Prozesse Prozesse: Flucht war offenbar noch brutaler geplant

Neuruppin/dpa. - Im Mordprozess gegen Frank Schmökel hat sein früherer Therapeut Berufskollegen vorgeworfen, den Gewaltverbrecher falsch behandelt zu haben. «Das Wesen seiner (Schmökels) Störung wird nicht verstanden, er wird immer wieder behandelt wie ein normaler Mensch mit stabiler Persönlichkeit», sagte der Berliner Psychologe Michael Brand am Donnerstag als Zeuge vor dem Landgericht Neuruppin in Brandenburg. Brand gilt als langjähriger Vertrauter des 40- jährigen Angeklagten. Die fatalen Fehler der Therapeuten Schmökels, der damals in Neuruppin im Maßregelvollzug saß, hätten schließlich zu der folgenschweren Flucht vor zwei Jahren geführt. «Ich halt's hier nicht mehr aus, ich dreh durch», habe Schmökel zuvor geäußert.
Der Psychiater, der am dritten Prozesstag mehrere Stunden lang vernommen wurde, war bereits während der spektakulären Flucht des Schwerverbrechers im Blickpunkt der Öffentlichkeit: Der fieberhaft gesuchte Schmökel hatte sich bei ihm per Telefon gemeldet und gestanden, einen Rentner attackiert zu haben. «Er sagte, er habe den Mann schwer verletzt oder getötet und es solle jemand die Polizei rufen. Vielleicht würde er noch leben», berichtete Brand vor Gericht. Tagebuchnotizen offenbarten außerdem, dass Schmökel eine viel brutalere Flucht geplant hatte. Er dachte sich eine Route aus und wollte ein sechs- bis sieben-jähriges Mädchen entführen, missbrauchen und töten. «Ich werde eine Bestie sein ohne Gnade. Am Besten wäre es, Vater und Mutter zu töten.» Auch seine Pfleger wollte er umbringen.
Der seit zehn Jahren wegen Sexualdelikten im Maßregelvollzug sitzende und bereits sechs Mal geflohene Schmökel hatte am 25. Oktober 2000 bei einem begleiteten Ausgang zu seiner Mutter zwei Pfleger niedergestochen und die Mutter schwer verletzt. Auf der anschließenden Flucht erschlug er nach eigenem Geständnis den Rentner. Die Staatsanwaltschaft legt ihm versuchten dreifachen Totschlag sowie Raubmord zur Last. Die Flucht allein ist keine Straftat. Der folgenschwere Ausbruch vor zwei Jahren sei vorhersehbar gewesen, meinte der Berliner Therapeut.
Der große und schlanke grauhaarige 58-Jährige hatte den Angeklagten 1995 im Maßregelvollzug Brandenburg/Havel kennen gelernt. Vier Monate lang war er sein Therapeut, bis ihm gekündigt wurde. «Sechs Monate später traf der erste Brief von Schmökel ein und es entspann sich ein Kontakt als Betreuer», schilderte Brand dem Gericht. Der nur zwei Meter entfernt sitzende Schmökel widmete ihm keinen Blick und blickte grüblerisch auf den Tisch. «Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass er eine klare frühe Persönlichkeitsstörung hat», sagte Brand. «Er war therapeutisch nicht besonders schwierig.»
Nach Auffassung des Zeugen hat sich der Zustand Schmökels stark verschlechtert, seit er vor fünf Jahren nach Neuruppin verlegt wurde. Schmökel habe mit den Therapien dort nichts anfangen können. «Ich ahnte irgendwo, da braut sich was zusammen», sagte Brand. Als Schmökel ihm im Herbst vor zwei Jahren vom geplanten Besuch bei der Mutter berichtete, habe er ihn abhalten wollen - wegen des «explosiven Verhältnisses» zwischen Mutter und Sohn.
Schmökel habe für die Mutter, die ihn seit seinem siebenten Lebensjahr in einem abgelegenen Dorf allein erzog, im Wechsel tiefen Hass oder starkes Mitgefühl empfunden. Nach Angaben Brands ist er immer nur Außenseiter gewesen. Heute habe Deutschlands einst meistgesuchter und vor Gericht scharf bewachter Verbrecher noch «eine Hand voll Leute, die ihn nicht verdammen und sich um ihn kümmern». Das Einzige, was eine Therapie derzeit für Schmökel noch bewirken könne, sei, «dass er mit sich selbst ins Reine kommt». Der Prozess wird am Montag fortgesetzt. Dann soll auch Schmökel vernommen werden.