscht sie ihre Schwangerschaft, um die Beziehung nicht zu gefährden. «Nur so konnte sie verhindern, dass ihr Lügengebäude einstürzt», meint Vorsitzender Richter Pohl. Am 4. August 2002 kommt dann ihr Sohn «Kevin» zur Welt. Zu Hause tötet sie ihn auf die gleiche Weise wie das erste Kind. Ans Licht kommen die Verbrechen, als die Eltern Post vom Standesamt mit einer Geburtsurkunde erhalten und misstrauisch werden.
Der Lebensgefährte der Studentin, der weiter zu ihr halten will, zeigt sich vom Urteil am Dienstag kaum überrascht. «Ich hatte bei dem Gericht von Anfang an keinen Funken Hoffnung», sagt er. Die schwer enttäuschte Verteidigerin Hela Rischmüller-Pörtner will die Verurteilung zu lebenslanger Haft wegen Mordes nicht akzeptieren. Sie wertet die Taten als Totschlag in minder schwerem Fall und will das Urteil anfechten.